Wir als moderne Menschen sind inzwischen in der Lage, unseres Glückes Schmied zu sein; selbst zu entscheiden, wer, was und wo wir sind. Ganz frei dürfen und können wir entscheiden. Das ist ein wunderbares und großartiges Ergebnis einer Entwicklung, die spätestens in der Aufklärung beginnt.
Leider scheint sich in den letzten Jahren auch eine Kehrseite dieser Entwicklung zu zeigen. Immer wieder hört und liest man von der wachsenden Spaltung der Gesellschaft. Wir Menschen wollen uns radikal selbst entfalten und nehmen dabei immer weniger Rücksicht auf Natur, Umwelt und inzwischen eben auch auf unsere Mitmenschen.
Die jüdisch-christliche Religion legt dagegen einen großen Wert auf Gemeinschaft und gegenseitige Rücksichtnahme. So heißt es im Buch Prediger im 4. Kapitel: "So ist's ja besser zu zweien als allein; denn sie haben guten Lohn für ihre Mühe. Fällt einer von ihnen, so hilft ihm sein Gesell auf. Weh dem, der allein ist, wenn er fällt! Dann ist kein anderer da, der ihm aufhilft. Auch, wenn zwei beieinanderliegen, wärmen sie sich; wie kann ein Einzelner warm werden? Einer mag überwältigt werden, aber zwei können widerstehen, und eine dreifache Schnur reißt nicht leicht entzwei."
So ist's ja besser zu zweien als allein. – so sagt es der Prediger. So ist's ja besser zu zweien als allein. Wir entfalten uns in unseren Leben. Sind frei zu tun und zu lassen, was wir wollen. Können selbst und für uns ganz persönlich frei entscheiden, wer, was und wo wir sind. Aber wenn wir das zu radikal tun, uns selbst immer ganz oben anstellen, nicht zurückstecken – auf Kosten einer Gemeinschaft – dann stehen wir am Ende allein da. Und wenn wir mal fallen, ist wahrscheinlich keiner da, der uns aufhilft.
Wenn wir jedoch ein wenig zurückstecken, uns nicht auf Kosten der anderen Menschen, sondern mit ihnen gemeinsam entfalten, dann haben wir Hilfe und Unterstützung. Dann ist ein Sturz nicht schlimm, weil es Menschen an unserer Seite gibt, die uns wieder aufhelfen. Dann müssen wir weniger frieren, weil wir uns gegenseitig wärmen können. Dann können wir Dinge als Gemeinschaft, als Gesellschaft erreichen, die für Einzelne nicht zu schaffen sind. Wenn wir uns frei nach unseren Vorstellungen, Wünschen, Möglichkeiten für die Gesellschaft und für unsere Mitmenschen entfalten und schauen, wie wir so für andere da sein können, besonders dann haben wir Gott auf unserer Seite und die dreifache Schnur reißt nicht leicht entzwei.
Der Autor: Jan Lungfiel ist Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinden Ermershausen und Birkenfeld.