Für die einen ist er eine besondere Form der Wertschätzung, für die anderen das Relikt eines längst überholten Rollenbildes: Die Meinungen zum Muttertag, der in Deutschland in diesem Jahr zum hundertsten Mal gefeiert wird, gehen auseinander. Was aber sagen Frauen aus dem Landkreis Haßberg dazu? Wir haben sechs von ihnen gefragt:
1. Cornelia Winterstein-Bötsch, Eltmann: Hin- und Hergerissen
Sie sei sehr im Zweifel, was sie von diesem Tag halten soll, erklärt Winterstein-Bötsch. Von "nur Kommerz" bis "wirklich schön, dass der Mütter gedacht wird", hätte sie viele Gedanken dazu: "Eigentlich überflüssig und dann aber doch traurig, wenn die Kinder nicht zu Besuch kommen. Den Kindern keinen Druck machen wollen, sie haben ja selbst Familie, dann aber auch, ein Tag im Jahr, an dem man seine Mama ja auch mal verwöhnen könnte."
Winterstein-Bötsch fragt sich: "Welchen Wert hat ein 'verordneter' Blumenstrauß oder sonstiges Geschenk?" Sie wisse es einfach nicht. Der Tag wecke Erwartungen auf der einen Seite und mache Druck auf der anderen Seite. "Wenn ich daran denke, wie es war, als meine Kinder noch klein waren: Ich selbst noch eine Mutter hatte, eine Schwiegermutter, den Spagat zu schaffen, allen gerecht zu werden." Das wäre eigentlich ein "Angsttag" gewesen, dies möchte sie ihren Kindern nicht antun. "Wie gesagt, ich bin sehr zerrissen bei diesem Thema!".
2. Parisa Herawi, 40, Sand: Ein Tag zum Feiern
Herawi kam vor rund acht Jahren aus Afghanistan nach Deutschland. Über ihren älteren Sohn, der in den Kindergarten ging, habe sie mitbekommen, wie die Kleinen für die Mütter etwas basteln. Dies hätte an die Gepflogenheit in ihrer alten Heimat angeknüpft, wo das Fest auch sehr groß gefeiert wurde, jedoch mit einem dem Unterschied zu hier, dass dort Mutter und Vater gleichermaßen und am gleichen Tag geehrt werden: "Beide Elternteile bringen sich gleichwertig in das Familienleben ein, sie teilen sich ja auch die Sorge um ihre Kinder."
Die Tradition des Feierns dieses Tages habe sich für ihre Familie in Deutschland fortgesetzt: Die Familie treffe sich mit Freundinnen und Freunden, es dürften schon einhundert Personen sein, am Spielplatz. Es wird gegrillt, gespielt, gefeiert. Auch auf den kommenden Sonntag freue sie sich schon entsprechend.
3. Edith Gerhart, 65, Theres: Elterntag statt Muttertag
"In meiner Jugend gab es eine Aufgabentrennung", blickt Gerhart zurück. "Männer arbeiteten ganztags und kümmerten sich nicht um Kinder und Haushalt. Das erledigten die Frauen, die dafür weder Gehalt bezogen noch in die Sozialkasse einbezahlten." Der Muttertag sei eingeführt worden, um sie für ihre ehrenamtliche Tätigkeit zu würdigen. "Die Frauen, die zusätzlich arbeiteten, erhielten weniger Lohn als ihre Männer und hatten darüber hinaus, durch die Nutzung der Steuerklasse 5, einen wesentlich höheren prozentualen Steuerabzug als diese." Theoretisch wäre das gesamte Familiengehalt natürlich beiden zugestanden, "aber nach meiner Erfahrung sah die Praxis anders aus".
Heutzutage habe sich dies geändert. "Ich kenne sehr viele junge Paare, die gleichwertig berufstätig sind, sich zu gleichen Teilen um ihre Kinder kümmern und den Haushalt erledigen." Die Tradition, beobachte sie, habe sich geändert. "Und deshalb finde ich, dass man einerseits den Muttertag in 'Elterntag' umbenennen und andererseits die nicht mehr zeitgemäße Steuerklasse 5 abschaffen sollte."
