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Bamberg
AWO Bamberg: „Kämpfen für eine sozial gerechte Gesellschaft“
Klaus Stieringer, Kreisvorsitzender der Bamberger Arbeiterwohlfahrt.
Foto: Martin Schweiger | Klaus Stieringer, Kreisvorsitzender der Bamberger Arbeiterwohlfahrt.
Marion Krüger-Hundrup
 |  aktualisiert: 09.02.2024 14:59 Uhr

Die Bamberger Arbeiterwohlfahrt versteht sich als sozialpolitische Interessenvertretung vor allem jener Menschen, die sich allein kein Gehör verschaffen können. Kreisvorsitzender Klaus Stieringer stellt sich den Fragen dieser Redaktion:

Frage: Die Arbeiterwohlfahrt ist Deutschlandweit im Dezember 1919 von Frauen um die Sozialdemokratin Marie Juchacz gegründet worden – als „Selbsthilfe der Arbeiterschaft“, wie Reichspräsident Friedrich Ebert die AWO beschrieb. Was ist von „Arbeiterschaft“ im Kreisverband Bamberg im Jahr 2021 übrig geblieben?

Klaus Stieringer: Die Arbeiterwohlfahrt kämpft auch nach 100 Jahren noch mit ehrenamtlichem Engagement und professionellen Dienstleistungen für eine sozial gerechte Gesellschaft. Maßstab für unser Handeln als AWO Bamberg sind nach wie vor die jeweiligen Lebenslagen, Bedürfnisse, Erwartungen und eigenen Möglichkeiten der Menschen. Wer mit einem Anliegen zu uns kommt, bleibt in der Selbstverantwortung für sein Handeln. Zum Glück haben sich die Schwerpunkte der sozialen Arbeit und auch die „Zielgruppe“ zeitlich angepasst. Direkte solidarische, ehrenamtlich organisierte Nachkriegshilfe mit gesammelten Spendenmitteln gegen Hunger und Not in der Arbeiterschaft waren Anlass und Intention zur Gründung und zum anfänglichen Wirken. Glücklicherweise gab es diese Situation nach dem Zweiten Weltkrieg bis heute nie wieder in Deutschland und auch die meist arme Nachkriegsarbeiterschaft konnte sich im Laufe der Jahrzehnte überwiegend zu einer besser situierten Bürgerschicht entwickeln. Die AWO hat sich entsprechend mitentwickelt.

Die AWO wurde auch in Bamberg für alle sozial bedürftigen Menschen gegründet. Erreicht der Sozialverband heute wirklich diese „sozial Bedürftigen“?

Stieringer: Ich denke, dass die AWO in unserer Region alle Menschen gleichermaßen erreicht. Sozial bedürftig sind dabei für uns als AWO alle Menschen, die qualitativ hochwertige Hilfeleistungen zu moderaten Preisen benötigen, um ihre individuellen Lebenssituationen meistern zu können und diese Leistungen von der AWO völlig unabhängig von ihrer Herkunft, Konfession oder Zugehörigkeit bekommen. Die AWO Bamberg beteiligt sich seit vielen Jahren in allen gesellschaftlichen Bereichen und auf allen politischen Ebenen an Entscheidungsprozessen, um genau diesen Sozialbedürftigen zu helfen. Als Verband wirken wir dabei an der Gestaltung der regionalen Sozialpolitik und bei der Lösung sozialer Probleme in Stadt und Landkreis Bamberg aktiv mit. Die AWO unterstützt und fördert auch nach 100 Jahren noch den Selbsthilfegedanken und die Selbsthilfebewegung. Im Haupt- und Ehrenamt verstehen wir uns als sozialpolitische Interessenvertretung aller Menschen, insbesondere jener, die sich allein kein Gehör verschaffen können.  

Wodurch unterscheidet sich die AWO von den anderen Wohlfahrtsverbänden in Bamberg?

Stieringer: Durch unsere wunderbaren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die tagtäglich in allen Bereichen der AWO Bamberg einen einzigartigen Job leisten. Sie sind das Herz unserer AWO, unser größtes Potential und das entscheidende Unterscheidungskriterium. Darüber hinaus bestimmen wir –vor unserem geschichtlichen Hintergrund als Teil der Arbeiterbewegung – unser Handeln auch im Jahr 2021 noch durch die Werte des freiheitlich-demokratischen Sozialismus: Solidarität, Toleranz, Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit. Hat sich auch die AWO mit der Zeit verändert, so sind doch die Grundwerte und Überzeugungen bis heute unverändert geblieben. Den Wettbewerb auf dem Markt mit qualitativ hochwertigen sozialen Dienstleistungen anzunehmen und dennoch nicht die zentralen Werte unseres Verbandes aus den Augen zu verlieren, ist auch heute noch die Aufgabe und der Anspruch der Arbeiterwohlfahrt.

Was bereitet besondere Sorgen im Jubiläumsjahr?

Stieringer: Auch 100 Jahre nach ihrer Gründung sieht die AWO Bamberg in der Sozialpolitik weiter großen Handlungsbedarf. Wir benötigen nach wie vor eine höhere Bezahlung und bessere Wertschätzung von Pflegekräften, um die Fachkräftelücke in diesem Bereich zu schließen. Und auch so viele Jahre nach unserer Gründung sind Chancengleichheit und Teilhabe für alle Menschen längst nicht hergestellt. Die AWO Bamberg kämpft in diesem Jahr mit den vorherrschenden großen Problemen, denen sich alle sozialen Träger aktuell stellen müssen. Das ist zum einen – neben dem Mangel an Pflege- und Betreuungsplätzen – die Pandemiesituation, die in allen Bereichen unsere Arbeit signifikant beeinflusst, erschwert, teilweise zum Erliegen bringt und zumindest wohl auch nachhaltig verändern wird.

Immer wieder macht AWO-Führungspersonal in anderen deutschen Regionen wegen einer gewissen Selbstbedienungsmentalität negative Schlagzeilen. Wie sicher ist der Kreisverband Bamberg davor gefeit?

Stieringer: Die AWO Bamberg arbeitet sowohl im ehrenamtlichen Vorstand sowie mit allen haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen und fachlichen Standards. Im Gegensatz zu anderen Verbänden und Institutionen bewerten wir unseren Erfolg aber nicht allein an den Betriebsergebnissen. Für uns als AWO Bamberg steht der Mensch im Mittelpunkt. Bei allen betriebswirtschaftlichen Erfordernissen sind für uns die soziale Verantwortung und die Orientierung am Gemeinwesen bestimmend. Die Betriebswirtschaft hat dienende Funktion. Die Skandale in Hessen und Thüringen haben unter anderem dazu geführt, dass die AWO bundesweit einen AWO Governance Kodex beschlossen hat, wodurch die Aufsichtsgremien der AWO nachhaltig gestärkt, die Transparenz deutlich verbessert und auch Gehälter in bestimmten Grenzen definiert wurden. Geschäftsführung, Vorstand und Revisoren kontrollieren die sachgerechte und rechtmäßige Verwendung unserer Finanzen durch interne und externe Prüfungen und Beratungen.

 
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