„Viele örtliche Projekte müssen ineinandergreifen, auskömmliche Löhne und eine Reform der Rentenversicherung: All das ist nötig, um heutige Altersarmut zu mindern und künftige Altersarmut zu verhindern“, so MdL Hans-Jürgen Fahn zum Auftakt eines parlamentarischen Nachmittags der Freien Wähler zum Thema „Altersarmut im reichen Bayern – das darf es nicht geben“ im Bayerischen Landtag. Dort stellte auch Aidhausens Bürgermeister Dieter Möhring verschiedene Ansätze seiner Gemeinde vor.
Professor Gerhard Naegele definierte zunächst, was Armut im Alter bedeutet. Unter den aktuellen Rentenbeziehern seien die allermeisten nicht ausschließlich auf die gesetzliche Rente angewiesen. Derzeit sei das Armutsrisiko für Alleinerziehende, kinderreiche Familien und Migranten deutlich höher als bei den Rentnern, von denen drei Prozent Grundsicherung beziehen. Allerdings gebe es auch eine nicht unerhebliche Dunkelziffer.
Wer aktuell zum Mindestlohn beschäftigt sei, immer nur Projektverträge mit entsprechenden Pausen habe, oder aus gesundheitlichen Gründen, für Kinder oder Pflege längere Zeit aus dem Erwerbsleben ausscheidet, werde aber künftig weder ausreichend gesetzliche Rente erhalten, noch die Chance haben, sich eine private Altersvorsorge oder Wohneigentum zu schaffen, so der Professor. „Diese Leute können der Altersarmut nur durch Lottogewinn oder Erbschaft entfliehen – aber hierzulande erben nur die Reichen.“
Im Blick auf die finanzielle Armut machte Naegele deutlich, dass neben den statistisch erfassten prekären Arbeitsverhältnissen vier Millionen Selbstständige mit niedrigen Einkommen gar nicht erfasst seien. Die Problematik verschärfe sich durch die „Entnormalisierung von Arbeitsverhältnissen“.
Finanzielle Armut sei aber nur eine Facette, denn damit einhergehe auch der soziale Ausstieg, die Vereinsamung, die nachgewiesen auch früher zu Pflegebedürftigkeit führe.
Auch wenn die großen Stellschrauben in der Renten- und Arbeitsmarktpolitik und damit bei Bund und Ländern liegen, sieht Naegele auch vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten für die Kommunalpolitik, „wenn das Problem als Problem anerkannt ist“. Dazu beitragen könne ein regionalisierter Armuts-Bericht wie in Nordrhein-Westfalen. Die Kommunen könnten den sozialen Wohnungsbau fördern, ebenso behindertengerechte Umbauten. Dazu gehören Bürgernetzwerke, Fahrdienste, vergünstigte Eintrittskarten, aber auch die Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Pflege. Um passgenau und individuell handeln zu können, bräuchten die Kommunen aber auch die personelle und finanzielle Ausstattung.
Was alles möglich, aber auch notwendig ist, zeigte die Podiumsdiskussion, die von der Europaabgeordneten Ulrike Müller moderiert wurde. Sie stellte in der Vorbereitung der Veranstaltung fest, dass es in Brüssel zwar einen Initiativbericht zur Altersarmut in 2011 gegeben habe, von einer Umsetzung sei aber nichts bekannt.
Ein kreatives Unternehmen gegen soziale Isolation stellte Katharina Mayer mit der Backstube „Kuchentratsch“ in München vor. Trotz vieler Vorschriften gelang ihr die Gründung dieses Unternehmens, in dem Senioren auf 450-Euro-Basis beschäftigt sind. Sie backen Kuchen „Wie bei Oma“ und haben gleichzeitig einen Treffpunkt. „Viele Freundschaften sind schon gewachsen, und ein Teil unserer Senioren können die 450 Euro als Ergänzung zur Rente sehr gut brauchen“, erzählte Mayer.
Alt werden in der Großstadt hat vordergründig den Vorteil eines guten öffentlichen Nahverkehrs, doch gerade hier ist die Gefahr der Vereinsamung groß, und die Mieten können auch von etwas besseren Renten oft nicht mehr bestritten werden.
Ein Konzept, dem zu entgehen, ist das Wohnprojekt Friesenhausen, initiiert von Christian Wittmann und unterstützt von der Gemeinde Aidhausen. Obwohl als Pilotprojekt anerkannt, gebe es noch bürokratische Hürden für solche individuell zugeschnittenen Konzepte, so Bürgermeister Dieter Möhring. Er kam nach München, um aufzuzeigen, welche Möglichkeiten es gibt, „auf dem Land alt zu werden: barrierefrei, gesund und in guter Gesellschaft“, aber auch welche Unterstützung Kommunen dabei brauchen.
Aus der Generationen-Werkstatt der Bürger seien viele Ideen gewachsen vom bereits existierenden Dorfladen bis zum Bürgerdienst, der gerade im Aufbau sei.
Ohne finanzielle Förderung sei aber sozialverträgliches Seniorenwohnen auch auf dem Land nicht darstellbar. „Senioren-WGs für Reiche“ seien nicht das Maß, betonte auch Professor Naegele. Dennoch gibt es viele Ansätze für Wohnformen, die nicht nur günstiger sind als im Pflegeheim, sondern auch näher am Menschen.
In der Diskussion zeigte Susanne Enders auf, dass nicht nur Pflegebedürftige in Not geraten, sondern auch Pflegende. Die OP-Schwester, Stadt- und Kreisrätin erklärte, dass viele Kolleginnen keine Altersvorsorge aufbauen können. „Aber sie könnten in einer Senioren-WG ihre Kenntnisse und Fähigkeiten mit einbringen.“