Am Feldrand werden Erinnerungen wach. An das Jahr 1998. Bis Ende September war damals das Wetter ganz passabel, aber dann: es regnete ohne Unterlass, vielerorts versank die Zuckerrübenernte im Chaos. Nicht anders erging es Karl-Oskar Merkel, erinnert sich der heute 80-Jährige noch ganz genau. Die großen, sechsreihigen Zuckerrübenvollernter mussten kapitulieren, die Felder waren einfach zu feucht. Tiefe Böden auch in diesem Jahr auf den Rübenfeldern beim Hofgut Mariaburghausen. Merkel blickt auf die Rübenfläche und die sich nähernden Lichtpunkte in der Dämmerung und sagt: „Mit denen hätten wir es auch damals geschafft. Es ist gewaltig, was die Technik für einen Fortschritt gemacht hat.“
Vollernter mit 770 PS
Die Lichtpunkte gehören tatsächlich zu gewaltigen Maschinen. Zusammen beinahe 1400 PS steuern auf die Gruppe mit Karl-Oskar Merkel, Tino Scheithauer vom Maschinenring Haßgau und Alexander Krauser, Vorsitzender der Zuckerrüben-Rodegemeinschaft Haßgau sowie auf die Roderfahrern der Rodegemeinschaft zu. Es ist ein Vergleich „Alt“ gegen „Neu“ im Arbeitseinsatz. Rund neun Jahre alt ist der Vollernter der Zuckerrüben-Rodegemeinschaft Haßgau, der andere Roder eine Vorführ-Maschine, Baujahr 2017. Etwa 600 PS gegen die rund 770 PS des Neuen.
Und obwohl nur wenige Jahre Unterschied zwischen den beiden Vollerntern liegen, ist auch hier wieder der technische Fortschritt spürbar geworden – im wahrsten Sinne des Wortes: ein neues Fahrwerk gleicht das Wanken des Roders bei Bodenunebenheiten aus, sagt Ingo Vetter vom Hersteller, während er in der gläsernen Kanzel die Maschine steuert. Das Wanken der Maschine verhindern, bedeutet zugleich, dass Bodenverdichtung soweit wie möglich reduziert wird. Dazu trägt unter anderem auch geringerer Luftruck bei. Zugleich soll das neue Fahrwerk am Hang für Stabilität sorgen. So soll weniger Druck auf den Boden aufgebaut werden, denn „der Boden ist doch unser größtes Gut“, so Vetter.
Und was der Neue zudem seinem älteren Bruder voraus hat: „eine bessere Reinigung“, sagt Vetter und deutet zu den Rüben hinab, die kontinuierlich im Roder verschwinden und zeigt hin zum Rübenbunker hinter seinem Rücken.
Wobei der Name Roder in diesem Jahr nicht unbedingt übereinstimmt, mit dem, was die Maschine tatsächlich machen muss: „Wir zupfen die Rüben quasi heraus“ – soll heißen: um Erdanhang zu vermeiden, „fassen“ die Schare nur die Rübe selbst und ziehen sie aus dem feuchten Boden. So soll vermieden werden, dass Erde mit den Rüben auf den Rübenhaufen am Feldrand und von dort in die Zuckerfabrik wandert.
Denn die kann übermäßigen Schmutz in diesem Jahr gleich gar nicht gebrauchen, nachdem dort nach dem schlimmen Brand im Sommer dieses Jahres die sogenannte Trocken-Vorreinigung der Rüben nicht wiederhergestellt werden konnte. Aus diesem Grund gab es auch ein Schreiben an die Rübenbauern und unter anderem auch an die Maschinenringe und Rodegemeinschaften, mitzuhelfen, dass möglichst wenig Erde mit den Rüben in der Fabrik ankommt, berichtet Ernst Merz von der Rübeninspektion der Zuckerfabrik in Ochsenfurt.
Geringer Erdanteil
Und den bisherigen Ergebnissen nach, wurde der Hinweis aus der Fabrik „sehr gut umgesetzt“, so Merz, denn: im Durchschnitt des Einzugsbereichs der Zuckerfabrik liegt der Erdanteil derzeit gerade einmal bei 5,2 Prozent, so Merz. Fest steht auf jeden Fall, dass auf den Feldern überall im Einzugsbereich der Fabrik eine Rekordernte herangewachsen ist.
