In der kleinen Stadt Marktsteft scheint es schon sehr lange sehr findige Menschen zu geben. So gründete die Gemeinschaft „Gemütliche Zecher“ im Jahr 1920 den Marktstefter Automobilclub – und baute zu diesem Anlass direkt ein eigenes Vereinsfahrzeug: Aus größeren und kleineren Wagenrädern, Stühlen aus dem Gasthaus und einem alten Lenkrad. 100 Jahre später hat der passionierte Sammler und Bastler Kurt Leykauff ebensolchen Wagen nachgebildet – und präsentiert ihn zum Jubiläum in seiner Kunstscheune am Lindenplatz.
„Es ist schon fast unglaublich, dass man so viele Dinge ansammelt und trotzdem immer noch weiß, wo was liegt“, sagt einer, der es wissen muss. Carlos Duran Wagner betreibt seinen eigenen Schlosser- und Metallbaubetrieb und ist ebenfalls Jäger und Sammler. „Ich finde es super, dass man Dinge nicht einfach wegschmeißt, sondern nach ihrer Geschichte und ihrer Funktion forscht.“
Dokument von der Geburtsstunde
Genau das hat Kurt Leykauff einmal mehr getan. Er freut sich immer wieder, wenn Familien, die Keller, Dachböden oder alte Schränke entrümpeln, an ihn denken.
So kam schon manche Rarität in seinen Besitz – wie auch eine Anstecknadel mit Wimpel, der von der Gründung der bis heute existenten Vereinigung „Gemütliche Zecher“ zeugt. Leykauff – heute Vorsitzender dieser Vereinigung – hat ihn schon vor einiger Zeit in einer Holzkiste mit alten Knöpfen gefunden, in seinem Sammelsurium aufbewahrt und jetzt für die Ausstellung wieder herausgesucht.
Auf die Idee dazu hatte ihn ein Foto gebracht, das sechs junge Männer mit entschlossenen Gesichtern auf dem selbst gebauten Wagen zeigt. Eine handschriftliche Widmung bezeichnet die Szene als Gründungsstunde des Automobil-Clubs Marktsteft und die jungen Männer als Mitglieder der „Gemütlichen Zecher“.
Leykauffs Interesse war geweckt. Er durchsuchte seine Kunst- und Krempel-Scheune nach passenden Objekten und fand nicht nur den Wimpel, sondern auch sämtliche Bauteile für eine Nachbildung des Fahrzeugs. Und so machte sich der Tüftler ans Werk.
Zur Freude von Carlos Duran Wagner. Als Leykauff auf ihn zukam und fragte, ob er ihm bei einem Projekt helfen und aus zwei historischen Wagenrädern eine Hinterachse zusammenschweißen könne, zögerte der Schlossermeister keine Sekunde. „Er hat mir lange nicht verraten, was er damit vorhat“, schmunzelt Duran Wagner – und war einigermaßen erstaunt, als Leykauff ihn zur Besichtigung bat.
Wie schon vor 100 Jahren war aus der bestellten Hinterachse und weiteren Fundstücken – darunter die Originalstühle aus dem Gasthaus – ein Fahrzeug entstanden, das durchaus fahrtüchtig ist. „Starkes Teil“, war denn auch des Schmieds Kommentar.
Dass es aber einiges an Geschick erfordert, den Wagen mit Lenkvorrichtung durch kleine Bewegungen mit den Füßen zum Laufen zu bringen, musste auch der Marktstefter Künstler Marc Kraemer erfahren.
Stilecht mit samtenem Kutscher-Gehrock nahm er auf dem Bock Platz, kam aber nur mit Mühe in Fahrt. „Der Anfang ist schwer. Und wenn er erst mal rollt, ist er auch schwer zu bremsen“, erklärt der Konstrukteur. Auf die Handbremse könne man sich nicht wirklich verlassen, für den Notfall hat Leykauff eine Kette angebracht, die von Außenstehenden ergriffen und das Gefährt zum Stehen bringen soll. „Nur für den Fall“, sagt er. „Eigentlich ist der Wagen ja eher zum Anschauen gedacht.“
In alten Zeiten schwelgen
Am kommenden Sonntag können Interessierte genau das tun. Ergänzend zu anderen Fahrzeugen, Fundstücken und Fotos aus den Zwanziger Jahren stellt Marc Kraemer einige seiner Kunstwerke aus. Zusammen mit Kurt Leykauff und Carlos Duran Wagner freut er sich darauf, mit vielen Einheimischen, aber auch historisch interessierten Gästen zu fachsimpeln, in alten Zeiten zu schwelgen und dabei vielleicht schon Ideen für weitere Projekte zu finden.
Schließlich gibt und gab es in Marktsteft ganz offensichtlich schon immer viele besonders findige Menschen.