
Obwohl das Blut in Strömen fließt, herrscht eine heitere Stimmung. Für die Helfer ist es ein guter Tag: 98 Spender, darunter elf Erstspender, sind zum Termin des Blutspendedienstes des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) in die Schule nach Aidhausen gekommen. 2014 waren es in Aidhausen pro Termin durchschnittlich 56,5 Spender.
„Heute ist bestes Blutspendewetter“, sagt Jürgen Sieber, „nicht zu heiß – also kein Schwimmbad.“ Noch besser sei es, wenn es regnet. Da falle dann auch die Gartenarbeit aus. „Sommerzeit ist Reisezeit“, da werde mehr Blut gebraucht, gleichzeitig stünde aber weniger als sonst zur Verfügung. „Viele kommen nicht zum Spenden, weil sie in Urlaub sind“, sagt Sieber. Reiste man außerhalb Europas, wird man anschließend für sechs Monate gesperrt, „um die Infektionsgefahr zu verringern“. Und auch frische Tätowierungen ziehen sechs Monate Spendepause nach sich.
Der Leiter der Rettungswache Hofheim, der den Blutspendedienst wie alle anderen Helfer ehrenamtlich leistet, registriert die ankommenden Spender und händigt ihnen Infoblätter und Fragebögen aus. Die müssen vor dem Gang zum Arzt ausgefüllt werden. An den Tischen herrscht gerade Andrang und großes Hallo. Eine Gruppe junger Männer wundert sich, was alles abgefragt wird. Zehn Fußballer der ersten Mannschaft des TSV Aidhausen sind zum ersten Mal beim Spenden. „Dafür ist heute sogar das Training ausgefallen“, erklären Jonas Burger und Maximilian Schirmer. Die Achtzehnjährigen finden das gut, sie wollen anderen Menschen mit ihrer Spende helfen.
15 000 Blutspenden werden täglich in Deutschland benötigt, etwa 2000 davon in Bayern. 94 Prozent der in Deutschland lebenden Bevölkerung hält Blutspenden für wichtig, doch nur 60 Prozent der Befragten würde auch Blutspenden gehen. Tatsächlich spenden aber nur 3,5 Prozent die wertvolle Körperflüssigkeit. Das Vollblut werde in rote Blutkörperchen (Erythrozyten), Blutplättchen (Thrombozyten) oder Plasma getrennt, erläutert Gebietsreferentin Martina Kern. Eine Blutspende könne bis zu drei Leben retten. Zum Einsatz kommt sie unter anderem bei der Behandlung von Krebspatienten oder Herz-, Magen- und Darmkrankheiten, bei Transplantationen und bei Sport- und Verkehrsunfällen.
Der Blutspendedienst des BRK wurde 1953 vom Bayerischen Roten Kreuz mit dem Auftrag gegründet, die Versorgung mit Blutprodukten in Bayern sicherzustellen. „Momentan funktioniert es mit der Blutversorgung noch relativ gut“, sagt Kern. Doch in zehn bis fünfzehn Jahren werde auch hier der demografische Wandel zu spüren sein. In den Haßbergen rechne man laut einer Prognose bis zum Jahr 2031 mit zwölf Prozent weniger Spenden. Um den Spendenrückgang aufzufangen und vor allem neue Spender zu finden, gehe man verstärkt auf Firmen, Vereine und Schulen zu.
In Aidhausen mangelt es an diesem Abend nicht an Spendewilligen. Nach dem Besuch beim Arzt mit Blutdruck-, Puls- und Fiebermessen, Erläuterungen und Durchgehen des ausgefüllten Fragebogens, heißt es vor der Turnhalle auf eine freie Liege warten. Im Entnahmeraum ist ein professionelles Team vom Blutspendedienst in Wiesentheid im Einsatz. Ruhig und routiniert geht es hier zu: Plätze zuweisen, „Lieber rechter oder linker Arm?“, Nadel legen, erklären, kümmern. In fünf bis zehn Minuten sind 490 Milliliter Blut in den Beutel gelaufen. Kurz noch ausruhen, dabei einen Becher Vitaminsaft leeren und dann ab zum Auftanken.
