Es ist ein dunkles Kapitel der Geschichte Asiens, als mit dem Tian’anmen-Massaker der chinesische Volksaufstand niedergeschlagen wurde. Ausgehend von den Reformbestrebungen in der Sowjetunion und Osteuropa demonstrierten über Wochen vor allem Studenten für ein demokratischeres China. Gewaltvoll setzte das Regime den Protesten am 4. Juni 1989 auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking ein Ende. Mit Schnellfeuerwaffen und Panzern schoss das Militär auf die Menge. Das rote Kreuz sprach hinterher von 2600 Toten und 7000 Verletzten.
Unmittelbar nach dem Massaker veröffentlichte Liao Yiwu, einer der bekanntesten jungen Dichter der 80er Jahre in China, sein Gedicht „Das Massaker“. Mittels Metaphern und sarkastischen Befehlen verarbeitete Yiwu den Schrecken vom Platz des Himmlischen Friedens. Innerhalb kürzester Zeit verbreitete sich die Protest-Prosa im Untergrund und wurde von ausländischen Radiostationen ausgestrahlt. Wegen „Verbreitung konterrevolutionärer Propaganda mit ausländischer Hilfe“ wurde der damals 31-jährige zu vier Jahren Haft verurteilt sowie ein Publikationsverbot gegen ihn verhängt. Trotz internationalen Druck musste Yiwu seine Strafe nahezu vollständig absitzen und wurde mehrfach gefoltert. Nach der Entlassung war es dem Widerstandskämpfer aufgrund seiner politischen Verfolgung nicht möglich eine geregelte Arbeit anzunehmen.
„Die Herzen der Menschen schlagen gemeinsam, deswegen wissen wir alle,
was wir tun sollen.“
Als Straßenmusiker und Gelegenheitsarbeiter verdiente Laio Yiwu seinen Lebensunterhalt. Eine Zeit, in der er das Buch „Gespräche mit Menschen vom Bodensatz der Gesellschaft“ schrieb. Eine Niederschrift von Gesprächen mit sozial Ausgestoßenen. Wurde das Buch zwar in der Volksrepublik sofort indiziert, lobten Kritiker das Werk als „historische Dokumentation des heutigen Chinas“ und die Menschenrechtsorganisation Human Right Watch verlieh ihm den Hellmann-Hammett-Grant-Preis. Obwohl sich zahlreiche Politiker, darunter auch Angela Merkel, für seine Ausreise einsetzten, verhinderte die chinesische Regierung immer wieder seine Teilnahme an Literaturfestivals, wie der Frankfurter Buchmesse 2009 oder der Lit.Cologne 2010.
Stattdessen verhängte die Regierung ein Verbot, dass Liao Yiwu seine Werke im Ausland nicht vortragen dürfe. Über Vietnam gelang dem Dichter schließlich 2011 die Flucht nach Deutschland, wo er seitdem in Berlin lebt. Hier angekommen erhielt er für sein Lebenswerk unter anderem den Geschwister-Scholl-Preis und den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.
Im Rahmen des heutigen stattfindenden 55. Jahrestag der tibetanischen Widerstandsbewegung kam der Dissident auf Einladung der Tibet-Initiative Bamberg am Samstag in die Domstadt. Unter der Kampagne „Flagge zeigen für Tibet“ wird in der Stadt Bamberg heute an allen öffentlichen Gebäuden die tibetanische Flagge gehisst sein. Trotz eines Interventionsschreiben der chinesischen Botschaft entschied sich Oberbürgermeister Starke an der Aktion festzuhalten. Im Rokoko-Saal des Alten Rathauses empfing er zusammen mit dem Vorsitzenden der Tibetanischen Initiave Bamberg Wolfgang Grader Liao Yiwu. Nachdem dieser sich ins Goldene Buch der Stadt eintragen durfte, bezeichnete ihn Starke als einen „mutigen Mann“, der sich trotz seiner chinesischen Herkunft für die tibetanischen Rechte kämpfe.
Liao Yiwu bemerkte in seiner Dankesrede, dass sich zwar die politischen Verhältnisse weltweit in den letzten 25 Jahren verbessert haben, aber die Gesellschaft sich noch nicht genug weiterentwickelt habe. Mit den Worten „Die Herzen der Menschen schlagen gemeinsam, deswegen wissen wir alle was wir tun sollen“, verabschiedete sich Liao Yiwu in die Buchhandlung Hübscher, wo er eine Lesung seiner viel beachteten Werke hielt.
Die Regionalgruppe Bamberg der Tibet Initiative Deutschland trifft sich unter der Leitung von Wolfgang Grader jeden dritten Mittwoch im Monat um 19.30 Uhr in der evangelischen Studentengemeinde am Markusplatz 1 in Bamberg. Informationen unter www.tibet-bamberg.de.