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HASSFURT
Zwar hirntot aber nicht tot
kv
 |  aktualisiert: 01.09.2012 12:05 Uhr

Bei Hirntoten zeigen sich zumeist noch Körperreaktionen, die von den Hinterbliebenen beziehungsweise generell von medizinischen Laien noch als Zeichen des Lebens gedeutet werden können. Eben weil der Körper noch an Apparate angeschlossen ist und ihm Medikamente gegeben werden, die den Stoffwechsel am Laufen halten, treten keine äußeren Todeszeichen ein.

Statt kühler Totenstarre und Totenflecken wie bei einer Leiche ist der Körper noch warm und der Brustkorb hebt und senkt sich. Der Mensch ist hirntot, aber nicht tot. Dies kann verwirrend und belastend wirken.

Noch irritierender wird es, wenn sich bei der laufenden Organentnahme plötzlich die Pulsfrequenz und der Blutdruck des Organspenders erhöhen. Es treten Muskelzuckungen und Hautrötungen auf. Empfindet der Hirntote also doch noch Schmerz? Muss er leiden, während er – drastisch gesprochen – bei lebendigem Leib ausgeweidet wird?

Die ganz überwiegende medizinische Lehrmeinung sagt „Nein“. Bewusstes Schmerzempfinden setzt ein Bewusstsein voraus und das wiederum ein funktionierendes Gehirn. Nach dem Hirntod gibt es kein Bewusstsein mehr. Die während der Explantation vorkommenden Körperreaktionen seien ausschließlich vom Rückenmark ausgelöst. Man spricht von „physiologischen Funktionen“.

Blinddarm ohne Narkose operiert

Gerade eben weil im Hirntod die sonst vorhandene hemmende Wirkung des Gehirns auf das Rückenmark fehlt, kommt es zu diesen unwillkürlichen Bewegungen. Dass die Reaktionen ausschließlich mit dem Rückenmark zusammenhängen, sei bereits seit dem Jahr 1870 in zahlreichen Tierexperimenten nachgewiesen.

Einen aus Sicht der Schulmediziner endgültigen Beweis liefern Querschnittsgelähmte, also Menschen, bei denen bei einem Unfall das Rückenmark im Halsbereich durchtrennt wurde und es jetzt keine Verbindung mehr zwischen Gehirn und Rückenmark gibt. Solche Menschen können völlig ohne Narkose zum Beispiel am Blinddarm operiert werden. Sie spüren dabei keinerlei Schmerzen. Gleichwohl kommt es während der Operation an ihrem Körper zu Hautrötungen, lokalen Schweißausbrüchen und Muskelzuckungen.

Aufgrund dieser unbewussten Bewegungen des Körpers, wird der Organspender vor der Entnahme häufig in Vollnarkose gelegt. Denn die Bewegungen können so stark sein, so ist in Erfahrungsberichten von Operateuren nachzulesen, dass der Eingriff sonst unmöglich wird. Es gibt auch vereinzelte Meinungen, dass die Feststellung des Hirntods eben nicht ausreicht, um mit der Organentnahme zu beginnen. Sabine Müller, Bioethikerin an der Berliner Charité, fordert, erst auch noch den Herztod abzuwarten und schreibt in der Zeitschrift „Ethik in der Medizin“, die „Organentnahme bei Hirntoten sehe ich als Tötung an“. Eines ist aber auch klar: Wer den Hirntod als ausschließliches Kriterium für den Tod eines Menschen in Zweifel zieht, spricht sich damit generell gegen die Transplantationsmedizin aus.

Denn wenn man abwarten will, bis auch die letzten Funktionen im Körper abgeklungen sind, ist es für eine Explantation in der Regel zu spät, weil dann auch schon der Zerfall der Organe begonnen hat.

 
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