Am 29. Juni 2018 kam ein junger Mann aus Ghana in Deutschland an. Prince Otsibu, damals 17 Jahre alt, bat um Asyl, denn in seinem Heimatland war das Leben für ihn zu gefährlich geworden. Der Grund: Otsibu ist homosexuell, was in Ghana, wie auch in vielen anderen afrikanischen Staaten, verboten ist. Vom Staat drohen Gefängnisstrafen, dazu kommt eine Bevölkerung, die Homosexualität ablehnt und den Betroffenen oft mit Gewalt auszutreiben versucht.
Die Hürden, um in Deutschland Asyl zu bekommen, sind für den jungen Mann allerdings hoch, denn Ghana gilt als "sicheres Herkunftsland". Zwar sieht das Asylrecht die Möglichkeit vor, dass in Einzelfällen auch Menschen aus solchen Regionen in Europa bleiben dürfen, wenn sie nachweisen können, dass sie einer verfolgten Gruppe angehören. Doch bei einem solchen Asylantrag schwingt oft der Verdacht mit, es handle sich um eine Schutzbehauptung, um sich ein Leben in einem Land mit besseren Lebensbedingungen zu erschwindeln. Wie also soll der Ghanaer, der nach seiner Flucht zunächst in Zeil unterkam, seine sexuelle Orientierung beweisen?
Gut integriert im Sportverein
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) jedenfalls schreibt, Prince Otsibu habe nichts vorgetragen, das die "Voraussetzungen für die Annahme einer begründeten Furcht vor Verfolgung oder Gefahr eines ernsthaften Schadens" erfülle. Auch seine Klage gegen diese Entscheidung des Bundesamtes hatte vor Gericht keinen Erfolg. Doch der junge Mann hat Glück im Unglück: Als leidenschaftlicher Fußballer suchte er sich in Deutschland einen Sportverein, bei dem er seinem Sport nachgehen konnte – und fand diesen im TV Haßfurt. Dort ist er gut integriert und stand schon bei Spielen der U 19 sowie der Ersten und der Zweiten Mannschaft auf dem Platz. Mittlerweile darf er auch im Sportheim wohnen, da ihm in Zeil nur ein kleines Zimmer zur Verfügung stand, das er sich zudem mit einem anderen jungen Mann teilen musste.
Viele im Verein kämpfen nun dafür, dass Prince Otsibu bleiben kann. "Wir setzen uns ein, wissen aber langsam nicht mehr weiter", sagt der Vorsitzende Gerd Wolf, der vor allem beklagt, dass die Ämter von dem Flüchtling teilweise Dinge erwarten, die er ohne die Hilfe deutscher Freunde gar nicht leisten könnte.
So lange Prince Otsibu minderjährig war, hatten ihm die Behörden eine Betreuerin aus Nürnberg zur Seite gestellt. Seit seinem 18. Geburtstag im Juni wäre der Ghanaer auf sich alleine gestellt, wenn er nicht seine Freunde vor allem aus dem Sportverein und der Fußballmannschaft hätte. Die fahren ihn nun zu Terminen, helfen ihm im Umgang mit den Ämtern und haben in den vergangenen Monaten einiges an Geld, Zeit und Energie aufgebracht. Gerd Wolf fuhr sogar mit ihm nach Berlin und streckte 300 Euro vor, die nötig waren, um an der ghanaischen Botschaft für Prince Otsibu einen neuen Ausweis zu besorgen. Für den TV-Chef und viele andere im Verein ist klar: Dieser Mensch hat eine Chance verdienst.
Keine Arbeit ohne Bleibeperspektive
"Ich find's schade, weil er sich wirklich integriert, mit uns fortgeht, lacht und Fußball spielt", sagt Trainer Mario Hess. Auch Gerd Wolf betont, wie sehr sich der 18-jährige Ghanaer bemüht. "Er will arbeiten, er will niemandem auf der Tasche liegen", sagt der TV-Vorsitzende. Am liebsten möchte Prince Otsibu Koch werden. Ein Gastronomiebetrieb hat ihm bereits einen Ausbildungsplatz zugesagt, doch der Flüchtling darf die Stelle bei seinem Aufenthaltsstatus nicht antreten. Nur ehrenamtliche Tätigkeiten darf Otsibu übernehmen, außerdem darf er die Berufsschule besuchen und dabei Schulpraktika machen. Doch echte, bezahlte Jobs, mit denen er seinen eigenen Lebensunterhalt verdienten könnte, darf der junge Mann nicht annehmen, berichtet Wolf. "Dabei wäre er sogar bereit, Jobs zu machen, die hier sowieso keiner machen will", betont der TV-Vorsitzende. "Unsere Gesellschaft bräuchte solche Leute." Zumal Prince Otsibu durchaus fleißig ist: Sein Zeugnis aus der Berufsschule ist voller guter Noten, auch seine Deutschkenntnisse sind für die kurze Zeit, die er im Land verbracht hat, beachtlich.
