Zwei Männer sitzen im Gefängnis. Im Hochsicherheitstrakt. Fußfesseln und Handschellen scheuern die Gelenke wund. Der Rücken schmerzt von den Peitschenhieben. Ob sie jemals wieder freikommen, ist ungewiss. Sie hätten allen Grund, zu jammern und ihr Schicksal zu beklagen. Doch was machen sie stattdessen? Sie singen! Mitten in der Nacht stimmen sie ein Lied an. Sie singen Psalmen. Die Sänger heißen Paulus und Silas – die als Missionare unterwegs waren. Um ihres Glaubens willen wurden sie eingesperrt.
Am Sonntag hören wir im Gottesdienst ihre Geschichte. „Kantate“ heißt der vierte Sonntag in der Osterzeit: „Singt!“ Was bringt die Gefangenen dazu, Gott ein Loblied zu singen? Es gibt wohl nur einen Grund. Das ist die Hoffnung, die ihnen ins Herz gelegt wurde durch die Botschaft von der Auferstehung Jesu. Diese Hoffnung teilen wir mit den Aposteln. Aber teilen wir auch ihr Gottvertrauen? Wagen wir es, in das Lied der Hoffnung mit einzustimmen, das seit Ostern um die Welt geht? Oder lassen wir uns von den Bildern des Schreckens gefangen nehmen, die wir täglich vor Augen haben? Vertrauen wir oder verzweifeln wir? In unsrer Geschichte haben Paulus und Silas in jener Nacht ein Menschenleben gerettet. Ein Erdbeben hat die Gefängnismauern zum Einsturz gebracht und die Fesseln gesprengt, ohne dass ihnen ein Haar gekrümmt wurde. Die beiden Apostel sind nicht geflohen. Sie sind geblieben. So haben sie verhindert, dass sich der Gefängniswärter das Leben nimmt. Der war für ihre Bewachung verantwortlich. Erdbeben hin oder her, er wäre hart bestraft worden, weil er ihre Flucht nicht verhindern konnte.
Warum sind sie nicht geflohen, die beiden? Wieso sind sie bei ihm geblieben? Der Aufseher ist neugierig geworden. Paulus und Silas erzählen ihm, warum sie auch in den dunklen Stunden noch Loblieder singen. Sie erzählen von Jesus Christus, von seiner Liebe zu den Menschen, vom leeren Grab, von den Begegnungen mit dem Auferstandenen, von seiner Himmelfahrt und von seinem Versprechen, bei ihnen zu sein alle Tage, bis ans Ende der Welt. Das hat dem Gefängniswärter die Augen und das Herz geöffnet. Er hat sich taufen lassen und nicht nur er, seine ganze Familie samt Dienstboten, kurz: sein ganzes Haus. Er hat erkannt: Der Glaube ist keine theoretische Angelegenheit. Der Glaube ist Herzenssache.
Das gilt bis heute. Deshalb überzeugen wohl eher die Lieder, die von Gottes Wundern erzählen, als Argumente, die an die Vernunft appellieren. Vor allem überzeugen uns Menschen, die mutig und vertrauensvoll ihre Lieder des Glaubens singen – besonders in schweren Zeiten. Man kann es nämlich spüren, ob sie glauben, was sie singen. Und man kann sehen, ob sie leben, was sie glauben. Foto: Ortwin Fischer