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HAßBERGKREIS
Zeils „gute Stube“ erlebte Zeiten mit Licht und Schatten
Zur Stadt Zeil am Main gehört das historische Marktplatzensemble als Aushängeschild eines lebendigen Denkmals. Bei zwei Altstadtführungen gaben Stadtführerin Beate Reinhardt und Bürgermeister Thomas Stadelmann Erläuterungen zu ausgewählten öffentlichen Denkmalen sowie zu Privatgebäuden.
Foto: Sabine Meißner | Zur Stadt Zeil am Main gehört das historische Marktplatzensemble als Aushängeschild eines lebendigen Denkmals. Bei zwei Altstadtführungen gaben Stadtführerin Beate Reinhardt und Bürgermeister Thomas Stadelmann ...
Von unserer Mitarbeiterin Sabine Meißner
 |  aktualisiert: 15.12.2020 15:14 Uhr

Jedes Jahr im September hat die Öffentlichkeit Zutritt zu historischen Bauten und Stätten, die sonst nur teilweise gar nicht zugänglich sind. Der „Tag des offenen Denkmals“, der deutsche Beitrag zu den „European Heritage Days“, fiel dieses Jahr auf Sonntag, 11. September. Das Motto lautete deutschlandweit: „Gemeinsam Denkmale erhalten.“ Mit sieben Programmpunkten beteiligte sich der Heimatkreis und machte deutlich, dass Denkmalpflege ein gemeinschaftliches Anliegen und eine Aufgabe ist, die eine Zusammenarbeit vieler Beteiligter voraussetzt.

Die Stadt Zeil ist mit ihrem historischen Marktplatzensemble, der Stadtmauer und den prächtigen Fachwerk- und Bürgerhäusern ein lebendiges Denkmal. Bei zwei Altstadtführungen gaben Stadtführerin Beate Reinhardt und Bürgermeister Thomas Stadelmann Erläuterungen zu ausgewählten öffentlichen Denkmalen sowie zu Privatgebäuden. Er beleuchtete sie in ihrem Wandel von Zeit und Architektur anhand einer von Stadtarchivar Ludwig Leisentritt vorbereiteten Präsentation.

Der Marktplatz gilt als „die gute Stube“ der Stadt. Er ist einer der schönsten fränkischen Kleinstadtmarktplätze und wird dominiert von der Stadtpfarrkirche aus der Zeit des beginnenden 18. Jahrhunderts mit ihrem auffälligen Fünfknopfturm sowie dem schmucken spätgotischen Rathaus mit der Jahreszahl 1540. Hier begrüßten Bürgermeister Stadelmann und Stadtführerin Reinhardt die zahlreich erschienen Rundgänger, luden auf ein erfrischendes Getränk nach innen ein und zeigten eingangs die Licht- und Schattenseiten auf, die eine Stadt mit fast 1000-jähriger Geschichte hat.

„Denkmalschutz, ein spannendes Thema, ist für uns alle wichtig“, stand als Aussage Stadelmanns über den Erläuterungen zu Zeil am Main, der kleinen Stadt mit großer Bedeutung bezüglich der Pflege und Erhaltung historischer Substanz. 120 Objekte sind in der staatlichen Liste der Baudenkmäler für Zeil verzeichnet. Vergleicht man die Zahl mit der an diesem Tag in ganz Bayern öffentlich vorgestellten Denkmale, die mit 900 angegeben wird, so erhält die Zeiler Feststellung besonderes Gewicht.

