„Schad is es ja dafür!“ Wehmütig seufzten Inge Thein und Dora Ort, als sie im Dezember 2018 das letzte Mal die Gemeinschaftskühlanlage in Steinsfeld betraten, die sie über 50 Jahre lang genutzt hatten. Denn die Frostfachgemeinschaft mit ihrem Vorsitzenden Matthias Thein hat beschlossen, die Anlage abzubauen, da eine Reparatur unwirtschaftlich ist. Doch 62 Jahre lang war sie, die erste und wohl auch die letzte noch genutzte Anlage im Landkreis Haßberge, durchaus wirtschaftlich und wurde hoch geschätzt.
Praktisch auch fürs Gasthaus
„Früher hatte niemand einen Kühlschrank oder sogar eine Gefriertruhe so wie heute“, berichteten die beiden Frauen. „Da war man schon dankbar, dass man in der Gemeinschaftsanlage Obst, Gemüse, Fleisch oder Kuchen einfrieren konnte.“ Zumal die Landwirte auch in einem eigenen Kühlraum Schweine aushängen, zerteilen und dann einfrieren konnten. „Ich bin traurig, dass sie nun nicht mehr funktioniert“, erzählte die 77-jährige Inge Thein, die die Gefriermöglichkeit von 1961 bis heute nicht nur privat, sondern auch für das „Gasthaus Thein“, das sie mit ihrem Mann Karl bis 1988 führte, nutzte. Auch wenn sie in den 1980er Jahren eine private Gefriertruhe bekam. Auch die 78 Jahre alte Dora Ort wird die Anlage vermissen, in der sie sie seit ihrer Hochzeit 1964 mit Manfred Ort, dem Sohn des damaligen Vorsitzenden der Frostfachgemeinschaft, Otto Ort, Fleisch und vieles mehr aufbewahrte. Sie hat sogar erst 2018 eine private Gefriertruhe erworben. „Früher haben die Bauern, wie auch mein Mann, etwa dreimal im Jahr geschlachtet. Da war es schön, die Schweine dort reinhängen und das Fleisch anschließend lagern zu können“, sagte sie.
Wie der heutige Vorsitzende Matthias Thein erzählte, wurde die Frostfachgemeinschaft am 30. März 1956 von 18 Männern gegründet. Mit 9:5 Stimmen beschlossen sie, eine Anlage von der Firma Frigidaire aus Würzburg zu erwerben. Laut dem Kassenbuch von Gregor Voit betrugen die Kosten für die Gefrieranlage 12 000 DM, während das Gebäude, das neben der Schule errichtet wurde, 6000 DM kostete. Finanziert wurden die Summen zum einen von den Gründungsmitgliedern, die für jeweils eines der 18 Gefrierfächer 250 DM zahlen mussten. Zum anderen erhielt man einen Zuschuss von der Landesbodenkreditanstalt in Höhe von 1500 DM und nahm zwei Kredite mit einer Gesamtsumme von 12 000 DM auf. Das Grundstück gehörte der Gemeinde Steinsfeld, heute Gemeinde Wonfurt. Darauf stand früher einmal das Armenhaus der Gemeinde, das bis 1930 bewohnt war und später eingelegt wurde. Darauf wollte die Raiffeisenkasse eine Mostkelterei mit Lagerhalle für Steinsfeld errichten. Bei einer Versammlung in der Gastwirtschaft Thein stimmten die Mitglieder jedoch dagegen. So konnte 1956 die Gemeinschaftskühlanlage dort errichtet werden. Den Vorsitz der Gemeinschaft hatten Otto Ort (1956 bis 1974) und Albert Werner (1974 bis 2001) inne. Seitdem ist Matthias Thein der Vorsitzende. Als Hausmeister fungierte ab der Gründung für mehrere Jahrzehnte Siegmund Henneberger.
Bis zuletzt in Betrieb
Nutzten zunächst die Gründungsmitglieder die 18 Gefrierfächer, so wechselten im Lauf der Jahrzehnte die „Besitzer“ mehrfach. Bis zuletzt waren alle Fächer in Betrieb. So hatten unter anderem die Sportfreunde ein Fach, während Ilse Werner vom Spargelhof Werner fünf Fächer für ihre Direktvermarktung nutzte.
Wie Inge Thein und Dora Ort erzählten, wurde die Anlage einmal im Jahr abgetaut, gewartet und gereinigt. „Anfangs ging der Gemeindediener mit der Schelle durch das Dorf und rief die Mitglieder auf, bis zu einer gewissen Zeit die Fächer zu leeren“, sagte Matthias Thein. „Später wurden dann Zettel verteilt.“ Zum Abtauen kam in der ersten Zeit immer ein Fachmann aus Würzburg, der mit Heizstrahlern das Eis auftaute. Die Eisbrocken wurden dann mit Eimern nach draußen getragen. Nicht nur beim Abtauen wurde das Gebäude innen geputzt, sondern in der Regel alle ein bis zwei Wochen. Weil die Anlage wirtschaftlich war, war sie sehr beliebt. Da auch die Fächer für das Dorf nicht ausreichten, wurde etwa zehn Jahre nach dem Bau noch eine zweite Anlage angebaut. Sie war aber von schlechterer Qualität und lief nur rund 20 Jahre.
„Für uns alle war die Anlage super“, so Matthias Thein. „Denn gerade bei Notschlachtungen von Bullen oder Schweinen konnte bei Bedarf der Kühlraum eingeschaltet werden.“ Immerhin wurden bis in die 1970er Jahre pro Jahr rund 40 bis 50 Schweine geschlachtet. Zum Beispiel auch bei Hochzeiten, Kommunion- oder Geburtstagsfeiern. „Denn wir wollten ja unser eigenes Fleisch essen“, so Dora Ort. Inge Thein wiederum kann sich erinnern, dass etwa bis 1975 für die Kirchweih in der Gastwirtschaft Thein immer eine Sau geschlachtet wurde. Wie sie berichtete, kamen am Montag-, Mittwoch- und Samstagabend immer die Frauen zur Anlage, um das eingefrorene Fleisch von Schweinen, Rindern, Hasen oder Hühnern zu holen und für den nächsten Tag aufzutauen. „Denn Montags, Mittwochs und Freitags wurde kein Fleisch gegessen.“ So ein „normales“ Gefrierfach hatte ein Fassungsvermögen von rund 320 Litern, während die vier Eckfächer etwas größer waren und 450 Liter fassten. Die Stromkosten lagen letztes Jahr bei 76 Euro pro Fach. „Wenn die Anlage jetzt abgebaut wird, würden die Vereine das Gebäude gerne als Unterstellhalle nutzen“, berichtete Matthias Thein und hofft, dass die Gemeinde Wonfurt dem zustimmt.
Die Gründungsmitglieder der Frostfachgemeinschaft waren: Otto Ort, Edmund Heilmann, Ludwig Heilmann, Albert Werner, Friedrich Englert, Gregor Meisner, Theodor Werner, Abdon Hept, Ludwig Voit, Ludwig Wagenhäuser, Theo Krampert, Dr. Alfred Eller, Gottfried Markert, Franz Öchsner, August Mahr, Franz Eller, Siegmund Henneberger und Franz Thein.