Für den Bereich Haßberge bedeutet dies: rund 85 Tonnen Zuckerrüben pro Hektar sind herangewachsen, ein „super gutes Ergebnis“, so Merz, normalerweise liegt der Ertrag etwa fünf bis sechs Tonnen darunter. Nicht anders die Erwartungen für die Bereiche Gerolzhofen und Rhön: im Gerolzhöfer Raum liegen die Erwartungen bei 88 bis 89 Tonnen pro Hektar, im Bereich Rhön, ähnlich wie in den Haßbergen, bei 85 bis 86 Tonnen pro Hektar.
„Sehr gut“ läuft laut Merz derzeit auch die Verarbeitung im Ochsenfurter Werk. Die geplanten 15 000 Tonnen am Tag werden um 1200 Tonnen übertroffen.
Rekorde in allen Regionen, aber was dabei verwundert: normalerweise „verwässert“ die Masse den Zuckergehalt, bei so hohen Erträgen. Aber dies ist heuer nicht der Fall. Über einen längeren Zeitraum gesehen, liegt der Zuckergehalt im fränkischen Durchschnitt bei 18,3 Prozent. Fürs ganze Werk Ochsenfurt liegt er aktuell bei 17,7 Prozent, im Haßberge-Bereich bei 17,8, im Gerolzhöfer Raum bei 17,5 und im Rhöner Bereich bei 17,4 Prozent.
Wie's dazu kam? Vermutlich haben die idealen Wachstumsbedingungen dafür gesorgt, das die Ergebnisse bei Menge und Zucker hoch liegen. Dabei hatte das Rübenjahr gar nicht nach einem Rekordjahr ausgesehen, blickt Merz zurück. Die trockenen Monate April und Mai hatten für eine „verhaltene Entwicklung“ der Pflänzchen gesorgt. Für das große Wachstum sorgten dann die intensiven Niederschläge ab Juli.
Weniger Blattkrankheiten
Hinzu kam: die Entwicklung der Rüben wurde weniger durch Blattkrankheiten, wie etwa Mehltau, beeinträchtigt. Denn die benötigen nicht nur feuchtes Klima, sondern auch Wärme und an Letzterer mangelte es.
Was für Merz ebenfalls ein Grund dafür ist, dass eine Rekordernte herangewachsen ist: Fadenwürmer, Nematoden, kamen nicht zum Zuge, nachdem viele Landwirte „Nematoden-tolerantes“ Saatgut verwendet hatten. Bestimmte Sorten von Fadenwürmern befallen die Rüben und saugen den Pflanzensaft.
Erkennbar gesund sind so auch die Rüben, die die beiden Vollernter aus dem durchweichten Boden bei Mariaburghausen holen. Statt der 21 Lastwagen zu Beginn der Kampagne, sind inzwischen 25 Fuhrwerke unterwegs, um die Rüben zur Weiterverarbeitung zu bringen, berichten Scheithauer und Krauser. Und das vermutlich bis zum 25. Januar, denn bis dahin könnte laut gegenwärtiger Planung die Kampagne dauern, so Merz, der sich wünschen würde, dass zum einen bis Jahresende kein strenger Frost kommt, aber auch, dass die nächsten drei bis vier Wochen trockenes Wetter herrscht.
Teure Investition
Denn die Niederschläge der vergangenen Wochen haben dem Roder und den Fahrern der Rodegemeinschaft immer wieder einiges abverlangt. Ob die Fahrer dann auf einem neuen Roder im nächsten Jahr Platz nehmen können, das ist noch längst nicht entschieden, so Alexander Krauser.
Immerhin würde eine Maschine, wie sie jetzt bei Mariaburghausen zum Einsatz kam, rund eine halbe Million Euro kosten. Krauser: „Nach neun Jahren denken wir über eine Investition nach, aber es ist nichts entschieden, auch nicht, darüber, ob es eine neue Maschine oder eine gute Gebrauchte werden soll.“