"Haßfurt 7 km", steht auf dem Titan-Emaille-Schild des "Deutschen Touring Clubs", das Tino Görtler stolz in seinen Händen hält. Irgendwann zwischen 1928 und 1932 stand es irgendwo an einer Straße, eben genau diese sieben Kilometer von der jetzigen Kreisstadt entfernt.
Der 46-jährige Gastwirt aus dem Gemündener Stadtteil Seifriedsburg ist ein gebürtiger Haßfurter, den es der Liebe wegen vor 21 Jahren in den Landkreis Main-Spessart zog. Seitdem hat ihn die Sammelleidenschaft gepackt. Hauptsächlich alte Fotos, aber auch Dokumente, Schilder und ähnliches versucht er seitdem zu ergattern. Mittlerweile kann Tino Görtler schon einen wahren Schatz an teils raren historischen Dingen sein Eigen nennen.
Erinnerungen an die Brauerei Hiernickel
In einer Ecke des Gasthauses "Goldener Hahn" in der Kasper-Volpert-Straße in Seifriedsburg sieht es fast aus wie in einem Brauerei-Museum. Neben dem Genuss von Schnitzeln und Bräten aus eigener Herstellung kann der geneigte Betrachter in dem Wirtshaus zahlreiche alte Tonkrüge, Biergläser und anderes Accessoires bestaunen. Vieles davon ist von der ehemaligen Haßfurter Brauerei Hiernickel, deren Firmengeschichte schon lange Vergangenheit ist.
Tino Görtler, dessen Frau Nicole sowie die Kinder Marie-Sophie und Maximilian die Sammelleidenschaft unterstützen, hat aber noch viel mehr auf Lager. Über 500 alte bis uralte Fotos rund um die Kreisstadt sowie gut 300 Postkarten mit entsprechenden Motiven hat er bisher auf Flohmärkten oder bei Nachlass-Auflösungen erwerben können. "Von dieser Postkarte gibt es nur noch ganz wenige", sagt Tino Görtler und zeigt das gute Stück, auf dem das damals alleinstehende Gebäude der Schreinerei Gehles in Haßfurt zu sehen ist. Ein Verlag Namens Anton Schmitt aus Haßfurt muss diese Karte vor 1908 produziert haben. Dieses Datum bezeugt der Poststempel aus Obertheres. Von dort aus wurde die Postkarte seinerzeit nach Frankreich verschickt.
Bekannte Haßfurter Namen im Protokoll
Unter anderem entdeckte Tino Görtler auch die frühere Existenz eines Vereines, der selbst im Haßfurter Stadtarchiv vorher noch nicht bekannt war. "AMCH Automobil-Klub Haßgau" mit Sitz in Haßfurt steht auf dem Gründungsprotokoll, das dem Sammler vorliegt. Es ist datiert auf 25. März 1928, der Verfasser brachte es in der ehemaligen Gastwirtschaft "Bayerischer Hof" zu Papier. Namhafte Gründungsmitglieder damals waren zum Beispiel der Industrielle Nikolaus Mölter oder der Maler Josef Kehl. Als Leitspruch steht auf dem Dokument "Töff Heil".
Ein ganz altes Stück ist das Kassenbuch der "Bischof Georg Anton Kleinkinder-Verwahranstalt-Stiftung zu Haßfurt" aus den Jahren 1865/66. Bekannte Haßfurter mit Namen wie Hiernickel, Amberg, Reinhard und Elsen unterzeichneten hier ein Protokoll mit Rechnungsbelegen. Uralt ist auch ein Los der "Geld Lotterie Haßfurt", bei der am 7. Dezember 1886 die Ziehung der Geldpreise anstand. 50 000 Mark winkten damals dem glücklichen Hauptgewinner, der nur zwei Mark Lotterieeinsatz zu zahlen hatte.
Damals gab es noch eine Badeanstalt am Main
Aus der neueren Geschichte Haßfurts - von den 1950-er bis 1970-er Jahren - hat Tino Görtler zahlreiche Fotos, die das damalige Leben dokumentieren. So sieht man zum Beispiel, dass damals noch Hochbetrieb beim alljährlichen Heimat- und Schützenfest der Königlich privilegierten Schützengesellschaft 1430 herrschte. Seit den 1990-er Jahren gibt es dieses Fest nicht mehr.
Ähnlich sieht es aus alljährlichen Siedlerfest, das immer an der Kreuzung Goethestraße/Düsseldorfer Straße stattfand. Dereinst waren vollbesetzte Sitzplätze keine Seltenheit, wie auf einem anderen Foto zu sehen ist. Ebenso ist die einstige Badeanstalt am Main dokumentiert, genauso wie der Neubau des TV-Freibades in den 1960-er Jahren. Aufnahmen von den Baracken in der Nikolaus-Mölter-Straße nach dem Krieg, vom Straßenbau in der Brüder-Becker-Straße oder vom 1973 eingeweihten Spielplatz an den damals ersten Hochhäusern in Haßfurt "Am Sauerländig" sind ebenso wertvolle Fotoschätze.
Schluckimpfung in Plastikbechern
Passend zur heutigen Zeit hat Tino Görtler einen alten Zeitungsbericht herausgesucht, in dem es heißt: "Das Zeug schmeckt wunderbar süß". Gemeint ist die 1963 eingeführte Schluckimpfung gegen Kinderlähmung, die einen großen Andrang erfuhr. Die Zeitung berichtet, dass 200 Personen der Impfstoff in Plastikbechern serviert wurde - die Behältnisse waren noch kleiner als ein Schnapsglas.
Ein weiteres Relikt aus Haßfurt prangt in Seifriedsburg vor dem Kriegerdenkmal. Tino Görtler konnte einst von einem Sammler ein Stück der in England hergestellten Eisenkette erstehen, die damals an den auf dem Main schwimmenden "Meeküh" angebracht waren. Als zweiter Vorsitzender der Soldatenkameradschaft in seinem neuen Heimatdorf kam Tino Görtler auf die Idee, diese Kette vor dem Denkmal anzubringen, was anläßsslich einer Renovierung vor einigen Jahren realisiert wurde. Wie Tino Görtler erzählt, wurden ab 1940 viele dieser Ketten eingeschmolzen und für die Kriegsproduktion verwendet. Nur wenige überlebten bis in die heutige Zeit, so wie das rund drei Meter lange Teilstück an dem Mahnmal.