In keinem anderen Land ist die Tradition für den natürlichen Weihnachtsbaum zum Fest so ausgeprägt wie in Deutschland. Rund 29 Millionen dieser Bäume werden in den Haushalten aufgestellt. Bevor so ein schöner Weihnachtsbaum aber geschlagen werden kann, müssen viele Stunden an Arbeitsaufwand und Handarbeit investiert werden. Denn die meisten Kunden wünschen sich ihren Baum mit regelmäßigen Rundungen, einer schlanken Form, dicht gewachsen und in tiefgrüner Farbe. Was alles passieren muss, damit aus Tanne, Fichte oder Kiefer dieser perfekte Christbaum wird, haben wir Alexander Käb gefragt. Der Rudendorfer ist hauptberuflich Chemielaborant, nebenbei aber auch einer der größten Christbaumproduzenten im Landkreis Haßberge.
Die Bäume wachsen bei ihm auf einer Fläche von rund zehn Hektar auf verschiedenen Standorten in der Umgebung von Rudendorf im Lautertal, einem Gemeindeteil von Ebelsbach. Alexander Käb ist seit frühester Jugend sehr eng mit der Natur verbunden, wie er im Gespräch erzählt. Sein Vater Siegfried betrieb neben einem Gasthof auch Land- und Forstwirtschaft inklusive einer kleinen Christbaumkultur. In diese Fußstapfen trat Sohn Alexander. Er übernahm den Betrieb mit dem Ziel, die kleine Kultur so weit auszubauen, dass sie zu seinem Beruf werden könnte.
Sieben bis neun Jahre Pflege
Was der Christbaumzüchter gleich mal klar stellt: Es reicht nicht, einen kleinen Setzling anzupflanzen und dann ein paar Jahre darauf zu warten, dass das zarte Pflänzchen zu einem stattlichen Baum heranwächst. „Christbaumkulturen brauchen das ganze Jahr über Hege und Pflege. Ich muss jeden Baum während des Jahres sechs bis achtmal anlaufen und das sieben bis neun Jahre lang, um ihn in Form zu bringen und zu schauen, dass er schön wächst. Aber das macht dann auch seinen Wert aus“, sagt der Fachmann beim Rundgang durch die Kultur.
Durch regelmäßiges Herauszwicken der äußersten Triebe werde der Wuchs der Seitentriebe reguliert. Dadurch erreicht Alexander Käb, dass der Baum eine regelmäßige Rundung erhält. Die ersten vier Jahre nach dem Anpflanzen wachsen die Bäumchen nur langsam, erklärt er. Aber ab dem fünften Jahr schießt der neue Gipfeltrieb - genannt Terminaltrieb - weit über 60 Zentimeter in die Höhe, wenn man nicht eingreift, gerade bei der beliebten Nordmanntanne.
Beliebt sind Alexander Käbs Bäume auch in der Vogelwelt. Der Rudendorfer zeigt unserem Reporter Vogelnester in den Bäumen und spricht in diesem Zusammenhang von einem richtigen Vogelreservat. Amsel, Drossel, Fink und Star bauen in der Plantage nicht nur Nester, sondern sie setzen sich gerne auf die wertvolle und empfindliche Triebspitze, die dann schon mal abbricht. Mit einer solch abgebrochenen Spitze sind aber die Weihnachtsbäume minderwertig. Doch Alexander Käb weiß sich zu helfen: "Ich klemme an die Spitze der Bäume Sitzmöglichkeiten für die Vögel, den sogenannten Vogelstab."
Die gute Pflege seiner Bäume ist also für den Christbaumproduzenten das A und O. „Wenn man die Bestände nicht pflegt, entspricht nur die Hälfte der Bäume den geforderten Qualitäten“, erklärt Alexander Käb. Wobei die beste Pflege freilich wenig hilft, wenn das Wetter nicht mitspielt. Da geht es dem Weihnachtsbaumzüchter ähnlich wie Landwirten und Winzern. „Die Frostnacht am 12. Mai hat bei mir einige Kulturen erreicht. Dort habe ich einen Ausfall von 60 bis 70 Prozent. Da gibt es kein Wachstum mehr", ärgert sich Alexander Käb und zeigt, wie der Frost an einige Bäumen dafür gesorgt hat, dass sich die Seitentriebe verformt haben. Das sei dann kaum zu reparieren.
