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Bamberg
Religionsvertreter in Bamberg: „Wir schreien laut vor Schmerz!“
Muslime beten in der Moschee an der Coburger Straße in Bamberg. Sie sind entsetzt über die Terroranschläge in Frankreich und Wien.
Foto: Marion Krüger-Hundrup | Muslime beten in der Moschee an der Coburger Straße in Bamberg. Sie sind entsetzt über die Terroranschläge in Frankreich und Wien.
Marion Krüger-Hundrup
 |  aktualisiert: 29.03.2021 10:30 Uhr

Mehmet Cetindere ist sichtlich geschockt. „Erst belastet uns die Pandemie, jetzt kommt noch das hinzu!“, ruft der Vorsitzende des Türkisch-islamischen Kulturvereins in Bamberg und sagt: „Wir schreien laut vor Schmerz über die Opfer!“ Über die Toten und Verletzten, die islamistische Terroranschläge in Paris, Nizza, Wien gefordert haben.

Mehmet Cetindere
Foto: Marion Krüger-Hundrup | Mehmet Cetindere

„Terroristen stiften nur Unheil, das erschreckt uns alle“, spricht Cetindere für die Muslime, die in Bamberg leben. „Wir stehen zur Demokratie und den Grundwerten und wollen sie schützen“, fügt er hinzu. „So Gott will, bekommen wir das Hand in Hand hin“, nimmt er auch die Mehrheitsgesellschaft und alle in ihr vertretenen Religionen in die Pflicht.

Denn „wir dürfen den Extremisten, die nichts mit dem Islam zu tun haben, nicht erlauben, über uns zu herrschen!“ fordert Mehmet Cetindere. Und: „Terror hat niemals Macht über Menschliches“, erinnert er daran, dass jetzt in Wien zwei junge Türken und ein muslimischer Albaner verletzten Anschlagsopfern selbstlos geholfen haben.

Mehmet Cetindere, der wie viele seiner türkischen Landsleute seit Jahrzehnten in Bamberg lebt, befürchtet allerdings unberechtigte Vorwürfe und Vorurteile von so manchen. Dabei sei es ein Gebot der Stunde, „in schweren Zeiten zueinander zu stehen, miteinander zu sprechen und zusammen mit dem deutschen Staat das terroristische Gesindel zu verjagen“.

Gemeinsam in Frieden leben

Für Antje Yael Deusel, Rabbinerin der Liberalen Jüdischen Gemeinde Mischkan Ha-Tfila in Bamberg, gehört eine „Grundvoraussetzung“ für ein gemeinsames Leben aller Religionen in Frieden dazu: „Es wäre notwendig, dass unsere Gesellschaft geprägt wäre, wenn schon nicht von Akzeptanz, dann zumindest von Toleranz anstelle von Abgrenzung und Ablehnung des Anderen“, sagt die Rabbinerin.

Antje Yeal Deusel
Foto: Archiv-Waltraud Fuchs-Mauder | Antje Yeal Deusel

Dazu gehöre Aufklärung, die Vermittlung von entsprechenden Grundwerten. Das sei allerdings „nicht nur eine Bringschuld, sondern auch eine Holschuld, die Botschaft muss nicht nur vermittelt, sondern auch angenommen werden“, betont Yael Deusel. Eine solche Holschuld könne nicht erzwungen werden: „Wir dürfen aber auch nicht nachlassen in unserem Bemühen um das Vermitteln dieser Werte.“

Die Rabbinerin, die angesichts dieser „absolut sinnlosen und entsetzlichen Taten“ in Paris, Nizza, Lyon und Wien „schockiert“ ist, hofft und betet, „dass nicht noch weitere Mordanschläge folgen werden“. Denn nicht selten handle es sich um „Nachahmertaten“.

Yael Deusel ist sich sicher, dass „bei all den entsprechenden Sicherheitsmaßnahmen das jüdische Leben einschließlich unserer Gottesdienste weitergehen wird, auch hier in Bamberg“. Wie jede andere jüdische Gemeinde „sind wir sehr, sehr wachsam, nicht erst seit den jüngsten Anschlägen“. Sie sei sehr dankbar, dass die Polizei die Gemeinde in ihrem Sicherheitskonzept in enger Zusammenarbeit unterstützt.

Ereignisse lösen Sorgen aus

Martin Arieh Rudolph
Foto: Archiv-Heinrich Hoffmann | Martin Arieh Rudolph

Auch Martin Arieh Rudolph, Vorsitzender der Israelitischen Kultusgemeinde Bamberg, spricht von „großen Fortschritten“, was die Sicherheit der jüdischen Gemeinde betrifft. Gleichwohl nennt er es „bedauerlich“, dass der Schutz „so sehr vorangetrieben werden muss“.

Aber nach Ereignissen wie zuletzt in Wien müsse noch einmal „aufs Gaspedal getreten werden“. Zumal diese Ereignisse „Sorge bei uns Juden auslösen“, wenn sie auch nach Paris, Nizza, Lyon, Dresden nicht „völlig überraschen“: „Welche Begründungen für Mord an uns sogenannten Ungläubigen werden es als nächstes sein?“

Rudolph beklagt, dass eine Verurteilung der Morde nicht oder nur „sehr halbherzig“ von den offiziellen islamischen Vertretern in Deutschland erfolge. Und er fragt wörtlich: „Kann man dann überhaupt noch von einer Verständigung oder gar Integration sprechen, wenn radikal-islamische Anhänger sich über eine kritisch-despektierliche Darstellung ihres Propheten mehr entrüsten als über einen in dessen Namen begangenen Mord, ja die diesen Mord sogar noch bejubeln?“

Die Ermordeten in Wien würden sich bald „in die lange Reihe der Baldvergessenen, der vom Islamismus ermordeten Europäer, als sogenannter Kollateralschaden unter der Rubrik Vermischtes einreihen“, prophezeit der IKG-Vorsitzende düster.

Zielt auf Spaltung der Gesellschaft ab

Hans-Martin Lechner, Dekan des evangelisch-lutherischen Dekanatsbezirks Bamberg, warnt vor „Extremismus in jeglicher Form“, der auch in Gestalt des Islamismus auf Spaltung der Gesellschaft in ihrer Pluralität abziele. Extremismus habe nichts mit einer Religion zu tun, sondern „missbraucht diese, um ihre Ziele zu legitimieren“, so Dekan Lechner. Dies habe nichts mit den gläubigen Muslimen, Juden oder Christen in Bamberg zu tun.

Hans-Martin Lechner
Foto: Archiv-Günther Geiling | Hans-Martin Lechner

In Bamberg würden sich viele Bürger auch in den unterschiedlichen Religionsgemeinschaften für ein plurales Miteinander der Menschen und der Religionen engagieren. Die gute interreligiöse Arbeit in Bamberg wirke seit Jahren einer gesellschaftlichen Spaltung entgegen.

Der Dekan: „Wir beten füreinander, und wären wir nicht in so schwierigen Coronazeiten, würden wir dies auch in diesen Tagen im Zelt der Religionen tun. So aber beten wir zu Hause für einander in diesen Zeiten in der Verbundenheit eines menschenfreundlichen und liebenden Gottes, den wir in allen Religionen kennen.“

 
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