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KREIS HASSBERGE
Zoff mit Jobcenter: Geld reicht nicht zum Leben
Ordnerweise Akten: Eine 43-Jährige aus dem Haßbergkreis sieht sich vom Jobcenter in Haßfurt in ihrer Grundsicherung benachteiligt.
Foto: Mösslein | Ordnerweise Akten: Eine 43-Jährige aus dem Haßbergkreis sieht sich vom Jobcenter in Haßfurt in ihrer Grundsicherung benachteiligt.
Michael Mößlein
 |  aktualisiert: 13.01.2016 10:38 Uhr

Wenn Claudia Bauer ehrlich ist, weiß sie derzeit nicht, wovon sie leben soll. Auf ihrem Konto ist Ebbe. Sie ist auf die sogenannte Grundsicherung angewiesen. Doch im Februar und März ist bei ihr kein Geld angekommen. Dem zuständigen Jobcenter in Haßfurt wirft sie Schikane und eine Verzögerungstaktik vor. Ihre Existenz sei bedroht. Im Jobcenter dagegen heißt es: Frau Bauer kooperiert nicht so, wie sie könnte. Alle Gesetze und Vorschriften seien eingehalten worden. Fehler hätte es nicht gegeben. Nun soll ein Gericht entscheiden, was Recht und in Ordnung ist.

Die 43-Jährige aus dem Landkreis Haßberge möchte sich vom Jobcenter „nichts mehr gefallen lassen“, sagt sie. Sie sieht sich in einer Opferrolle. Das möchte sie ändern. Auch deshalb hat sie sich an diese Zeitung gewandt. Die Frau, die nicht Claudia Bauer heißt, ihren Namen aber nicht öffentlich nennen möchte, hat in den vergangenen Jahren einiges mitgemacht. Sie lebt getrennt von ihrem Mann, weil sie es mit ihm nicht mehr ausgehalten hat. Unterhalt zahlt er ihr nicht. Dennoch: Claudia Bauer gibt nicht auf, bildet sich fort, möchte bald wieder auf die Beine kommen – auch finanziell. Vom Jobcenter erwartet sie mehr Hilfe.

Keinen Cent für Februar

Anfang März hat ihr Rechtsanwalt Bernhard Langer das Jobcenter Haßberge verklagt, um das Recht seiner Mandantin auf Sicherung ihres Lebensunterhalts (Grundsicherung) gerichtlich durchzusetzen. Am 25. März hat das Jobcenter eine vorläufige Bewilligung erlassen, die Claudia Bauer rückwirkend zum 1. März monatlich 265 Euro zuspricht. Für Februar gibt es laut Berechnung des Jobcenters keinen Cent.

Anwalt Langer hält den Bescheid in mehreren Punkten für fehlerhaft. Der gröbste Schnitzer: Das Jobcenter unterstellt Claudia Bauer, 342 Euro Arbeitslosengeld zu beziehen, und reduziert deshalb ihren Anspruch auf Grundsicherung. Der Haken daran: Claudia Bauer habe das letzte Mal im Januar Arbeitslosengeld erhalten. Dies sei dem Jobcenter mehrfach mitgeteilt worden, so im Antrag auf die Klage vom 7. März, die der Redaktion als Abdruck vorliegt. Dennoch zieht das Jobcenter im Bescheid vom 25. März das Arbeitslosengeld von Claudia Bauers Leistungsanspruch ab.

Vorgaben des Sozialgesetzbuchs

Werner Mahr, Geschäftsführer des Jobcenters Haßfurt, verweist auf einen gültigen Bescheid der Agentur für Arbeit, wonach Claudia Bauer Anspruch auf Arbeitslosengeld I hat. Wenn sie dieses nicht erhalte, dann müsse sie dem Jobcenter den Einstellungsbescheid der Agentur für Arbeit vorlegen. Dann prüfe das Jobcenter das und werde seinen Bescheid gegebenenfalls ändern. Einen weiteren Vorwurf weist Mahr zurück: Das Jobcenter habe nicht ungerechtfertigterweise Einkünfte von Claudia Bauer einberechnet. Laut Sozialgesetzbuch II (Paragraf 11) seien alle Einkommen für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie beim Leistungsempfänger eingehen. Wenn einmalige Zahlungen den Leistungsanspruch in einem Monat aufheben würden, dann ist die einmalige Einnahme auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig aufzuteilen und zu berücksichtigen. Daran hätten sich seine Mitarbeiter gehalten, sagt Mahr.

Bei Claudia Bauer geht es in erster Linie um gut 2900 Euro, die ihr im Februar überwiesen wurden. Das Geld stammt aus einem Vergleich mit einem früheren Arbeitgeber, der ihr Lohn aus dem Zeitraum 2011/12 geschuldet hat. Einen Großteil des Geldes hat sie gleich in ein Auto investiert. Dennoch erwächst ihr aus der Einmalzahlung vom Februar sowie weiteren, geringeren Zahlungen – ebenfalls aus Schuldtiteln – der Nachteil, dass dieses Geld laut den Berechnungen des Jobcenters ihren Leistungsanspruch vermindern.

