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Zeil am Main: Findet Bruno Schneyer einen Nachfolger für sein Lebenswerk – das Capitol Kino?
40 Jahre lang hat er das Capitol geprägt und zu einer Kulturerinrichtung mit Kultstatus gemacht. Bald wird Schneyer 64 und möchte dann aufhören.
Zeil am Main: Findet Bruno Schneyer einen Nachfolger für sein Lebenswerk – das Capitol Kino?
Foto: Pia Bayer
Pia Bayer
 |  aktualisiert: 20.04.2024 02:40 Uhr

Bruno Schneyer blickt zurück. Durch ein kleines Fenster im Vorführraum lugt er in den Kinosaal mit 103 Plätzen und dem rot erleuchteten Vorhang. „Genau hier hab ich damals als Junge gestanden“, sagt er, dreht sich um und lacht schelmisch. „Auf einem Gurkeneimer aus Blech.“ Auf ihm balancierte er, um wenigstens ein paar Minuten des neuen James Bond-Streifens sehen zu können, der doch erst ab 16 Jahren erlaubt und damit für ihn verboten war.

Am Ende wird er von seinem Vater ertappt. Und zerreißt beim Fallen von der Blechkiste auch noch die 600 Meter lange Filmrolle, kurz bevor sie damals noch alle 20 Minuten während der Kinovorstellung gewechselt werden musste. Etliche Jahre später wird Schneyer mit dem plötzlichen Tod seines Vaters selbst Fotostudio- und Kinobesitzer. Und formt das Capitol-Theater in Zeil anschließend 40 Jahre lang zu dem, was es heute ist: ein Provinzkino, das in der Region Kultstatus genießt. Nun allerdings wird es Zeit, wieder eine neue Filmrolle einzulegen. Denn Bruno Schneyer will aufhören.

„Capitol Kino Zeil sucht Nachfolger! Kino & Eventmanagement-Interessierte bitte gerne melden unter 09524-1601“, heißt es so in zwei Zeilen weißer Schrift auf rotem Grund schlicht auf der Homepage des kleinen Kinos. Versteckt zwischen allerlei Ankündigungen zu zahlreichen anstehenden Kinovorstellungen. Auch beim Hauptverband deutscher Filmtheater habe er schon auf seine Nachfolger-Suche aufmerksam gemacht, erklärt Bruno Schneyer auf Nachfrage.

Zeil am Main: Findet Bruno Schneyer einen Nachfolger für sein Lebenswerk – das Capitol Kino?
Foto: Pia Bayer

Drei Interessenten seien zudem bereits vor Ort gewesen, einem weiteren Pärchen habe er die Option persönlich angeboten. Etwas Spruchreifes aber gibt es bisher noch nicht. Doch die Zeit drängt: Denn Bruno Schneyer wird am 18. April 64 Jahre alt. Auch sein langjähriger Mitarbeiter im Fotostudio, das ebenfalls zum Betrieb gehört, geht aus gesundheitlichen Gründen demnächst in den Ruhestand. Dann will Schneyer den Betrieb übergeben.

Sein Steuerberater stellt deshalb gerade allerlei Zahlen zusammen, damit potenzielle Interessenten eine belastbare Grundlage für ihre Entscheidung haben: Wie viel bringt der Kinobetrieb ein? Welchen Anteil macht das Fotostudio aus, das parallel zu den Filmvorführungen ebenfalls betrieben wird? Und wie viel ist die Immobilie inklusive eigenem Blockheizkraftwerk und Photovoltaik-Anlage mit 39 Modulen wert? Außerdem: Was wäre individuell die beste Option und umsetzbar – eine Pacht, ein Kauf oder auch ein Mietkauf? Alles sei möglich, erklärt Schneyer.

Klar ist dabei in jedem Fall schon jetzt: „Es ist Frequenz da.“ Zwischen 15 000 und 30 000 Besucher pro Jahr kämen ins kleine Kino, führt der gelernte Fotograf weiter aus. Dann fügt er an: „Wenn ich dann zu Kinokollegen sage, ich komme aus einem 5500 Seelen-Dorf, dann sagen die: wow.“ 90 Prozent machen dabei Kinovorstellungen aus, die restlichen zehn Prozent diverse Kulturveranstaltungen. Gerade auf sie ist Bruno Schneyer besonders stolz, gerade wegen ihnen würde es ihm besonders zusetzen, wenn das Capitol Theater schließen müsste. „Ich will halt den Platz erhalten“, sagt er dazu. Dann setzt er nach: „Durch Veranstaltungen Kultur reflektieren, Bewegung bringen, wofür’s einfach niemand anderes gibt. Was ist nicht alles schon den Bach runter gegangen?“

Bruno Schneyer an einem alten Sortier-Regal für Filmrollen: Hier lagern etliche Stücke Kinogeschichte.
Foto: Pia Bayer | Bruno Schneyer an einem alten Sortier-Regal für Filmrollen: Hier lagern etliche Stücke Kinogeschichte.

Gerade für sein besonderes Programm wurde das Capitol-Theater bereits 16 Mal ohne Unterbrechung seit 2008 mit der Programmprämie des Film- und Fernsehfonds Bayern ausgezeichnet. Ebenfalls neben dem Eingang zum Kinosaal kleben die Plaketten von Auszeichnungen auf Bundesebene, die das Capitol-Theater seit 2010 ebenfalls durchgängig erhalten hat. Heute nimmt es eine Monopolstellung zwischen Bamberg und Schweinfurt und zwischen Coburg und Kitzingen ein. „Hier ist viel Kino-Luft“, sagt Bruno Schneyer dazu schlicht. Und: „Wenn 17.000 Leute im Jahr gerne kommen, dann kann’s doch nicht so schlecht sein.“

Angefangen hat es dabei für ihn gar nicht so erfolgreich. Als der Vater plötzlich verstirbt, steht Schneyer als 24-Jähriger unerwartet vor der Entscheidung: das im Familienbetrieb geführte Kino weiterbetreiben oder nicht? Vier Wochen hat er Zeit, um sich zu entscheiden. Die Banken drängen. Der Freigeist hat sich sein Leben anders vorgestellt, am Ende entscheidet er sich dennoch für den Weiterbetrieb des Kinos mit angegliedertem Fotolabor und damals noch 20 Angestellten.

Im ersten Jahr fährt er direkt einen Umsatzrückgang von 50 Prozent im Kinobereich ein. Auch aus dieser Erfahrung heraus ist für ihn immer klar: Die eigenen Kinder sollen das machen, worauf sie Lust haben. Einen Nachfolger für den Kinobetrieb in Zeil sucht Bruno Schneyer deshalb außerhalb des eigenen Familienkreises. Der müsse vor allem „ein Service-Gen haben“, wie der gelernte Fotograf beschreibt. Weiter: „Es braucht Mut, aber auch kalkulierbare Risiken.“ Auch seien Führungsqualitäten gefragt, um das Team aus Mini-Jobbern anzuleiten.

Gerne würde Bruno Schneyer zudem eine Art Verdienst-Sicherheit für den Neueinsteiger unter den Kinobetreibern bieten, damit der sich ausprobieren kann. Kooperationen mit Unternehmen könnte er sich dafür vorstellen, erklärt er. Und hat das auch schon beim Hauptverband deutscher Filmtheater angeregt. Denn das Nachfolger-Problem für kleine Kinos ist keinesfalls nur eines in Zeil.

 
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