Eine große Welle der Solidarität erfuhren die Hebammen am Haus Haßfurt der Haßbergkliniken in den vergangenen Wochen. Seit dem 11. Mai lagen an mehreren Stellen im Landkreis Listen aus, in die sich Menschen eintragen konnten, um damit ihren Protest gegen die drohende Schließung der Geburtsstation des Krankenhauses zu bekunden. Gleichzeitig startete eine Online-Petition. Insgesamt kamen mit diesen beiden Maßnahmen genau 21 828 Unterschriften zusammen, erklärte Hebamme Brigitta Wohner-Finger am Donnerstagnachmittag bei der Übergabe zweier dicker Aktenordner an den Verwaltungsratsvorsitzenden und Landrat Wilhelm Schneider.
„Wir haben uns in den letzten Wochen schon unter Druck gesetzt gefühlt, weil unsere Abteilung keinen Gewinn abwirft“, sagte die Hebamme bei dem Treffen im Kreißsaal und hofft jetzt auf eine ebenso große Solidarität von Seiten der Ärzte am Krankenhaus.
Schneider bedankte sich, mit einem der schweren Aktenordner im Arm, bei den Hebammen für ihr großes Engagement, das sie in den zurückliegenden Tagen und Wochen seit Bekanntwerden der Zukunftspläne des Verwaltungsrats gezeigt hatten. Der Landrat betonte, dass die Gynäkologische Abteilung des Krankenhauses nicht schuld ist am Defizit der Haßbergkliniken. „In dieser Geburtsstation wird hochwertige Arbeit geleistet“, sagte Schneider zu den Hebammen. Der Kreischef unterstrich aber auch, dass er trotz der großen Solidarität aus der Bevölkerung zu diesem Zeitpunkt gegenüber der Geburtshilfestation keine Versprechungen machen könne. Schneider sei dankbar für das positive Echo, doch müssten die Unterstützer, die mit ihrer Unterschrift ihre Verbundenheit zur Gynäkologischen Abteilung und dem Krankenhaus allgemein ausgedrückt haben, auch Taten folgen lassen und die Dienste der Haßberg-Kliniken künftig verstärkt in Anspruch nehmen.
Bei etwa 600 Geburten pro Jahr würde die Gynäkologie in Haßfurt kostendeckend arbeiten, erklärte Schneider bei dieser Gelegenheit erneut. „Dahin werden wir nicht kommen, aber wenn in den nächsten Wochen eine Steigerung eintritt, werden wir das im Verwaltungsrat bei unseren Entscheidungen natürlich berücksichtigen“, machte der Landrat den Hebammen dann doch ein wenig Hoffnung. Eine finale Entscheidung über die Zukunft der Abteilung werde höchstwahrscheinlich nicht in der von allen Beteiligten mit Spannung erwarteten Sitzung des Verwaltungsrats am kommenden Montag, 6. Juni, fallen.
Auf etwa eine Geburt pro Tag, also auf nahezu 365 pro Jahr kommt die „Gyn“ in Haßfurt aktuell, wobei die Anzahl in den vergangenen Jahren leicht gestiegen ist, erklärten die Hebammen. Im direkten Vergleich mit dem vergangenen Jahr habe es in diesem Jahr sogar bislang 13 Geburten mehr gegeben. Der Mai sei mit 40 Geburten besonders stark gewesen.
In der Argumentation bislang zu kurz gekommen ist laut Hebamme Carola Lutsch der Umstand, dass die Geburtsstation in den vergangenen Jahren eine Baustelle gewesen ist. Baulärm, Provisorien und Einschränkungen hätten ihrer Meinung nach werdende Eltern davon abgehalten, das Haßfurter Krankenhaus für die Geburt ihres Nachwuchses aufzusuchen. „Ohne die Bauarbeiten hätten wir in den letzten Jahren schon mehr Geburten hier gehabt“, fasste die erfahrene Hebamme zusammen.
Eine Steigerung auf 600 Geburten pro Jahr hält Chefarzt Dr. Raphael Kupietz, der Leiter der Abteilung, für möglich, falls die umliegenden Frauenärzte sich solidarisch mit dem Haßfurter Krankenhaus erklären und künftig ihre Patientinnen vermehrt zur Entbindung dorthin schicken würden. Laut Kupietz entscheide sich derzeit nämlich nur die Hälfte aller werdenden Mütter aus dem Landreis für eine Geburt in Haßfurt. Der Landrat versprach, Gespräche mit den niedergelassenen Gynäkologen der Region zu führen. Dass viele Schwangere die Krankenhäuser in Schweinfurt oder Bamberg den Haßbergkliniken vorziehen, weil dort Kinderkliniken angeschlossen sind, ist auch den Haßfurter Hebammen bekannt.
„Aber eine gute Geburt in Sicherheit heißt nicht unbedingt, dass eine Kinderklinik in der Nähe ist. Die Geborgenheit ist wichtig“, sagt Hebamme Martina Steck. Diese Geborgenheit bietet die Haßfurter Gynäkologie – darin waren sich am Donnerstag alle Anwesenden einig.