
Der Blick in ein Klassenzimmer hat sich im Laufe der Zeit stark verändert. Wo früher Schülerinnen und Schüler den Blick nach vorne zu einem Lehrer mit Tafel richteten, neigt sich heute vermehrt der Blick nach schräg unten: auf ein Tablet oder einen Laptop. Sogenannte Whiteboards stellen die digitale Variante der Tafel dar.
Beim Thema Digitalisierung in Schulen drängen sich viele Fragen auf. Welche Vor- und Nachteile bringt dieser Wandel? Was muss passieren, damit dieser Prozess gelingt? Wie steht es um die Digitalisierung der Schulen im Landkreis Haßberge? Und welchen Einfluss übt die Corona-Pandemie auf die digitale Entwicklung aus? Die Schulleiterinnen und Schulleiter des Gymnasiums in Haßfurt, der Realschule Eltmann, der Mittelschule Zeil/Sand sowie der Grundschule Hofheim geben Auskunft.
Unausgeschöpftes Potenzial
Am Haßfurter Regiomontanus-Gymnasium ist die Digitalisierung in vollem Gange. Seit 2005 bietet die Schule ein Schulwiki und seit ein paar Jahren eine eigene Schulcloud an, damit Schülerinnen und Schüler online auf Lehrinhalte zugreifen können. Darüber hinaus nutzt die Schule ein eigenes Videokonferenztool (BigBlueButton), einen Schulmanager als Nachrichten- und Lernplattform sowie verschiedene Apps für kreatives und vernetztes Arbeiten auf Tablets.
Jedes Zimmer ist mit einem Computer mit interaktivem Beamer ausgestattet – in den drei Computerräumen befinden sich jeweils 30 Geräte. Mehr noch: In der fünften Klasse stehen aktuell allen 149 Schülerinnen und Schülern iPads zur Verfügung. Zwei Klassen in der sechsten Jahrgangsstufe können sich für zwei Jahre ein iPad von der Schule ausleihen. Mit einem solchen Tablet wird zudem der Einsatz von digitalen Schulbüchern möglich.

„Das Potenzial ist aber lange noch nicht ausgeschöpft“, sagt Maria Eirich, Schulleiterin des Gymnasiums. „Es bräuchte Videos, Lernpfade oder interaktive Übungen, welche noch besser zum Lehrplan passen. Die Lehrer können nicht alles selbst erstellen.“ Ferner wünscht sich Eirich, dass sich die Wartung der Geräte verbessert sowie weitere Konzepte zur digitalen Vermittlung des Unterrichtsstoffs entwickelt werden. „Vor allem müssen wir noch mehr darüber reden, wo der Einsatz von digitalen Medien wirklich sinnvoll ist.“
Zu den Vorzügen der digitalen Entwicklung zählt Eirich Übungsmöglichkeiten mit automatischer Selbstkontrolle, einen selbstentwickelten Vokabeltrainer sowie vielfältigere Darstellungsformen und Erklärvideos. In allen Jahrgangsstufen dürfen die Lehrkräfte es den Schülerinnen und Schülern erlauben, ihr eigenes Gerät zu verwenden – die Nutzung während des Unterrichts könne aber jederzeit verboten werden. In der Oberstufe besteht ferner die Möglichkeit, das WLAN in Anspruch zu nehmen.
Corona als Beschleuniger
Ein Teil der Lehrerschaft komme gut mit der Entwicklung klar. Manche Lehrerinnen und Lehrer würden jedoch noch etwas hinterherhinken. Deshalb seien weitere Schulungen nötig und von den Lehrkräften gewünscht, so Eirich. Bei den Schülerinnen und Schülern zeigt sich ebenso ein gemischtes Bild: Einerseits strenge das selbstständige, kreative Arbeiten im Vergleich zum Frontalunterricht mehr an, andererseits bestehe ein hohes Maß an Motivation in Bezug auf digitale Lehrformen.
Die Corona-Pandemie stellte und stellt die Schule vor eine große Herausforderung. Auch wenn die Anpassung daran nicht leichtfiel, so entpuppte sich Corona als Beschleuniger der Digitalisierung am Regiomontanus-Gymnasium. „Für viele Lehrerinnen und Lehrer war es ein absoluter Startschuss. Da sie sich nun damit beschäftigen mussten, erkannten einige den Mehrwert für den Unterricht“, stellt Eirich heraus, die kurz vor der Pandemie die Nachfolge des langjährigen Schulleiters Max Bauer antrat. Die Akzeptanz sowie die Fähigkeiten im Umgang mit digitalen Geräten und Lehrformen wuchsen an.