Theoretisch gäbe es für ihn die Möglichkeit, freiwillig in seine Heimat zurückzukehren und nach einer mehrmonatigen Einreisesperre über einen zugesagten Ausbildungsvertrag nach Deutschland zurückzukommen. Doch erstens wäre das ein Verfahren mit unsicherem Ausgang, zweitens müsste er um sein Leben fürchten, wenn er auch nur für wenige Monate nach Ghana zurückkehren müsste. Denn seine Homosexualität ist dort bekannt, er würde wohl schnell im Gefängnis landen oder das Opfer von Lynchjustiz werden, fürchtet er. "Wissen Sie, wie es in einem Gefängnis in Ghana aussieht?", fragt der 18-Jährige unseren Reporter und zeigt ein Foto, auf dem viele Menschen zu sehen sind, die auf engem Raum zusammengepfercht sind. Was er als schwuler Mann von den anderen Häftlingen zu befürchten hätte, möchte er sich gar nicht ausmalen.
Eine schockierende Vorgeschichte
Eine Familie hat Prince Otsibu in Ghana nicht mehr. Seine Mutter hat er früh verloren, der Vater, dem alles zu viel wurde, hat den Jungen gegen Geld in eine Pflegefamilie gegeben. Nach viel Streit riss er aus und lebte auf der Straße, wo ein erwachsener homosexueller Mann auf den damals 15- oder 16-Jährigen aufmerksam wurde und ihn gegen Geld für sexuelle Zwecke ausnutzte.
Zwar wird Ghana oft im Vergleich zu anderen afrikanischen Staaten als "Vorzeigedemokratie" gehandelt, dennoch liegt vieles im Argen. Neben der Tatsache, dass – entgegen der Menschenrechte – Homosexualität dort als Straftat gilt, sind Behörden oft bestechlich und Jugendgangs kontrollieren so manches Viertel der Hauptstadt Accra. Einer solchen Gang, die ihm seine Homosexualität "austreiben" wollte, fiel der Prince Otsibu in die Hände. Nach schweren Misshandlungen, bei denen er mit Säure verletzt wurde, flüchtete er nach Europa.
Gerd Wolf erzählt, dass viele junge TV-Mitglieder, die zusammen mit Otsibu Fußball spielen, dabei waren, als der Flüchtling diese Geschichte vor dem Verwaltungsgericht in Würzburg erstmals öffentlich erzählte; in der Verhandlung, die darüber entscheiden sollte, ob das BAMF seinen Fall erneut prüfen muss. Die Fußballer seien tief berührt gewesen und hätten zum Teil Tränen in den Augen gehabt, berichtet Wolf. Das Gericht hat Otsibus Klage dennoch abgewiesen – auf eine schriftliche Urteilsbegründung wartet er bis heute.
Großer Einsatz des Vereins
Gerd Wolf und seine Vereinskollegen versuchen nun, alle Hebel in Bewegung zu setzen, um Prince Otsibu den weiteren Aufenthalt in Deutschland zu ermöglichen. Unter anderem haben sich Wolf, Otsibu und Fußballtrainer Hess mit Stephan Reichel vom Verein "Matteo" getroffen, der sich für Asylsuchende einsetzt. Dieser gab Tipps für das weitere Verfahren, empfahl dem Asylsuchenden eine Fachanwältin in Nürnberg und sprach ihm Mut zu. "Du bist in der richtigen Stadt und hast die richtigen Leute getroffen", sagte Reichel damals zu Prince Otsibu und lobte damit auch den TV.
Gerd Wolf hat außerdem die Abgeordneten Dorothee Bär und Steffen Vogel um Hilfe gebeten. Von Bärs Antwort auf seine E-Mail zeigte sich der TV-Chef enttäuscht: Die Staatsministerin hatte als Lösungsweg die "Ausbildungsduldung" vorgeschlagen, die Otsibu und seine Unterstützer für nicht durchführbar halten. Wolf bezeichnet Bärs Antwort als "Standardphrasen, die mir jeder drittklassige Anwalt mitteilt". Echte Unterstützung sehe anders aus. Der Landtagsabgeordnete Steffen Vogel steht dagegen mittlerweile mit Wolf in Kontakt und verspricht, er werde die besondere Situation gegenüber der Regierung schildern und sich "für eine Sonderlösung für Prince einsetzen" – dabei bringt er auch die Härtefallkommission ins Gespräch. Zwar könne er als Teil der Gesetzgebung keine Zusagen für die Verwaltung machen, doch er werde sich des Falles "unverzüglich annehmen".