
Oberstudienrat Daniel Heß und Marie Ratzke, eine ehemalige Schülerin des Friedrich-Rückert-Gymnasiums (FRG) Ebern, bereisten vom 11. bis zum 18. April auf Einladung der Hanns-Seidel-Stiftung die amerikanischen Bundesstaaten North- und South Carolina. Im Gepäck hatten sie Teile der Ausstellung „Vergissmeinnicht“, die über das Schicksal von jüdischen Kindern aus den ehemaligen Kreisen Haßfurt, Hofheim und Ebern in der Zeit des Nationalsozialismus berichtet.
Der Bekanntheitsgrad wächst
Seit der offiziellen Eröffnung der Ausstellung am 13. Januar 2017 am FRG Ebern sind viele Puzzlestücke zusammengekommen. Das Material tourt quasi ununterbrochen durch Schulen, Museen, Archive und andere öffentliche Einrichtungen in ganz Bayern, es gibt eine portugiesische, eine englische Version und eine hebräische, verschiedene Auszeichnungen wurden dem Projekt verliehen, der Bekanntheitsgrad wuchs und wächst ununterbrochen.
Im Dezember 2018 wurden Daniel Heß und Alina Beierlieb aus dem Seminar nach München zu einer Podiumsdiskussion der Hanns-Seidel-Stiftung zum Thema „Erinnerung lebendig halten – Demokratie stärken“ eingeladen, woraus sich wiederum die Erkenntnis ergab, dass das Thema Holocaust in der Umsetzung des Eberner P-Seminars auch Teil einer Projektwoche in Amerika sein könnte.
Tausend Veranstaltungen
Seit dem Tag der Deutschen Einheit 2018 bis zum 30. Jahrestag des Mauerfalls im November 2019 gibt es ein Deutschlandjahr in den USA mit dem sinnigen Titel „Wunderbar together“. Dieses Gemeinschaftsprojekt der deutschen Politik und Wirtschaft möchte dazu beitragen, dass die Risse in den deutsch-amerikanischen Beziehungen, die zweifellos auf höchster Ebene bestehen, nicht vergessen machen, wie eng die beiden Staaten schon lange freundschaftlich verbunden sind. Dazu finden in allen Bundesstaaten der USA über 1000 Veranstaltungen statt, die von den verschiedensten Organisationen durchgeführt und aus Sondermitteln des Auswärtigen Amtes gefördert werden (siehe dazu www.wunderbartogether.org).
Geschichte vermitteln
Die Hanns-Seidel-Stiftung hatte sich erfolgreich mit dem Projekt „Vergangenheit in der Zukunft lehren / Teaching the Past in the Future: Holocaust Education and the Civil Rights Era in the Age of Social Media and New Technologies“ beworben und Daniel Heß und Marie Ratzke in die Delegation eingereiht, die „der jungen Generation Geschichte vermitteln, die Holocaust-Erinnerung wachhalten, Antisemitismus und Rassismus bekämpfen, dazu Job-Perspektiven und Business-Skills vermitteln“ sollte.
Neben dem Leiter des im Aufbau befindlichen jüdischen Gymnasiums in München, einem Professor für moderne und zeitgenössische Geschichte, dem Vertreter des Beauftragten für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, für Erinnerungsarbeit und geschichtliches Erbe der Bayerischen Staatsregierung, einer Vertreterin des Kultusministeriums und anderen, befand sich auch Ashley Todd-Diaz im Team, die die amerikanische Version der Ausstellung „Vergissmeinnicht“ betreut und Unterrichtsmaterial dazu verfasst hat.
Eine Woche lang ging es dann Mitte April von Podiumsdiskussion zu Vortrag, von Gottesdienstbesuch zu Rundem Tisch, von einer Eliteuniversität zum Siemens-Werk in Charlotte. Bei fast allen diesen Veranstaltungen wurden auch „Vergissmeinnicht“ vorgestellt und viele Gespräche geführt. Heß und Ratzke, die zusammen mit der Delegation in Minibussen von einem Auftritt zum nächsten gebracht wurden, verloren angesichts der vielen verschiedenen Menschen und Örtlichkeiten manchmal schier die Übersicht darüber, wo sie sich gerade befanden, mit wem sie es gerade zu tun hatten.
Man kam mit Professoren und Schülern in Kontakt, traf Auschwitzüberlebende, begegnete bei einem mitreißenden Gottesdienstbesuch in der Baptistenkirche in Columbia Beto O?Rourke, der sich für die Präsidentschaftwahl 2020 als Kandidat bewirbt. Beeindruckend auch die Besichtung des Central Piedmont Community College, einer riesigen Berufsbildungseinrichtung in Charlotte, oder der privaten Hochschule in Davidson, North Carolina, deren Besuch weit über 60 000 Dollar im Jahr kostet.
Wie ein roter Faden
Wie ein roter Faden zog sich der Umgang mit Geschichte durch die ganze Woche. In den USA gibt es insgesamt nur noch zwei Museen, die sich mit der Geschichte der Sklaverei beschäftigen. Es ist in einigen Bundesstaaten durchaus möglich, während der gesamten Schullaufbahn nicht ein einziges Mal mit dem Thema Holocaust in Berührung zu kommen – dem soll abgeholfen werden.
Die Lehrpläne in North Carolina werden gerade entsprechend abgeändert. Pädagogisch als besonders wichtig wird erachtet, dass man Geschichte anschaulich und begreifbar macht. „Finding the me in the story“ war zentraler Gesichtspunkt der Delegation: Anhand von konkreten, nachvollziehbaren Beispielen, die persönliche Betroffenheit auslösen, sollen abstrakte Zahlen verständlich werden. Nicht die Aussage, dass zwei Millionen Kinder im Holocaust ihr Leben verloren löst nachhaltig Betroffenheit und Erinnern aus, sondern die Lebensgeschichte eines Kindes, das aus dem gleichen Dorf stammt, wie man selbst. Genau das ist auch das Konzept von „Vergissmeinnicht“. Verständlich, dass die drei Botschafter des Projektes offene Ohren fanden und eine Unzahl von Fragen beantworten mussten.
Vorurteile abgebaut
Daniel Heß und Marie Ratzke haben in dieser Woche voller Eindrücke und Herausforderungen viel gelernt, sie haben einige Vorurteile abgebaut und andere bestätigt. Für die Zukunft wünschen sie sich, dass die enge transatlantische Bindung bestehen bleibt, dass die Ausstellung auch weiter ihren Weg macht und noch viele andere amerikanische Bundesstaaten erreicht. Und dieser Weg ist garantiert noch nicht zu Ende…








