
Wer im Internet nach dem Inselstaat "Papua Neuguinea" sucht, der liest von Traumstränden, Vulkanen, Regenwald und Korallenriffen. Wenn Dr. Hubert Schildhauer an Papua Neuguinea denkt, dann erinnert er sich neben all dem Schönen auch an fiebrige Kinder, Tuberkulose-Kranke oder eine Schädel-Operation. Denn Schildhauer, früher Chefarzt der Chirurgie am Kreiskrankenhaus Haßfurt, war lange als Mediziner in dem Land im südwestlichen Pazifik unterwegs.
Im Gespräch erzählt er von seinen Erfahrungen, die er bei seinen Einsätzen als "Senior Expert" im Braun Memorial Hospital Butaweng sammeln konnte. Und warum ihm die Arbeit mit den Menschen am Herzen liegt.
Aus dem geplanten Ruhestand wurde nichts
Hubert Schildhauer, Jahrgang 1937, war der vielleicht bekannteste Chirurg im Landkreis Haßberge, bis er 2003 in den Ruhestand ging. Doch ein richtiger Ruhestand war es nicht. Gerne wurde er als Urlaubsvertretung angefragt, erzählt er. Allerdings in der näheren Umgebung. Dann, so erinnert sich der Mediziner, las er im Ärzteblatt eine Anzeige der Organisation "Mission EineWelt" mit Sitz Neuendettelsau im Landkreis Ansbach, Mittelfranken.
Der Artikel befasste sich mit dem Krankenhaus, das von der evangelisch-lutherischen Kirche von Papua Neuguinea betrieben wird. "Ich war schon immer gern in der Welt unterwegs und die evangelische Mission nimmt auch Katholiken", erzählt Schildhauer augenzwinkernd. Vor seiner Zeit am Krankenhaus in Haßfurt hatte er schon in Sierra Leone und Algerien gearbeitet und nach der Ruhestandsversetzung zog es ihn für einige Monate nach Nepal.
2010 dann lockte ihn die besagte Anzeige nach Papua Neuguinea – im Alter von 73 Jahren durchaus ein Abenteuer, erzählt Schildhauer. Am abenteuerlichsten aber fand er die Bürokratie vor dem Flug. Es dauerte ein dreiviertel Jahr, bis Visum und Arbeitserlaubnis aus Brüssel eintrafen. Genug Zeit, um sich mit Büchern der Weltgesundheitsorganisation WHO auf die Situation vor Ort vorzubereiten. Und die Sprache zu lernen. "Das ist nicht so schwer", erzählt er lächelnd. Weil in Papua Neuguinea 800 verschiedene Sprachen gesprochen werden, wurde die Einheitssprache "Tok Pisin" entwickelt, "ein verkürztes Englisch mit sehr einfacher Grammatik", so Schildhauer weiter.

Das Lernen sollte sich am Ende lohnen, denn es blieb nicht bei einem Besuch. Hubert Schildhauer fand so viel Erfüllung in diesen ehrenamtlichen Einsätzen, dass er bis 2021 zehn Mal für jeweils vier bis sechs Monate in den Pazifik flog. Insgesamt verbrachte er vier Jahre seines Lebens dort mit herausfordernder medizinischer Arbeit "und relativ eintöniger Verpflegung aus Süßkartoffeleintopf und Reis" erzählt er grinsend. "Aber wir waren ja nicht aus kulinarischen Gründen da."
Als Nachkriegskind selber mit TBC infiziert
Wenn Schildhauer über die Zeit in der Nähe des Äquators berichtet, schwingt eine große Portion Gelassenheit mit. Und das obwohl in der Region etwa die Tuberkulose (TBC) weit verbreitet ist, ein Erreger, der überwiegend die Lunge befällt. Ob er denn angesichts der hygienischen Rahmenbedingungen keine Ansteckung fürchtete, wurde er gefragt, als er jüngst beim Lionsclub Haßberge eingeladen war, um von seinen Erfahrungen zu berichten. "Wir Nachkriegskinder waren doch alle mit TBC infiziert und haben eine gewisse Grundimmunität", erzählte er ruhig. Schildhauer scheint unerschütterlich, auch wenn am Feuergürtel ab und an die Erde bebt.

Da die Bodenschätze und auch der Fischreichtum von Papua Neuguinea "eher von den Chinesen genutzt werden", ernähre sich der größte Teil der Bevölkerung vom eigenen Garten und ist daher mit landwirtschaftlichen Tätigkeiten beschäftigt. Wenn dann ein steifer Ellbogen wieder funktionstüchtig gemacht werde, sei das für einen Menschen existentiell. Schildhauer berichtet von fiebrigen und unterernährten Kindern und schlimmen Verletzungen, denn es gibt viel Gewaltkriminalität. Und nicht selten stürzen junge Leute bei der Kokosnussernte 30 oder 40 Meter in die Tiefe. "Angeblich sterben dort mehr Menschen durch herabfallende Kokosnüsse als durch Schlangenbisse", sagt Schildhauer. Aber auch Antiserum ist sehr teuer – die Bevölkerung versucht deshalb der Schlangengefahr durch kurz geschorene Rasenflächen rund die Häuser zu begegnen.
Ein Krankenhaus mit Platz für 100 bis 120 Menschen
Sehr freundlich und geduldig seien die Erwachsenen und vor allem die Kinder gewesen, die er als Arzt im Krankenhaus im Osten des Landes kennenlernte, erzählt Schildhauer. Das Braun Memorial Hospital, das direkt am Mape River liegt, hat 100 bis 120 Betten. Es hat eine internistische, chirurgische, eine Kinder- und Geburtshilfeabteilung sowie eine offene und ein geschlossene TBC-Abteilung. Rund 500 Kinder kommen dort im Jahr zur Welt. Das Hospital betreibt eine eigene Schwesternschule. Und die große Ambulanz ist Anlaufstelle für Kranke aus der ganzen Region.

Der Chirurg aus Haßfurt ist sich sicher: "Da wird eine gute Arbeit geleistet, die Ausbildung des medizinischen Personals ist gut". Dennoch gebe es zu wenig medizinische Versorgung. Der Staat halte pro Distrikt eine Klinik und zwei bis vier Gesundheitszentren vor, deshalb seien private und kirchliche Krankenhäuser lebenswichtige Ergänzungen. "Meist war ich der einzige Chirurg", erinnert Schildhauer sich. "Wenn wir nicht da sind, dann bekommt ein Teil dieser Menschen keine Behandlung", erklärt er seine eigene Motivation und auch die vieler seiner Kollegen. Ohnehin gebe es in den Hospitälern "nur" die Behandlung. Jeder Patient müsse eine Pflegeperson mitbringen, die auch für das Essen sorgt.
Trotz seiner großen Erfahrung, die er als Chirurg und Chefarzt in Haßfurt sammeln konnte, stand Hubert Schildhauer in Papua Neuguinea immer wieder vor großen Herausforderungen: Etwa als er erstmals seit seiner Assistenzarztzeit einen Schädelbruch operieren musste. Oder als in einem anderen Fall eine Fahrradspeiche in der Brust eines Jungen steckte. Warum macht man all das auch weit über den 80. Geburtstag hinaus? "Weil man es kann, weil es dort gebraucht wird," lautet Schildhauers kurze Antwort. "Das sind keine Opfer, die man da bringt, das ist schöne Arbeit", sagt er und hofft, dass sich wieder neue Ärztinnen und Ärzte finden, die sich der Mission anschließen.