Es war genau der Donnerstag nach dem Weißen Sonntag in Kirchlauter und morgen jährt sich dieser Tag zum 70. Male, als die Amerikaner kurz vor Kriegsende nach Kirchlauter eindrangen. Daran wollen der Seniorenkreis und die VHS bei einer Informationsveranstaltung im „Oskar-Kandler-Zentrum“ erinnern und einen bewegenden Rückblick mit lebenden Zeitzeugen und auch Bildern geben. Das „Erinnern und das Nicht-Vergessen-Dürfen“ für die lebendig zu erhalten, welche diese Zeit nicht erlebt haben, sind Grundgedanken dieses Tages.
Auch vor 20 Jahren gab es schon einmal eine ähnliche Veranstaltung, aber mit anderem Hintergrund. Hier holte der damalige Bürgermeister Peter Kirchner mit Archivar Herbert Roller Zeitzeugen zusammen, um ihre Erinnerungen für die Nachwelt zu erhalten. Daraus entstand eine kleine Broschüre mit fast 50 Seiten, in welcher die Gespräche der Zeitzeugen festgehalten, aber auch mit einem Tonband aufgenommen wurden. „Es gibt Tage, die vergisst man nicht, weil ihr Inhalt so beglückend war. Es gibt aber auch Tage, die darf man nicht vergessen, weil sie so schrecklich waren“, schrieb damals Peter Kirchner in seinem Vorwort.
Noch können Zeitzeugen berichten. Deswegen will man in Kirchlauter auch den 70. Jahrestag nicht einfach so verstreichen lassen und diese schrecklichen Tage für den Ort Kirchlauter ins Gedächtnis zurückrufen. Zum Glück können auch diesmal noch einige Zeitzeugen direkt berichten. Mehr als 15 von ihnen, die damals zehn Jahre und älter waren, wollen auch diesmal dabei sein. Auch Franz Ludwig Schenk Graf von Stauffenberg hat sein Kommen zugesagt. Ferner sind auch interessierte Bürger aus der Umgebung eingeladen. Das Interesse an dieser Veranstaltung ist inzwischen so groß, dass sogar das Bayerische Fernsehen in der Frankenschau davon berichten wird. Dazu war am vergangenen Wochenende BR-Moderator Markus Klingele in Kirchlauter, um Zeitzeugen direkt zu befragen.
Es war genau die Zeit, als die Amerikaner nach Mainfranken einrückten mit dem XXI. Korps der 7. Amerikanischen Armee Richtung Schweinfurt und Haßfurt. Das XV. Korps kam am 11. April über die Rhön nach Ebern und Rentweinsdorf. Sowohl Haßfurt und Zeil als auch Ebern und Rentweinsdorf wurden kampflos eingenommen.
Ein Teil dieses US-Korps war es, das von Köslau kommend, am Morgen des 12. April, nach Kirchlauter vordrang. Zwischen 7 und 8 Uhr erreichten die ersten Fahrzeuge der Amerikaner den Ortseingang von Kirchlauter. Manche Bewohner versuchten noch schnell sichere Plätze zu erreichen, während andere neugierig in ihren Höfen standen. Letztere befürchteten nach dem Wegräumen der Panzersperren keine Übergriffe der Amerikaner mehr.
Von der Gastwirtschaft rannten zu diesem Zeitpunkt einige deutsche Soldaten in Richtung Kirchenmauer. Auf der Treppe zog ein Ritterkreuzträger eine Handgranate, entsicherte sie und warf sie in Richtung Straße. Sie fiel jedoch in den Bach und explodierte. Da stoppte der erste amerikanische Spähwagen und der zweite schloss auf den ersten auf und genau zu diesem Zeitpunkt fiel ein Schuss. Er traf einen amerikanischen Infanteristen, der auf einem Panzer gesessen war. Der Getroffene fiel vom Panzer, so dass das Blut die Wände hochspritzte. Weitere Schüsse wurden in Richtung Schlosshof abgegeben, wo sie einen weiteren amerikanischen Soldaten tödlich trafen, seinen Kameraden schwer verwundeten und den Kirchlauterer Peter Laubender am Oberschenkel verletzten.
Die Vermutung für die Schüsse ist die These, dass die aus der Gastwirtschaft fliehenden Soldaten, welche die Treppe in Richtung Kirche hinaufrannten, sich von dort als Heckenschützen betätigten. Mit dem Absitzen der Infanteristen eröffneten die vorderen Spähwagen der Amerikaner das Feuer und nahmen hauptsächlich die Wirtschaft und die angrenzende Scheune, in der sich noch mehrere deutsche Soldaten aufhielten, unter Beschuss. Das Schloss, der Schlosshof und die Rentei wurden ebenfalls mit Feuer belegt.
Später zogen sich die US-Fahrzeuge wieder in Richtung Pettstadt zurück, umzingelten jedoch Kirchlauter von drei Seiten und beschossen den Ort. 88 Anwesen verzeichnete Kirchlauter zur damaligen Zeit. Davon wurden 15 schwer beschädigt und waren fast nicht mehr bewohnbar, denn meistens waren Dachstuhl und Mauern sehr stark in Mitleidenschaft gezogen. Viele Familien mussten deshalb Unterkunft bei Verwandten, Freunden und Nachbarn suchen. Weitere 24 Anwesen wurden stark beschädigt, waren aber noch bewohnbar. In einem Fall mussten 16 Fenster repariert werden. Nur ein Viertel der damaligen Anwesen, nämlich 22, blieben von Schäden verschont. Zum Glück gab es unter der Zivilbevölkerung keine Toten zu beklagen, nur zwei Verletzte.
Zieht man eine Bilanz dieses sinnlosen Mordens, ausgelöst in Kirchlauter wahrscheinlich durch einen verblendeten jungen Ritterkreuzträger, so kann man mit Sicherheit von 12 Toten (7 deutsche und 5 amerikanische Soldaten) sprechen. Andere Zahlen, die von mehr als 20 Toten sprechen, sind nicht belegt.
Am Donnerstag, 16. April, um 14.45 Uhr, soll im „Oskar-Kandler-Zentrum“ nun der Einmarsch der Amerikaner noch einmal in die Erinnerung gerufen und die Geschichte Kirchlauters lebendig werden. Dies soll auch am gleichen Tag in der BR-Frankenschau gesendet werden. Organisator Peter Kirchner hat hierzu zahlreiche Dokumente, Bilder und Dias zusammengestellt. Außerdem haben viele Zeitzeugen ihr Kommen zugesagt und werden auch zum „Kampf im Dorf beim Einmarsch“ und der „Zeit nach dem Panzerbeschuss“ ihre Erlebnisse und Empfindungen zum Ausdruck bringen.