4. Helene Rümer, 71, Prappach: Gönnerhaft statt Gleichberechtigung
Rümer erklärt, dass sie ein Problem mit der Festlichkeit habe. Wenn die Mutter schon geehrt werde, dann doch bitte das ganze Jahr über. Die Geschichte des Muttertags sei seit seiner Entstehung sehr wechselvoll gewesen, von verschiedenen Gruppen für ihre eigene Sache besetzt: "Am schlimmsten bei Hitler, er wollte, dass viele Soldaten geboren werden und blauäugige Mütter."
Heute habe sich besonders der Kommerz des Muttertages bemächtigt. "Wo es doch gut wäre, über die Rolle der Mütter in der Gesellschaft nachzudenken, gerechte Aufteilung von Kinderbetreuung und Beruf zwischen den Partnern, und ob wir damit schon weit genug gediehen sind." Kinderplätze würden fehlen, "in der Praxis sieht es so aus, dass es ohne Großeltern nicht geht". Der Muttertag sei "gönnerhaft statt Gleichberechtigung", er sollte durch mehr Familienfreundlichkeit ersetzt werden. Früher hätten sich die Kinder klar Gedanken gemacht, was sie ihr zum Muttertag schenken, doch mittlerweile habe sich ihr größter Wunsch durchgesetzt: "Ich möchte keine Präsente mehr".
5. Ingrid Thieler, 68, Wülflingen: Zeit als schönstes Geschenk
"Es ist gut, dass es diesen Tag gibt, aber das sollte nicht in einen Konsumwahn ausarten", sagt Thieler. Geschenke wolle sie keine, "das sind nur Staubfänger". Aber sie freue sich, wenn die Kinder zum Kaffee trinken kämen. "Zeit ist das schönste Geschenk". Und sie sei glücklich darüber, dass in ihrer Familie der Muttertag einen sehr hohen Stellenwert habe, wie Geburtstag, Weihnachten und Ostern auch. "Das sind so Auslöser, wo sich die Kinder Zeit nehmen", was schon beachtenswert sei, den diese würden sie sich "aus den Rippen schneiden" .
Ein Sohn käme aus Österreich angereist, ein anderer aus Erlangen. Und weil der Termin stets feststeht, sei es auch recht einfach, diesen bei den langfristigen Planungen zu berücksichtigen. Das einzige Fragezeichen seien sie und ihr Mann selbst, denn: "Wenn das Wetter mitspielt, sind wir mit dem Wohnmobil unterwegs."
6. Desiree Seufert, 38, Karl Gerrit, 44, Haßfurt: Ein besonderer Tag
"Es ist ein besonderer Tag", schwärmt Seufert auf den Muttertag angesprochen, und ihr Begleiter nickt wohlweislich dazu. "Mir geht es nicht um die Geschenke, sondern weil an diesem Tag die Frau so richtig wertgeschätzt wird." Dass die Arbeit als Mutter ein vierundzwanzig-sieben-Job sei, werde oft vergessen, erzählt Seufert. Sie habe zwei Töchter, 15 Jahre und sieben Wochen alt, und vom Partner würde ihre Arbeit gewürdigt, von der Gesellschaft jedoch nicht.
Was an Muttertag auf sie zukommt, wisse sie nicht. Doch dass gewisse Vorbereitungen im Gange seinen, habe sie mitbekommen. Die große Tochter und ihr Partner hätten sicherlich schon einen Plan. Sie freue sich über Frühstück am Bett genauso wie über einen großen Blumenstrauß, und ergänzt die Aussage mit Blick auf Karl: "Oder Beides, weil sich das ja nicht widerspricht." Ihrer eigenen Mutter will sie im Nachhinein einen Blumenstrauß überreichen.