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Bamberg
Holocaust-Gedenktag: Zeichen radikaler Hoffnung
Dr. Antje Yael Deusel ist Rabbinerin für die Liberale Jüdische Gemeinde Mischkan ha-Tfila Bamberg und als Urologin in einer Praxis tätig.
Foto: Marion Krüger-Hundrup | Dr. Antje Yael Deusel ist Rabbinerin für die Liberale Jüdische Gemeinde Mischkan ha-Tfila Bamberg und als Urologin in einer Praxis tätig.
Marion Krüger-Hundrup
 |  aktualisiert: 29.03.2021 10:28 Uhr

Jüdisches Leben in Deutschland geschieht im Schatten totaler Zerstörung. Das kann nicht „wiedergutgemacht“, nicht versöhnt oder geheilt werden. Die Mahnung „Nie wieder!“ darf aber nicht verstummen. Nicht nur auf einen Tag im Jahr reduziert werden, so wichtig und wertvoll dieser auch ist: Weltweit gedenken die Menschen am 27. Januar der Opfer des Holocaust – in Deutschland seit 1996. Der Tag erinnert an die Befreiung der überlebenden Opfer des Konzentrationslagers Auschwitz durch sowjetische Truppen am 27. Januar 1945.

Die Berlinerin Regina Jonas hat die Befreiung nicht mehr erlebt: Die weltweit erste Rabbinerin wurde am 12. Oktober 1944 in Auschwitz ermordet. Als biografische Persönlichkeit ist die am 27. Dezember 1935 ordinierte Frau kaum mehr fassbar, zumal ihr Nachlass äußerst bescheiden ist. Doch die heutigen Rabbinerinnen gerade in Deutschland stehen in ihrer Tradition. Sehen jüdischen Glauben als Verpflichtung und Aufgabe, ein Zeichen radikaler Hoffnung zu setzen. Ein Zeichen post-apokalyptischer Hoffnung auf einen Dialog, der bestehende Vorurteile abbauen will.

Gelehrte, hochqualifizierte Frauen in einer Männerwelt

Diesem Anliegen hat sich besonders die Bamberger Rabbinerin Dr. Antje Yael Deusel verschrieben, die unter dem Titel „Reginas Erbinnen“ gemeinsam mit dem Publizisten Rocco Thiede ein äußerst bemerkenswertes Buch herausgegeben hat. Indem die in Deutschland jetzt tätigen Rabbinerinnen zu Wort kommen, wirft es ein Schlaglicht auf gelehrte, hochqualifizierte Frauen in einer Männerwelt, die ihre Leistungen und Erfahrungen generell eher ignoriert und oft komplett vergisst. „Frauengeschichte ist Widerstand“ heißt es in dem Nachwort der evangelischen Theologin Katharina von Kellenbach zu dieser Publikation.

Allein schon die „Frauengeschichte“ der 1960 in Nürnberg geborenen Antje Yael Deusel zeugt von Widerständen. „Mein Weg ins Rabbinat war lang“ steht treffend als Zitat über dem Kapitel, das ihr gewidmet ist. Was sie mit ihrer Vorgängerin Regina Jonas verbindet, sei die Überzeugung, dass Gott „Fähigkeiten und Berufungen in unsere Brust gesenkt und nicht nach dem Geschlecht gefragt hat“, heißt es darin.

Beitrag zur Gleichberechtigung der Frau

Antje Yael Deusel personifiziert diese Aussage gleich in doppelter Hinsicht. Denn nicht nur als 2011 in Bamberg ordinierte Rabbinerin, sondern auch als promovierte Fachärztin für Urologie ist sie in Männerdomänen eingebrochen. Sie ist Gemeinderabbinerin für die Liberale Jüdische Gemeinde Mischkan ha-Tfila Bamberg, als Seelsorgerin Mitglied im klinischen Ethikkomitee der Sozialstiftung Bamberg sowie Lehrbeauftragte im Fach Judaistik an den Universitäten Bamberg und Augsburg und an der Evangelischen Hochschule Nürnberg. Seit 2012 ist Deusel Vorstandsmitglied der Allgemeinen Rabbinerkonferenz Deutschland.

Das Buch „Reginas Erbinnen“ weckt Interesse an zentralen Fragen zur Verortung heutigen jüdischen Lebens und seiner Gestaltung. Es leistet einen Beitrag zu der Frage, wie die Gleichberechtigung der Frau gelingen kann und muss – und zwar auch in der nichtjüdischen Gesellschaft. Dabei geht es nicht um militanten Feminismus, sondern schlichtweg um die Schlussfolgerung, dass außer Vorurteil und Ungewohntsein nichts gegen Frauen in Ämtern spricht.

Dazu noch ein von Regina Jonas überliefertes Wort: „Ich kam zu meinem Beruf aus dem religiösen Gefühl, dass Gott keinen Menschen unterdrückt, dass also der Mann nicht die Frau beherrscht, vom Gedanken der letzten und restlosen geistigen, seelischen, sittlichen Gleichberechtigung beider Geschlechter“.

Das Buch

„Reginas Erbinnen – Rabbinerinnen in Deutschland“, herausgegeben von Rabbinerin Antje Yael Deusel und Rocco Thiede. Hentrich & Hentrich Verlag Berlin Leipzig (www.hentrichhentrich.de). ISBN 978-3-95565-427-6. Das bebilderte 210-Seiten- Buch ist im Verlag und im Buchhandel erhältlich und kostet 19,90 Euro.
Quelle: mkh
 
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