Stadelmann ging darauf ein, dass viele alte Gebäude nicht mehr vorhanden sind, wie beispielsweise das im 19. Jahrhundert abgebrochene Untere Tor, das Pendant zum oberen Stadtturm, dem heutigen Dokumentationszentrum Hexenturm. Anlässlich der für 2018 bevorstehenden 1000-Jahr-Feier überlege man, das Untere Tor als Attrappe, etwa aus Holz, wieder auferstehen zu lassen. Zahlreiche andere Gebäude sind alles andere als Blendwerk, sie sind in mehr oder weniger guter Verfassung existent, erfreuen oder belasten die Bürger von Zeil ebenso wie die Stadthäupter. Stadelmann machte auf Leerstandsgebäude aufmerksam, wohl wissend, dass die „Schandflecken“ den Unmut von Einwohnern und Touristen erregen. Er zeigte an Beispielen auf, wie mit diesen Objekten umgegangen wird, wie über Verkauf, Restaurierung, Abriss und weitere Varianten die betreffenden Grundstücke wieder zur Schönheit des Altstadtensembles beitragen können. „Schwierig ist es“, betonte Stadelmann, „wenn ein Objekt in Privatbesitz ist“. Die Stadt habe dann rechtlich keine Handhabe. Deshalb seien einige Schandflecken noch vorhanden. „Denkmale erhalten, ja“, betonte das Stadtoberhaupt, „aber nicht um jeden Preis“. Es müsse eine Win-Win-Situation dabei entstehen, mit der die Beteiligten beider Seiten leben können. Denkmalschutz biete Chancen und Risiken, zwischen denen sei abzuwägen. Erschwerend käme bei einigen die winzige Grundstücksfläche hinzu, die bei Abriss eine etwaige Nutzung als Garten oder Parkplatz unmöglich mache. Stadelmann verwies auf die Altstadtsatzung, die regelt, was verändert werden darf. „Oft ist es ein Spagat, die beste Lösung zu finden“, sagte der Bürgermeister beim Gang über den Marktplatz. Ob zwei Eisdielen aus Sicht der Denkmalpflege die optimale Lösung seien, darüber gehen wohl die Meinungen auseinander. „Aber heute ist der Platz an vielen Tagen belebt, Menschen kommen her, treffen aufeinander und atmen das Flair von Zeil“, äußerte er sich. Früher hingegen sei hier „oft tote Hose“ gewesen.

Als Beispiel gelungener Vorgehensweise stellte Simone Röth das nach Vorgaben des Denkmalamtes neu aufgebaute Anwesen ihrer Familie vor. Das Haus in der Entenweidgasse 12, direkt neben der alten Stadtmauer, gehörte seit Generationen ihren Vorfahren. Ihr Urgroßvater habe es im 19. Jahrhundert gebaut. Zwischenzeitlich war es teilweise vermietet oder stand leer und befand sich Ende der 1990er Jahre in schlechtem Zustand. 1999 hat das Ehepaar Röth nach einem genehmigten Plan das alte Gebäude abgerissen und einen Neubau errichtet. Darin wohnt das Paar mit den Kindern Johanna und Kilian und erntet Bewunderung. „Das Haus ist ja süß“, höre Beate Reinhardt manchmal bei ihren Führungen, wenn sie vor dem Eigenheim Röths den Touristen Geschichtliches über Zeil erzählt.

Die Frage, wohin mit den Autos, ist ebenfalls eine oft gestellte. Sie vom Markt zu verbannen würde wohl bedeuten, dass weniger Menschen kämen. Was das bedeuten könnte, ist an sogenannten „ausgestorbenen Orten“ zu erkennen. So wurden die Licht- und Schattenseiten der Stadt mit ihren vielen Denkmalen an mehreren Stellen deutlich. Dennoch überwogen an diesem Sonntag eindeutig die Sonnenseiten. Christa Ullmann, eine Besucherin aus München, die sich nach eigener Aussage gern in Zeil aufhält, sagte: „Diese Stadt hat Charakter, und bei dieser Sonne leuchtet sie besonders schön.“

Die Wallfahrtskirche „Maria vom Sieg“ in Greßhausen steht auf der Liste der Baudenkmäler im Heimatkreis. Eine über Jahrhunderte währende Tradition der Wallfahrten machte den kleinen Ort Greßhausen über seine Grenzen bekannt. Sie ist ein Gemeinschaftswerk, denn als das Gotteshaus im Jahr 1823 in seiner heutigen Form an der Stelle einer Vorgängerkirche errichtet wurde, halfen rund 30 Nachbarortschaften mit Geld- und Sachmitteln. An diesem Sonntag hatte sich die Dorfgemeinschaft vor der Kirche zur eigenen Besinnung und Bewirtung der Gäste mit Getränken und Imbiss eingefunden. Bei zwei Führungen mit Dr. Konrad Albert bewunderten Besucher das Innere der Kirche, in der die neuromanische Ausstattung aus der Zeit um 1900 bis heute erhalten geblieben ist. Albert wies auf opulente Bemalungen sowie drei neuromanische Altäre und auf das Gnadenbild im linken Seitenaltar hin, das aus der Zeit um 1500 stammt und die Kirche berühmt gemacht hat. Der Kirchturm mit einem „Julius-Echter-Helm“ stammt aus dem Jahr 1599.