In der Küche steht Manuela Bock mit ihrem Helferteam bereit und sorgt dafür, dass alle gestärkt nach Hause kommen. Solch gute Bewirtung wünscht sich wohl mancher Gast in dem ein oder anderen Gastronomiebetrieb. Wurstsalat, Käseplatte, Nusskuchen, Obstsalat – aufmerksam wuseln die Helferinnen durch den Raum, bedienen, räumen ab, erfüllen Getränkewünsche. Man kennt sich, wechselt hier ein paar Worte, erkundigt sich dort nach dem Befinden.
Die Damen sind mit Feuereifer dabei, die Freude an der Arbeit steht ihnen ins Gesicht geschrieben. „Die habe ich mir alle aus meinem Freundes- und Familienkreis gesucht“, sagt Manuela Bock. Vor kurzem wurde die Kerbfelderin beim Internationalen Weltblutspendertag in Berlin, zusammen mit 64 weiteren Blutspendern und Helfern, für ihr Engagement geehrt. „Das war stellvertretend für alle Ehrenamtlichen“, wehrt Bock ab. „Wir haben tatsächlich keinen Einfluss darauf, wer eingeladen wird“, bestätigt Bereitschaftsleiterin Anne Grimmer, „die Einladungen werden aus den Helferlisten ausgelost, die wir nach Berlin schicken.“
Ein gutes Helferteam vor Ort sei enorm wichtig, da haben sich alle im Kreisverband Haßberge ein großes Lob verdient, darin sind sich Jürgen Sieber und Anne Grimmer einig. In den Dörfern sei der Blutspendetermin ein gesellschaftliches Ereignis. Die Helfer sind nah dran an den Spendern, erinnern an Termine und werden oft schon vorher danach gefragt, was es zu essen gebe. „Da sind die Damen sehr kreativ“, schwärmt Sieber. Doch egal, ob Wurstsalat, Kartoffeln und Hering, Gulaschsuppe oder gebackener Camembert – stets achte man auf qualitativ hochwertige Produkte aus der Region.
An einem Tisch in der Aidhäuser Schulküche lassen es sich vier altgediente Blutspender schmecken. Rund 185 Liter Blut haben Oskar (61-mal) und Gabriele (50-mal) Schüssler, Hilde Schneider (123-mal) und Klaus Eiring (145-mal) zusammen bereits gespendet. „Für eine Frau sind 123-mal viel“, sagt Hilde Schneider stolz, „aber ich war nicht oft krank, hatte keine Operationen und war auch nicht im Ausland.“ Ihr Körper brauche den Aderlass regelrecht alle Vierteljahr, „es tut mir richtig gut.“
Blut spenden kann jeder gesunde Mensch zwischen 18 und 72 Jahren. Während Männer sechsmal innerhalb von zwölf Monaten spenden können, ist es bei Frauen auf viermal beschränkt. Zwischen zwei Spenden muss ein Abstand von mindestens 56 Tagen liegen. Man habe durch die Ermittlung der Laborwerte eine gesundheitliche Kontrolle, nennt Klaus Eiring einen der Gründe für seine Spenden. 200 Mal strebe er an, sagt der Happertshäuser. Und natürlich wollen alle, die zum Spenden kommen, anderen Menschen damit helfen. „Man könnte ja auch selbst mal in die Situation kommen“, bringt es Oskar Schüssler auf den Punkt. Das ist gar nicht so unwahrscheinlich: Jeder dritte Bundesbürger ist mindestens einmal im Leben auf das Blut anderer angewiesen.
Fleißige Spender wie diese vier tragen dazu bei, dass der Kreisverband Haßberge die Nase vorn hat: Seit 32 Jahren belegt er ununterbrochen auf der Liste der 73 Kreisverbände im Freistaat Bayern den ersten Platz. 15,22 Prozent der spendenfähigen Bevölkerung lässt das Blut fließen. Das sind doppelt so viele Spender wie im bayernweiten Durchschnitt von 7,30 Prozent. Oder gar fünfmal so viel wie bei den Fürthern, die mit 2,85 Prozent eher zurückhaltend sind, was die Abgabe ihres Blutes betrifft.
Zum Dank für den „ganz besonderen Saft“ darf sich zum Schluss noch jeder Spender am Präsentetisch bedienen. „Nudeln, Bier, Wein, Honig und Wurst aus der Region sind der absolute Renner“, freut sich Sieber.