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Haßfurt
Wie ein „Drogen-Sommelier“ vor Gericht einen Angeklagten entlastet
Mit einer Geldstrafe kam ein 24-Jähriger davon, in dessen Haus die Polizei vor fast drei Jahren verschiedene Betäubungsmittel gefunden hatte. Gehörten die Drogen einem anderen?
Ein Rucksack voller Rauschgift brachte einen jungen Mann diese Woche auf die Anklagebank am Amtsgericht Haßfurt. Doch gehörten ihm die Drogen vielleicht gar nicht? 
Foto: René Ruprecht | Ein Rucksack voller Rauschgift brachte einen jungen Mann diese Woche auf die Anklagebank am Amtsgericht Haßfurt. Doch gehörten ihm die Drogen vielleicht gar nicht? 
Martin Schweiger
 |  aktualisiert: 10.02.2024 09:53 Uhr

Gäbe es am Haßfurter Amtsgericht eine Wahl zum Angeklagten des Monats, ein 24-Jähriger, der am Mittwoch auf der Anklagebank des Amtsgerichts saß, würde sie wohl locker gewinnen - zumindest, was sein Erscheinungsbild betrifft. Mit Anzug, Krawatte und sauberem Haarschnitt saß er neben seinem Verteidiger Joachim Voigt vor dem Schöffengericht, das sich von der glänzenden Fassade sicherlich nicht täuschen lassen wollte. Denn die Vorwürfe gegen den jungen Studenten wogen schwer: Bei einer Hausdurchsuchung der Kripo Schweinfurt am 18. Mai 2018 hatten die Beamten im Heizungsraum des elterlichen Wohnhauses einen Rucksack voller Betäubungsmittel gefunden: nämlich 82 Gramm Marihuana, 34 Gramm Haschisch, 25 Gramm Amphetamin und kleine Mengen anderer Drogen.

Festnahme am Rand des Königsberger Pfingstfestes

Vor Gericht sagte der Angeklagte, dass der Rucksack und die meisten Drogen darin einem Freund gehörten. Nur rund zehn Gramm Marihuana hätten ihm selbst gehört. Sein Freund sei damals am Rande eines Volksfestes in seinem Auto festgenommen worden. Den Rucksack habe der Angeklagte für ihn aufbewahrt, damit er nicht den Beamten in die Hände fällt. Auf die Schliche kam die Kripo dem Angeklagten durch eine Telekommunikationsüberwachung des Freundes, der vor seiner Festnahme ein großer Fisch in der Drogenszene des Landkreises war. Er handelte mit Drogen im Kilobereich und wurde zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Durch die Handy-Überwachung hatten die Beamten im Mai 2018 vermutet, dass ein Rauschgiftgeschäft abgewickelt werden sollte. Der Freund des Angeklagten wurde dabei festgenommen.

Freimütiger Dealer im Zeugenstand

Die Polizei hatte schnell den Verdacht, dass der nicht vorbestrafte Angeklagte lediglich ein "Bunkerhalter" war, der für seinen Freund Drogen in seinem Elternhaus aufbewahrte. Diese Vermutung bestätigte sich, als der Freund als Zeuge aussagte. Als ihm Bilder des Rucksacks mit den Drogen gezeigt wurden, sagte er, der Rucksack käme ihm bekannt vor. Er habe geplant, mit Freunden zu dem Volksfest zu gehen, um zu feiern – einschließlich Drogenkonsum. "Ich habe damals immer eine (Drogen-) Sammlung dabei gehabt, um zu feiern", gab der verurteilte Drogendealer freimütig zu Protokoll.

Fingerabdrücke und Schriftstücke als Beweis

"Da waren Sie ja so etwas wie ein Drogen-Sommelier", warf der Vorsitzende ein, was der Zeuge bejahte. Die Menge der Drogen im Rucksack seien für ihn "Peanuts". Er habe damals im Kilobereich gehandelt. "Kleinmengen habe ich nicht angefasst", gab er offen zu. Der Staatsanwalt sah dennoch die Vorwürfe gegen den Angeklagten als erwiesen an. Schließlich seien dessen DNA-Spuren an den Drogenverpackungen gefunden worden. Außerdem hätten die Beamten Zettel mit Aufschriften in der Wohnung des Angeklagten gefunden, die typisch für Drogendealer seien. Der Anklagevertreter forderte daher eine Bewährungsstrafe von 14 Monaten plus 500 Euro als Geldauflage.

Drogen in Einmachgläsern

Verteidiger Voigt erwiderte, dass sich die meisten der gefundenen Drogen in Einmachgläsern befunden hätten. Dies sei ein Markenzeichen des Freundes des Angeklagten. Zudem seien dessen Fingerabdrücke darauf gefunden worden. Seinem Mandanten hätten nur zehn Gramm Gras gehört. Daher plädierte der Verteidiger auf eine Geldstrafe in Höhe von 20 Tagessätzen zu 15 Euro, somit 300 Euro.

Das Schöffengericht verhängte eine Geldstrafe von 25 Euro zu 15 Euro, also 375 Euro. Es schloss sich weitgehend der Auffassung des Verteidigers an. Der Zeuge habe quasi zugegeben, dass der Rucksack ihm gehört. Beweise, dass es anders sei, gebe es nicht, sagte der Vorsitzende Richter Christoph Gillot in der Urteilsbegründung.

 
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