Um die Entstehung der Kirche ranken sich Legenden. Es heißt, an dieser Stelle habe einst eine mächtige Linde gestanden, unter deren Blätterdach sich die Einwohner zu gemeinsamen Andachten versammelten. Eines Tages hörten die Andächtigen einen himmlischen Gesang, der aus der Linde drang. Als sich dieses Wunder wiederholte, forschte man nach und entdeckte ein Muttergottesbild im Baum. Diese wundersame Begebenheit habe die Einwohner zur Errichtung dieser Kirche veranlasst. Eine andere Quelle berichtet, dass im 17. Jahrhundert die Schweden das Bild des Öfteren in die im unteren Dorf befindliche Weet, den damaligen Dorfteich, geworfen hätten. Am anderen Morgen habe es sich aber stets wieder an seinem alten Platz in der Kirche befunden.

In Oberschwappach war das Schloss geöffnet, ein Denkmal aus den 1730er Jahren. Die Dreiflügelanlage diente einst den Äbten des Zisterzienserklosters Ebrach als Sommerresidenz. Dafür wurden die Repräsentationsräume für den Sommeraufenthalt der Äbte ausgestaltet. Das Hauptgebäude mit den beiden Eckflügeln diente der Amtsverwaltung. Den Wirtschaftstrakt mit einem zentralen Ökonomiehof und halbbogig angeordneten Stallungen samt Remise erreichte man über einen rückwärts abgegrenzten Schlosshof. Noch zu erkennen sind die kaskadenförmig zum Dorf hin abfallenden Terrassengärten. Im Westen war ein typischer Barockgarten angelegt, der heute als Park zu Spaziergängen einlädt. Der letzte Abt des Klosters Ebrach wurde 1803 ins Exil nach Oberschwappach beordert. 1811 starb er hier im Schloss. Danach hatte das Schloss wechselnde Besitzer. Seit 1985 ist es Eigentum der Gemeinde Knetzgau, die es der Allgemeinheit zur Verfügung stellt. Sie nutzt den Ostflügel des Haupttraktes als Museum mit Ausstellungsräumen, das ehemalige Verwaltungsgebäude als Kindergarten und den Spiegelsaal für Konzerte und andere Veranstaltungen. Die Erdgeschossräume im Westteil und die einstige Remise beherbergen ein Restaurant. Den Schlosshof nutzen örtliche Vereine, das ehemalige Pförtnerhäuschen ist eine „Kräuterstube“. Im Schlosspark beeindruckt ein alter Baumbestand, der durch einen Skulpturengarten mit Barfußweg in Szene gesetzt wird. Im oberen Teil der Terrassengärten vor dem Schloss ist ein Kräutergarten angelegt worden. Mitglieder des Kulturvereins Schloss Oberschwappach engagieren sich laufend für die Erhaltung der denkmalgeschützten Anlage und führten die Besucher am Sonntag durch das Schloss.

Die Außenanlagen und Wirtschaftsgebäude vom Schloss Friesenhausen standen ebenfalls zur Besichtigung für die Öffentlichkeit bereit. Der von einem weitläufigen Park umgebene zweiflügelige Sandsteinbau wurde von 1593 bis 1701 auf den Grundmauern einer mittelalterlichen Wasserburg errichtet. Die Freiherren Ferdinand und Moritz Truchseß führten durch die privaten Innenräume. Dabei erregten sehenswerte Details, der Schlosshof mit einer großen Toranlage und Reiterfiguren aus Sandstein, die drei Obergeschosse, Stuckdecken und eine teilweise erhaltene Originalausstattung aus der Zeit um 1700 das besondere Interesse der Besucher.

