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ZEIL
„Wir brauchen Grenzen des Marktes und der Macht“
Der langjährige ÖDP-Landesvorsitzende Bernhard Suttner sprach in Zeil über die Gefahren des unkontrollierten Wirtschaftswachstums.
Foto: Privat | Der langjährige ÖDP-Landesvorsitzende Bernhard Suttner sprach in Zeil über die Gefahren des unkontrollierten Wirtschaftswachstums.
Redaktion
 |  aktualisiert: 15.12.2020 15:16 Uhr

Das kommt gar selten vor, dass zu einer Veranstaltung der Ökologisch Demokratischen Partei (ÖDP) Haßberge wegen Vollbesetzung eines Saales weitere Stühle getragen werden müssen. Am Freitag war dies der Fall, als der langjährige ÖDP-Landesvorsitzende Bernhard Suttner im Hotel Kolb in Zeil referierte.

„Warum ist uns das Hamsterrad (immer mehr und nie genug) zum Pflicht-Biotop geworden?“ – das war Suttners zentrale Frage, für die er auch eine knappe Antwort parat hatte: „Weil wir so das Teilen vermeiden wollen.“ Wenn 60 Prozent der Menschen Zugang zu 40 Prozent der Güter haben, und die anderen 40 Prozent der Menschen zu 60 Prozent der Güter, dann wird das von den Menschen akzeptiert. Wenn aber derzeit die Aufteilung global gesehen 80 zu 20 Prozent beträgt, so führt dies nach Suttners Worten zu Unruhen, die momentan in den Fluchtbewegungen beginnen. Die Wachstumsideologen wollen seiner Meinung nach dagegenhalten mit immer mehr Wachstum, mit all den negativen Folgen für die Menschen wie stressverursachende Intensivierung der Arbeit, schneller Verbrauch von Rohstoffvorräten und Eingriffe in die Natur.

Um des Wachstums Willen bemüht man sich um Freihandel und opfert dafür die gesamte Palette der regelnden Gesetzgebung, vom Mindestlohn über Gesundheitsvorschriften am Arbeitsplatz bis zur Gentechnik in der Landwirtschaft, sagte Suttner. In diesen Zusammenhang müsse TTIP, CETA und TISA eingeordnet werden, eben um das weltweite Wachstum der Ökonomie anzufeuern, so Suttner. Unter die Räder kämen dabei die schwächsten Gesellschaftsmitglieder und das Gemeinwohl, weil „die derzeit verhandelten Freihandelsverträge vor allem das Ziel haben, demokratisch errungene Regeln zur Sicherung schwacher Marktteilnehmer und zur Sicherung und Förderung des Gemeinwohls aufheben“, sagte Suttner. Besonders die deutsche Landwirtschaft werde unter TTIP schwer zu leiden haben.

Als bedenklich sieht Suttner auch den Umstand an, dass die Vorrechte der Kommunen und öffentlich-rechtlichen Anbieter von Diensten wie Müllentsorgung, Trinkwasserversorgung und kulturelle Einrichtungen als unzulässige Handelshemmnisse betrachtet würden, gegen die geklagt werden könne. Laut Suttner wird die Demokratie untergraben, wenn sich große Firmen in die Gesetzgebung einklinken und den Politikern vorschreiben, was nicht in Gesetzen stehen darf, weil ihnen sonst Gewinne entgehen würden.

Suttner stellte dem Wachstumsgedanken, also „immer mehr von allem“, als Alternative gegenüber, was die britischen Autoren Robert und Edward Skidelsky als sieben Basisgüter für ein „gutes Leben“ beschreiben: Gesundheit, Sicherheit, Respekt, Persönlichkeit, Freundschaft, Harmonie mit der Natur und Muße.

Suttner resümierte: „Wir brauchen in einer globalisierten Welt weltweite Mindest-Standards im ökologischen und sozialen Bereich. Vom Freihandel zum Fair-Handel! Wir brauchen Grenzen des Marktes und der Macht.“ Freihandel ohne Grenzen bezeichnete Suttner als „Plünderung“. Wichtig sei deshalb, dass viele Einzelne damit beginnen, einfacher und schlichter zu leben, in einem Befreiungsakt das eingangs erwähnte Hamsterrad zu verlassen.

Bereits in den Grundsätzen aller großen Religionen werde davor gewarnt, das Materielle zum Götzen zu erheben, die Muße zu verachten, zu stehlen, zu morden und die Begehrlichkeiten zu züchten. Dies gehöre zum Menschengewissen wie auch die Kardinaltugenden Mut, Gerechtigkeit, Klugheit und die Beachtung des rechten Maßes.

 
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