Chemie nur im Notfall
Auch der punktuelle Einsatz von chemischen Mitteln gegen Läuse, Milben oder Pilzkrankheiten hilft, dabei, die Bäume schönstmöglich wachsen zu lassen. Doch durch die intensive Begutachtung des Bestands das ganze Jahr über gelinge es, solche Krankheiten frühzeitig zu erkennen und einzudämmen. Auch der sogenannte „Stumpfschnitt“, bei dem die unteren Äste, die sonst den Boden berühren entfernt werden, sorgt für gesundes Wachtum. Dadurch kann die Luft besser zirkulieren.
Aber sollte es nicht auch möglich sein, für Bäume mit gespaltener Krone oder ungeradem Wuchs einen Abnehmer zu finden? Alexander Käb lächelt: "Das ist äußerst selten und eher die Ausnahme von der Regel. Achtzig Prozent der Leute steuern auf den Baum der Klasse 1a zu, der gerade und gut geformt ist, ein volles Astwerk hat und auch die entsprechende Farbintensivität mitbringt." Bäume, die diesem Ideal nicht entsprechen, bekomme der Plantagenbetreiber nur mit ordentlichen Preisabschlägen an die Frau oder den Mann.
Wenn die Kunden dann kommen, in den Wochen vor dem Weihnachtsfest, bedeutet das für den Christbaumproduzenten besonderen Stress. Die Bäume werden schon in der Kultur selektiert und mit farbigen Etiketten gekennzeichnet, die etwas über die Qualität aussagen. Dann kommen die Tannen, Fichten und Kiefern in Käbs Hof in Rudendorf. Von dort aus beliefert er derzeit die Verkaufsstände in Ebelsbach, Ebern, Hofheim, Wonfurt und auch in Baunach und Euerbach. „Wir liefern unsere Bäume direkt an den Endkunden. Leider können wir in diesem Jahr wegen Corona keine Weihnachtsmärkte bedienen. Das schmälert auch ein wenig den Umsatz“, sagt Alexander Käb.
Die Nordmanntanne ist der Favorit
Verkaufsschlager ist die Nordmanntanne mit ihren weichen, dicken Nadeln. Sie macht 90 Prozent aller verkauften Bäume des Rudendorfers aus. Mutige Zeitgenossen kaufen aber auch mal eine Blaufichte. Deren Nadeln sind vergleichsweise hart und spitz, doch ihre außergewöhnliche bläuliche Färbung tröstet über die Schmerzen weg, die der Käufer beim Schmücken ertragen muss. Ein Exot ist dagegen die langnadelige Kiefer. Höchstens zehn Exemplare davon wurden dieses Jahr bei Alexander Käb angefordert. Einige große Bäume aus seiner Plantage finden dieses Jahr auch einen Platz in Kirchen und auf öffentlichen Plätzen.
Lagern und nicht anspitzen
Hat der Fachmann auch ein paar Tipps im Umgang mit dem neu erworbenen Christbaum? "Es ist auf jeden Fall gut, wenn die Bäume nach dem Schlagen noch etwas gelagert werden können, bevor sie ihren Platz im Wohnzimmer finden", erklärt Alexander Käb. So können Gase und Chlorophyll entweichen. Auch sei es besser, den Baum beim Kürzen nicht anzuspitzen, sondern Scheiben abzusägen. Das hält den Baum länger frisch, weil er zwischen Rinde und Holz das Wasser besser aufnehmen kann. Wer diese Tipps beherzigt, hat viel Freude mit seinem Christbaum weit über das Weihnachtsfest hinaus.