
Vor kurzem habe ich mal wieder - ganz Old School - mein CD-Regal durchgestöbert. Denn so praktisch Playlists sind, so besonders ist es dann, zur Abwechslung eine CD in die Hand zu nehmen, sich das Cover, ja vielleicht sogar das Begleitheft anzuschauen, die CD einzulegen, einen bestimmten Titel oder das ganze Album anzuhören und bewusst zu genießen. Schon kommen wieder die Erinnerungen an das Jahr, in dem man sich das Album gekauft oder es geschenkt bekommen hat, hoch. Vor dem inneren Auge taucht die ausgelassene Freude der Zeit nach dem frisch bestandenen Abi auf. Erinnerungen an tolle Urlaube, in denen ein bestimmter Titel abends im Restaurant lief oder aus dem Autoradio dudelte, das Herzklopfen, bei dem Lied, das an den ersten Kuss erinnert und und und…
Musik voll und ganz zu genießen berührt mich immer wieder, zumal immer neue "Herzenstitel" dazu kommen können. Sie drücken manchmal so viel mehr als 1000 Worte aus und erzählen in Verbindung zur eigenen Geschichte mitunter noch mehr als der eigentliche Songtext. Musik verbindet, reißt mit, schafft Gemeinschaft, überwindet sogar Sprachbarrieren, kanalisiert Emotionen und bringt gute Laune zurück, wenn sie mal verloren gegangen zu sein scheint.
Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass es sogar Lieder bis in die Bibel geschafft haben. Gemeinschaftsgesänge und auch manche aus der Ich-Perspektive geschriebene Lieder: Die Psalmen. In ihren vielen Gattungen und ihrem Facettenreichtum drücken sie aus, was Menschen vor gut 2000 Jahren gefühlt haben. Übergroße Freude genauso wie Trauer und Ratlosigkeit. Euphorische Dank- und Wallfahrtsgesänge, wie Zeilen voller Angst und Ausweglosigkeit. Gesänge, die Menschen über die Zeiten hinweg nicht nur im Gottesdienst geholfen haben, das, was sie fühlen und denken, in Worte und Melodien zu bringen. Vielleicht auch dann, wenn man es gerade selber nicht kann.
Gut, die Sprache, Metaphern und Probleme von uns Menschen haben sich im Laufe der Zeit gewandelt. Trotzdem bewegt mich an den Psalmen immer wieder genau das, was mich auch bei meinen „Herzenstiteln“ aus Rock, Pop, Klassik und Jazz, Charts etc. bewegt: Die Möglichkeit, Erinnerungen und Emotionen Raum zu geben. Denn oftmals schließen die Psalmen mit einem Dank oder einer positiven Perspektive, greifen Erinnerungen an gute Erlebnisse auf und verbinden sie mit dem Jetzt.
Unabhängig davon, ob das Jetzt angenehm oder problembehaftet ist. Musik geht zu Herzen und verbindet. Auf Festivals und in der Kirche, in der Playlist im Auto oder eben gemütlich auf der Couch sitzend. Mit Menschen im Hier und Jetzt und mit denen, an die mich die Musik erinnert. Ich wünsche Ihnen viel Freude mit Ihrer Lieblingsmusik und auch beim Stöbern nach dem ein oder anderen Titel, der - vielleicht sogar noch auf Kassette oder Schallplatte - schlummert und nur darauf wartet, mal wieder von Ihnen entdeckt zu werden.
Agnes Donhauser