Auf einem Bergsporn über dem Main erhebt sich der Bergfried der Wallburg oberhalb von Eltmann. Der Turm wurde im 12. Jahrhundert aus heimischem Sandstein gebaut und ist als Rest einer ehemaligen Ministerialienburg der Würzburger Fürstbischöfe erhalten geblieben. Der Verein für Heimatgeschichte Eltmann setzt sich für die Pflege des Denkmals und die weitere Erforschung seiner Geschichte ein.

Die Synagoge Memmelsdorf ist ein Sandsteinbau mit quadratischer Grundfläche, die 1728/29 errichtet wurde. Sie war am Sonntag ebenfalls für die Bevölkerung geöffnet, die sich davon überzeugen konnte, dass die Instandsetzung abgeschlossen ist. Die Synagoge verfügt über einen gut erhaltenen Thoraschrein und eine expressionistische Wandgestaltung aus den 1920er Jahren. Heute ist sie als Entdeckungsraum und Lernort konzipiert. Neben zwei Führungen fand hier am Sonntag ein Kammerkonzert statt.

Der Jüdische Friedhof Kleinsteinach kann auf eine Historie verweisen, die bis in das Jahr 1453 zurück reicht. Mehr als 1000 Grabsteine sind noch vorhanden, von denen der letzte im Jahr 1942 gesetzt wurde. Der älteste erkennbare Grabstein stammt aus dem Jahr 1596. Der Friedhof westlich des Ortes Kleinsteinach war einst für den Haßfurter Bezirk angelegt worden. Ab 1988 haben Schüler der Hauptschule Hofheim unter Anleitung von Lehrkräften eine Fotodokumentation der Gräber auf dem neuen Teil des jüdischen Friedhofs Kleinsteinach erstellt.

Am Sonntag hatten Besucher freien Eintritt zur Burgruine Altenstein. Als Zentrum des deutschen Burgenwinkels entführte sie als eine der schönsten Burgruinen Europas die Besucher auch am Tag des offenen Denkmals in die versunkene mittelalterliche Welt der Haßberge.

Tag des offenen Denkmals

Seit 1985 richtet die Deutsche Stiftung Denkmalschutz im September den Tag des offenen Denkmals aus. Die Stiftung ist die größte Bürgerinitiative für Denkmalschutz und Denkmalpflege in Deutschland. Das formulierte Ziel ist, die Öffentlichkeit für die Bedeutung des kulturellen Erbes zu sensibilisieren und Interesse für die Belange der Denkmalpflege zu wecken.

Der Tag des offenen Denkmals kommt dank der Initiative vieler Institutionen, Kreise, Städte, Gemeinden, Verbände, Vereine, privater Denkmaleigentümer und Bürgerinitiativen zustande.

Vorrangig geht es darum, bedrohte Kulturdenkmale zu bewahren und öffentlich für den Gedanken des Denkmalschutzes zu werben. Die Arbeit der Deutschen Stiftung Denkmalschutz unterstützen deutschlandweit viele ehrenamtliche Mitarbeiter.

Jedes Jahr wird der bundesweite Tag des offenen Denkmals in einer anderen Stadt eröffnet. Für 2016 war Augsburg ausgewählt worden. Bei der Eröffnungsveranstaltung traten unter anderem Bundesumweltministerin Dr. Barbara Hendricks und der Bayerische Staatsminister Joachim Herrmann auf.

Als gelungenes Beispiel stellte Simone Röth das nach Vorgaben des Denkmalamtes neu aufgebaute Anwesen ihrer Familie vor, das Haus in der Entenweidgasse 12.
Foto: Sabine Meißner | Als gelungenes Beispiel stellte Simone Röth das nach Vorgaben des Denkmalamtes neu aufgebaute Anwesen ihrer Familie vor, das Haus in der Entenweidgasse 12.
Auf einer Anhöhe fernab der großen Straßen steht im Dorf Greßhausen die Wallfahrtskirche „Maria vom Sieg“.
Foto: Sabine MEißner | Auf einer Anhöhe fernab der großen Straßen steht im Dorf Greßhausen die Wallfahrtskirche „Maria vom Sieg“.
 
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