„Jede Partei zieht einen Haufen Wahnsinniger an“ – davon wollte Klaus Ernst seine Linke gar nicht ausnehmen, freilich aber die 18 Genossinnen und Genossen, die am Donnerstagabend den Weg ins Hotel Kolb in Zeil gefunden hatten. Das Linke Bündnis Haßberge hatte den Schweinfurter Bundestagsabgeordneten und stellvertretenden Vorsitzenden der Fraktion der Linken eingeladen, damit dieser die Parteianhänger der Region angesichts der vier in den kommenden Monaten anstehenden Urnengänge auf den Wahlkampf einstimmt.
Unaufgeregt und zurückhaltend moderierte Joachim Reitz die Veranstaltung im familiären Kreis und ließ zunächst drei Linke-Kandidaten aus dem Wahlkreis zu Wort kommen: Maschinenschlosser Matthias Freund aus Bad Neustadt, der für den Bezirkstag kandidiert, Gotthard Greb aus Niederlauer, der in den Landtag einziehen will, und Stefan Bannert aus Münnerstadt, der für den Bundestag kandidiert.
Gegen Leiharbeit, Niedriglöhne und Werksvertragsarbeit wetterte schließlich Klaus Ernst bei seinem Auftritt rhetorisch beeindruckend. Und zu jedem Punkt, den er ansprach, hatte der in München geborene 59-Jährige mindestens eine Anekdote aus seinem Leben als Gewerkschafter oder Politiker parat. Mit Themen wie der Einführung eines Mindestlohns, einer Mindestrente und einer Reichensteuer stieß der Bundestagsabgeordnete in Zeil auf große Zustimmung bei seinen Zuhörern.
„Seit dem Jahr 2000 ist das Bruttoinlandsprodukt um 14 Prozent gewachsen. Der Kuchen ist also größer geworden, aber die Leute haben immer weniger. Wo ist die Kohle hin?“, fragte Ernst und hatte selbstverständlich auch die Antwort parat. Das Wachstum komme nur dem oberen Prozent der Gesellschaft zugute: den Reichen.
„Die Rentenpolitik der Bundesregierung und von Rot/Grün hilft nur den Arbeitgebern“, polterte Ernst, einst selbst SPD-Mitglied, auch und besonders leidenschaftlich gegen seine Ex-Partei. Als „Heuchler“ bezeichnete der Bundestagsabgeordnete beispielsweise den SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück und SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles. Ihr Fett weg bekamen auch die Altvorderen Franz Müntefering, der einst nach der Wahl nicht mehr daran erinnert werden wollte, was er vorher gesagt hatte, oder Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder, Freund des von ihm selbst als „lupenreiner Demokrat“ bezeichnete Wladimir Putin und jetzt bei einer Gazprom-Tochterfirma im Aufsichtsrat.
Der Mindestlohn sei ein Beispiel dafür, wie die anderen Parteien sich beim Programm der Linken bedienen und es dann so verkaufen, als wären die Ideen auf ihren eigenen Mist gewachsen. „Aber bei wem habt Ihr denn früher in der Schule abgeschrieben? Beim Besseren!“, rief Ernst in die Runde und forderte die Genossen auf, mit diesem Wissen im Hinterkopf selbstbewusst in den Wahlkampf zu gehen.
„Die anderen vier Parteien im Bundestag sind sich alle einig. Grüne und SPD sind unglaubwürdig, weil sie mit zu verantworten haben, was sie jetzt kritisieren“, sprach Ernst unter anderem die Reichensteuer an. „Wir sind die einzige Opposition und eine starke Linke ist Voraussetzung dafür, dass sich in Deutschland etwas ändert.“
Nicht resignieren, sondern die Leute wieder für die Politik zu interessieren, dafür wollte Ernst die Anwesenden begeistern. „Und dass wir an so einem schönen Tag nicht irgendwo im Biergarten sitzen, sondern zu dieser Veranstaltung hier in diesem kleinen Zimmer zusammengekommen sind, das ist doch schon mal ein gutes Zeichen“, lautete sein Schlusswort.