Schonvermögen gilt nicht

Was Claudia Bauer ärgert: Wenn sie vor Jahren (als Grundsicherung bei ihr kein Thema war) den ihr damals zustehenden Lohn erhalten und ausgegeben, oder auf ein Sparbuch eingezahlt hätte, dann würde das Jobcenter dieses Geld nicht interessieren, da ihr ein Vermögen von knapp 7000 Euro zusteht, das sie nicht antasten muss (Schonvermögen). Nur die Zahlungen aus den Schuldtiteln, die jetzt auf ihr Konto fließen, werden als Einkünfte gewertet – obwohl Claudia Bauer mittlerweile Geld von Bekannten leiht, um über die Runden zu kommen.

Ob dieses Vorgehen des Jobcenters rechtens ist, muss das Sozialgericht Würzburg klären. Anwalt Langer sieht Chancen, dass es die Schuldtitel als Schonvermögen wertet. Zudem kritisiert er die aus seiner Sicht zu lange Bearbeitungsdauer, bis das Jobcenter seiner Mandantin Grundsicherung gewährt hat. Anfang Dezember schrieb ihr das Jobcenter, dass sie ihren Antrag auf Grundsicherung für den Zeitraum ab Februar verlängern müsste, schildert Claudia Bauer. Die geforderten Unterlagen habe sie wenige Tage später eingereicht. Mitte Januar forderte das Jobcenter erstmals Kopien ihrer Kontoauszüge aus den vergangenen drei Monaten. Hierzu sei sie nicht verpflichtet, meint Claudia Bauer. Sie müsste die Kontoauszüge nur zur Einsicht vorlegen. Sie sieht darin eine Schikane. Dennoch sei sie der Aufforderung nachgekommen.

Kopien für die Akten

Mahr rechtfertigt die Kopien damit, dass das Jobcenter von Claudia Bauers unregelmäßigen Einkünften aus Schuldtiteln erfahren hat. Zur Dokumentation sollten ihre Bankunterlagen der Akte beigefügt werden. Eine Überzahlung sollte so vermieden werden. Dies, sowie die teils zögerliche Vorlage der Unterlagen habe die Bearbeitung des Antrags in die Länge gezogen. Dass für den Fall Bauer in nur einem halben Jahr drei Sachbearbeiter zuständig waren, ist laut des Leiters des Jobcenters der prekären Mitarbeiter-Ausstattung geschuldet. Seine Mitarbeiter setzten sich „über Gebühr ein“, sagt er, und seien stark belastet.

Claudia Bauer berichtet, dass sie dem Jobcenter ihre Schuldtitel nie verheimlicht und Zahlungseingänge dem Jobcenter mitgeteilt hätte, seitdem sie im August 2013 dort erstmals Grundsicherung beantragt habe. Damals hätte von ihr niemand kopierte Unterlagen verlangt.

Klägerin glaubt an Sieg vor Gericht

Laut Bescheid des Jobcenters erhält Claudia Bauer bis Ende Juli 265 Euro. Allein die Miete ihrer Wohnung kostet sie 300 Euro. Das Sozialgericht werde ihr Recht geben, sagt sie. Doch bis zu diesem Sieg, von dem sie „felsenfest überzeugt“ ist, muss sie schauen, wie sie ihren Lebensunterhalt finanziert.

Zu einer Klage vor dem Sozialgericht hätte es laut ihres Rechtsanwalts nicht kommen müssen, wenn das Jobcenter Haßberge bereit gewesen wäre, Claudia Bauer eine Grundsicherung unter Vorbehalt zu zahlen, von der sie auch leben kann. Dies sei prinzipiell möglich, sagt Mahr, doch nicht bei „erheblichen Zweifeln“ an der Hilfsbedürftigkeit eines Antragstellers. Zudem gestalte es sich immer schwierig, von Hilfeempfängern Geld zurückzuholen, wenn sich später herausstellt, dass zu viel ausbezahlt worden ist. Auch für den Hilfeempfänger sei dies belastend. Denn die Rückzahlung würde dann von dessen ohnehin knapp bemessenen laufenden Bezügen abgezogen.

 
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  • wandelhandel
    Wie man das halt so kennt: die eine Hand weiß nicht, was die andere tut. Leistungsbescheide von Arbeitsagentur und JobCenter sollten eigentlich gegenseitig online für die Sachbearbeitung einsehbar sein. Das war doch auch ein Ziel der Hartz-Reformen. Ins Konto kann das JobCenter ja auch rein glotzen.

    Schade, dass die Medien im Vorfeld nicht plakativer für Frau Hannemanns Petition gegen Hartz-IV-Sanktionen geworben haben. So sind nur 90.000 Unterschriften zusammengekommen. Zu wenig, um im Bundestag ernst genommen zu werden.

    Das Bundesverfassungsgericht hat einen verfassungsunmittelbaren Leistungsanspruch auf ein Existenzminimum formuliert. Bearbeitungszeit und Nachweis hin oder her, in der Not muss ausbezahlt werden, notfalls eben als Vorschuss oder Darlehen.

    http://altonabloggt.wordpress.com/
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