Ein ähnliches Bild zeigt sich an der Wallburg-Realschule in Eltmann. Auch wenn durch Corona die digitale Entwicklung einen enormen Aufschwung genommen hat, läuft hier noch nicht alles perfekt. „Was sich noch verbessern sollte, ist die Internetanbindung der Schule, aber auch die der Schüler zu Hause. Nur mit echtem Festnetz ist Unterricht von zuhause aus möglich“, mahnt die Schulleiterin Manuela Küfner. Die digitalen Lehrformen- und Geräte sind mit denen am Gymnasium in Haßfurt vergleichbar.
Ausbaufähiges WLAN
In der Corona-Pandemie mussten sowohl Schülerinnen und Schüler als auch Lehrkräfte ins kalte Wasser springen. Aus der Sicht von Küfner lernten hierbei beide Seiten dazu. Über die Finanzierung der Digitalisierung durch den Landkreis Haßberge zeigt sich Küfner zufrieden, „doch es geht natürlich noch etwas besser. Einen Laptop für jeden Lehrer oder iPads für mehrere Klassen wären super.“

Wolfgang Grader, Schulleiter der Mittelschule Zeil/Sand, kritisiert ebenso wie Küfner das WLAN in der Schule: „Wir arbeiten aber bereits daran“, so Grader. Zudem seien Schülertablets und digitale Boards in der Bestellphase. Die Erfahrungen von Schülerinnen und Schülern sowie Lehrkräften seien grundsätzlich positiv. Digitale Lehrformen kämen in Zeil vor allem bei Präsentationen und der Ergebnissicherung zum Einsatz.
Stärkung der Kooperation und Kreativität
Im Gegensatz zu den anderen Schulen dürfen die Schülerinnen und Schüler der Grundschule Hofheim keine eigenen Geräte in der Schule benutzen. „Unsere schuleigene Ausstattung ist im Moment ausreichend und wird im Zuge des Digitalpakts erweitert“, begründet Schulleiterin Ethel Geiger ihre Entscheidung.
Geiger vertritt die Auffassung, dass digitale Lehrformen die Eigenverantwortlichkeit und Selbstständigkeit der Schülerinnen und Schüler fördern könnten. Indes gebe es mehr Freiräume für individuelle Lernwege und Methoden, um den Unterricht spannender zu gestalten. „Durch Erklärvideos oder animierte Schaubilder können die Lehrkräfte den Unterricht anschaulicher gestalten. Ich sehe auch, dass Apps kooperatives und kreatives Denken in der Schülergruppe unterstützen können“, führt Geiger aus. Dafür brauche es in Hofheim ebenso ein stabiles, belastbares WLAN. Zudem könnte aus der Sicht von Geiger die Funktionsfähigkeit der Lernplattformen noch optimiert werden.

Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung von 2015 weist jedoch auch auf die Gefahren von digitaler Bildung und Medien hin. Digitale Medien könnten demnach zum Kopieren von Informationen aus dem Internet verleiten. Ebenso bestehe aus der Sicht der Forschenden das Risiko, dass digitale Medien vom fachlichen Inhalt ablenken und sich negativ auf die Entwicklung sprachlicher und mathematischer Grundfertigkeiten auswirken.
Soziale Risiken
Ferner berge das Thema auch soziale Risiken: Der Zugang und die Nutzung digitaler Medien seien gesellschaftlich ungleich verteilt. Wohlhabende Eltern können ihren Kindern bessere Geräte kaufen als arme Eltern. Akademiker tendieren dazu, ihren Kindern mehr digitale Kompetenzen zu vermitteln. Diese sozialen Benachteiligungen könnten sich durch digitale Medien in der Schule möglicherweise verstetigen, falls die Ungleichheit nicht bekämpft werden würde. Indes könnte der Gebrauch von digitalen Medien in der Schule eine bereits bestehende Computer- oder Internetsucht fördern.
Um den Risiken zu begegnen, ist es deshalb für Geiger unabdingbar, die Medienkompetenz der Schülerinnen und Schüler in den Mittelpunkt zu stellen: „Ein reflektierter und konstruktiver Umgang mit digitalen Medien ist heute genauso wichtig wie Lesen, Schreiben und Rechnen“, ist sich Geiger sicher. Damit dies gelinge, sei ein zielgenauer Plan entscheidend: „Das Lehrerkollegium der Grundschule Hofheim hat schon vor einigen Jahren ein Medienkonzept erstellt und mit Unterstützung des Schulverbands die IT-Ausstattung dementsprechend aufgebaut.“
Echte Erfahrungen sind entscheidend
Egal ob Sehen, Riechen, Hören, Fühlen oder Schmecken: Ein Bildschirm könne keinesfalls echte Erfahrungen mit allen Sinnen ersetzen, zeigt sich Geiger überzeugt. „Wir weisen auch die Eltern darauf hin, mit viel Bewegung an der frischen Luft und gemeinsamen Aktivitäten in der Familie stets für einen Ausgleich zum Medienkonsum zu sorgen.“
Unabhängig von den Vor- und Nachteilen digitaler Bildung steht für diese vier Schulen fest: Die Lust am digitalen Lernen scheint bei vielen Schülerinnen und Schülern durch den Corona-Lockdown gestiegen zu sein – wenn auch aus der Not heraus. Immerhin eine positive Botschaft in der Corona-Krise.
