"Der könnte sein Grundstück auch wieder mal mähen", beschreibt Otto Elsner die Gedanken, die bestimmt so mancher Fußgänger hat, wenn er an seinem Garten in Rottenstein vorbei läuft. Entgegen dem heutigen Trend, alles akkurat zu schneiden und kurz zu halten, geht der Gebietsbetreuer beim Bund Naturschutz Bayern einen anderen Weg, um die Biodiversität hoch zu halten. Der etwa zehn Quadratmeter große Grünstreifen vor dem Gartenzaun sieht auf den ersten Blick vielleicht etwas wild aus, aber es wachsen dort wertvolle Pflanzen, die teilweise vom Aussterben bedroht sind. Mit einer Informationstafel will Otto Elsner auf die sogenannten Dorfpflanzen aufmerksam machen.
Herzgespann, Katzenminze, die Acker-Glockenblume oder der Gute Heinrich wachsen in dem knapp 50-Einwohner-Dorf Rottenstein. Das Schild zeigt Wirkung. Immer öfter bleiben Wanderer, Touristen und Einheimische davor stehen und erfreuen sich an der Blütenpracht, die einem Lehrpfad gleicht. Seit über 40 Jahren hat sich Otto Elsner der Botanik verschrieben, die sein Steckenpferd ist. "Früher hatte man im Garten auch Heil- und Gewürzpflanzen, die sich dann verselbständigten und überall im Dorf wuchsen", beschreibt der Fachmann den Begriff "Dorfpflanzen".
Auch die Tiere trugen ihren Teil dazu bei, Pflanzen im bebauten Gebiet anzusiedeln. Der Dorfhirte trieb vor langer Zeit Schafe, Ziegen und andere Tiere, das die Bewohner zur Selbstversorgung hielten, hinaus auf eine Weide. Dort verfingen sich die Samen von so manchen Gewächsen in den Klauen und wurden so in die Dörfer transportiert.
Heute sieht man nur noch recht selten wild wachsende Pflanzen zwischen der Bebauung. Den Samen für das Herzgespann, das auf der Roten Liste in der höchsten Kategorie I als vom Aussterben bedroht steht, hat Otto Elsner bei einer Exkursion in Nassach gefunden. Stark gefährdet in ihrem Vorkommen ist zum Beispiel auch die Katzenminze, die, wie ihr Name schon verrät, besonders von den Felltigern geliebt wird.
Bürgermeister Dieter Möhring, der selbst ein Naturfreund ist und privat unter anderem Streuobstwiesen pflegt, ließ es sich nicht nehmen, die Dorfpflanzen in dem Aidhäuser Ortsteil einmal näher anzuschauen. Als große Belastung bezeichnet das Gemeindeoberhaupt, wenn von früh bis spät Beschwerden in der Verwaltung auflaufen, dass der Bauhof immer falsch mähe. "Für die einen ist es zu viel, für die anderen zu wenig", sagt Möhring und will zukünftig den Bürgern mehr ins Bewusstsein bringen, warum etwas mit welchen Maßnahmen gemacht werde. Einen Workshop für alle Ortsteile stellt sich Bürgermeister Möhring hierzu vor. Damit sollen auch Leute gewonnen werden, die sich bereiterklären, Grünflächen zu pflegen.
Als ein Element der Vielfalt bezeichnet Klaus Mandery, der Vorsitzende der Kreisgruppe Haßberge des Bund Naturschutzs Bayern, die "Wildnis" vor Otto Elsners Eigenheim. Auch durch die Industrialisierung der Landwirtschaft werde heutzutage alles vereinheitlicht, was sich auch in der stellenweise geringen Artenvielfalt widerspiegele.
Das Herzgespann, das in Rottenstein wächst, ist auch in der Samenmischung "Veitshöchheimer Hanfmix" enthalten, das von der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau angeboten wird. Als Ersatz für die Anpflanzung von Mais eignet sich diese Mischung hervorragend für die Verwertung in einer Biogasanlage. Als Vorzeigeprojekt bezeichnete Mandery 120 Hektar Ackerfläche im Landkreis Rhön-Grabfeld, auf dem der Hanfmix angebaut wird. "Ich wünsche mir, dass sich das auch im Landkreis Haßberge etablieren kann", beschreibt Klaus Mandery seine Zukunftshoffnungen.