Wie gelang es, dass Fatschenbrunn vom „ärmsten Dorf im Steigerwald“ zu einem attraktiven Wohnort für junge Leute wurde und dabei seine kulturellen Besonderheiten wie die Hutzel- und Baumfelderkultur wahrte?“ Diese Frage führte Dr. Lingyan Qian und Dr. Ing Wie Jiang mit einer Delegation der Tongji Universität in China am Mittwoch nach Oberaurach. Bürgermeister Thomas Sechser hat schon viele Gäste begrüßt, aber dass sich chinesische Wissenschaftler für die Dorfentwicklung in seiner Gemeinde interessierten, erstaunte ihn doch.
Die beiden Wissenschaftlerinnen Quian und Jiang gehören zur Stadtplanungsfakultät ihrer Universität und befinden sich auf einer Forschungsreise durch Deutschland. In China sei die Urbanisierung sehr rasant fortgeschritten, erzählte Wei Jiang, die einige Jahre in Deutschland studierte und daher auch als Dolmetscherin fungierte. Auch in Deutschland habe es eine starke Urbanisierung gegeben, aber während die Dörfer in China extrem abgehängt wurden, sei es in Deutschland gelungen, auch den ländlichen Raum lebenswert zu erhalten. Von der Lebensqualität in Fatschenbrunn waren die Gäste extrem beeindruckt. „Wir wollen in China mehr tun für die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse“, erklärten sie, deshalb seien sie nicht nur in Deutschland, sondern auch in Italien, in Korea, aber auch im Entwicklungsland Indien unterwegs.
Die Dorfentwicklung war es, die in Fatschenbrunn das Bewusstsein für das Dorf, die Gemeinschaft und die Besonderheiten schärfte, darin sind sich Franz Hümmer und Reiner Väth vom Amt für ländliche Entwicklung einig. Viel Überzeugungsarbeit des damaligen Bürgermeisters sei nötig gewesen, erinnerten sich beide, bis die Mehrheit der Fatschenbrunner der Flurbereinigung und Dorferneuerung zustimmte. In den Foren der Teilnehmergemeinschaft habe man sich dann Gedanken gemacht um die Zukunft des Dorfes, aber auch über die Tradition. Dabei wurde deutlich, dass es neben Franz Hümmer damals nur noch eine einzige Familie gab, die die Tradition der Hutzeln wahrte. Universitäten wurden aufmerksam auf die Besonderheiten der Fatschenbrunner Flur, vor allem die Reste der Baumfelderkultur und auf die uralten Birnbäume, wie Prof. Andreas Dix von der Otto-Friedrich-Universität Bamberg erläuterte. So entstanden verschiedene Forschungsprojekte, unter anderem das Erhaltungsprogramm für die seltenen, teils ortstypischen Birnbäume.
„Viele dieser Birnbäume vergreisen schon sichtbar. In 25 Jahren sind sie womöglich alle verschwunden“, erklärte Reiner Väth. So beauftragte das Amt für ländliche Entwicklung zunächst eine Botanikerin mit der Bestandsaufnahme und Bestimmung. Dann wurden von 100 Bäumen Edelreiser geschnitten und eine Baumschule mit der Nachzucht beauftragt. Vor drei Jahren ist das passiert, im kommenden Herbst werden diese Bäume wohl gepflanzt werden können.
Die Birnbäume sind Teil der Baufelderkultur, die Professor Dix interessieren. Hier geht es um historische Geografie. Um die Frage, wie man heute mit historischen Kulturlandschaften umgeht. Fatschenbrunn sei ein gutes Beispiel für die vielfältigen Möglichkeiten staatlicher Förderung, so Reiner Väth, denn auch ein archäologisches Projekt wurde hier gestartet.
Und Fatschenbrunn ist auch ein Musterbeispiel dafür, wie eine Dorferneuerungsmaßnahme ein Dorf auch sozial revitalisieren kann. Die Dorfgemeinschaft in Fatschenbrunn sei heute mustergültig, lobte Bürgermeister Thomas Sechser, für junge Fatschenbrunner gebe es nach Ausbildung oder Studium nur einen Weg: zurück nach Fatschenbrunn.
Viele Fragen hatten die chinesischen Wissenschaftlerinnen, vor allem zur Zusammenarbeit zwischen Behörden, Gemeinde und Bevölkerung und dazu, wie man Dorfgemeinschaften zu solchen Entwicklungen motiviert.