Wie lange darf nach dem Tod eines Menschen, der zu Hause verstorben ist, die Leiche noch im Haus bleiben? Im Landkreis Haßberge gibt es hierzu in den verschiedenen Kommunen verschiedene Regelungen, doch diese sind nicht ganz unumstritten. Tanja Kremer aus Zeil setzt sich für eine Änderung der Satzungen ein. Viele Bürgermeister sehen dazu aber keinen Grund.
Noch vor einigen Jahrzehnten war es auch in Deutschland üblich, dass ein Leichnam zunächst zu Hause aufgebahrt wurde. Dann kamen Leichenhäuser mit Kühlanlagen, strengere Hygienevorschriften und immer häufiger auch der Wunsch von Angehörigen, einen Toten möglichst schnell aus dem Haus zu bekommen. Auch in Friedhofs- und Bestattungssatzungen haben diese Veränderungen Eingang gefunden.
Brief an die Bürgermeister
In einem Brief, den Tanja Kremer im Mai 2017 an die Bürgermeister mehrerer Kommunen im Landkreis Haßberge schrieb, beklagt sie, dass sich in deren Satzungen eine Vorschrift findet, „die die Hinterbliebenen dazu zwingt, innerhalb weniger Stunden ihre Verstorbenen nach der ersten Leichenschau in ein Leichenhaus zu verbringen“. Kremer selbst ist geprüfte Bestatterin und zudem ehrenamtlich als Sterbe- und Trauerbegleiterin tätig. „Diese Regelung ist vermutlich Überbleibsel aus einer Zeit, in der wenig über infektiöse Krankheiten etc. bekannt war“, schreibt sie an die Bürgermeister.
Dabei sei schon seit Jahrzehnten anerkannt, dass für solche Vorschriften keine Notwendigkeit bestehe. Den Hinterbliebenen werde damit die Möglichkeit genommen, zu Hause, in Altenheimen oder an anderen Orten, an denen keine Kühlung vorhanden ist, Abschied zu nehmen. Dabei gäben es die bayerische und die deutsche Gesetzgebung durchaus her, einen Toten länger im Haus aufzubahren.
Kremer begründet ihren Kampf für eine Neuregelung vor allem damit, dass Angehörigen eine Möglichkeit verweigert werde, Abschied zu nehmen. Nebenbei erwähnt sie auch, eine solche Regelung könne sich als „versteckte, nicht zu rechtfertigende Diskriminierung herausstellen, weil sie mir die Möglichkeit zur freien Dienstleistungserbringung einschränkt“.
Bestätigung durch das Innenministerium
Ein Schreiben aus dem Jahr 2016, mit dem das Bayerische Innenministerium auf eine Anfrage Kremers antwortet, bestätigt deren Einschätzung weitgehend. Zwar seien die Gemeinden grundsätzlich dazu ermächtigt, zum Schutz der Gesundheit sowie zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung Verordnungen über die Verwahrung von Verstorbenen zu erlassen. Doch weiter zitiert die zuständige Regierungsrätin aus einem Urteil des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes, der 2002 zum Ergebnis kam, „dass die Anordnung, Leichen möglichst innerhalb von 24 Stunden nach der Leichenschau in das Leichenhaus eines Friedhofs zu verbringen, zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nicht erforderlich ist“. Nach Angaben von Tanja Kremer gelte in den meisten Haßberge-Kommunen eine Zeitspanne von sechs Stunden nach der Leichenschau, in der der Tote aus dem Haus gebracht werden muss, in einigen anderen seien es acht oder zwölf Stunden. In der VG Hofheim und der Marktgemeinde Maroldsweisach gebe es die Anweisung, einen Toten „umgehend nach der ersten Leichenschau“ aus dem Haus zu bringen.
Auch nach Auffassung des Gesundheitsministeriums bestehe aus hygienischen Gründen „keine generelle Notwendigkeit, Verstorbene nach einer Zeitspanne von nur sechs Stunden zum Schutz der Gesundheit in ein Leichenhaus zu bringen“. Daher kommt die Regierungsrätin aus dem Innenministerium in ihrem Schreiben an Tanja Kremer zu dem Schluss: „Eine solche pauschale und ausnahmslose Regelung halten wir daher nicht für zulässig.“ Besondere Bestimmungen solle es dagegen für „infektiöse Leichen“ geben.
Reaktionen aus der Kommunalpolitik
Etwas anders sieht es das Landratsamt Haßberge. Hier hatte Kremer im September 2017 ihr Anliegen bei einer Bürgermeisterdienstbesprechung vorgetragen. „Es liegt im Ermessen der einzelnen Kommunen, ob diese letztendlich ihre Friedhofssatzungen ändern. Eine rechtliche Verpflichtung gibt es hierfür nicht“, schreibt Landratsamts-Pressesprecherin Monika Göhr.
Eine Kommune, die auf Tanja Kremers Vortrag vor den Bürgermeistern reagiert hat, ist ihre Heimatstadt Zeil. „Wir haben die Satzung geändert, so dass die Leute jetzt länger zu Hause Abschied nehmen können“, berichtet Bürgermeister Thomas Stadelmann.
Anders sieht es der Hofheimer Bürgermeister Wolfgang Borst. „In der VG Hofheim war das nie ein Problem, bis die Frau es dazu gemacht hat.“ In der gesamten Verwaltungsgemeinschaft seien die Bestattungssatzungen einheitlich geregelt. „Unsere Verwaltungsjuristen haben gesagt, dass da nichts geändert werden muss“, berichtet Borst. Davon, dass es eine rechtlich bindende Regelung gebe, wie schnell ein Leichnam aus dem Haus gebracht werden muss, sei ihm nichts bekannt.
Nur die Zeit, wie lange vor der Beerdigung ein Toter ins Leichenhaus am Friedhof gebracht werden muss, sei kürzlich geändert worden. Früher hatte diese 24 Stunden betragen, mittlerweile sind es nur noch zwei Stunden. Grund dafür sei, dass sich die zentrale Kühleinrichtung für Leichen in Hofheim befindet – da sei es kaum sinnvoll, einen Verstorbenen für eine Beisetzung in einem anderen Ortsteil früher als nötig in eine Leichenhalle ohne Kühlung zu bringen.
„Rein unternehmerischer Gedanke“
Auch das Gemeindeoberhaupt einer anderen Kommune, die zur VG Hofheim gehört, ist wenig überzeugt von Tanja Kremers Anliegen. „Das Erstaunliche ist: Bei mir hat sich noch nie ein Bürger beklagt, weil er einen Leichnam länger im Haus behalten wollte“, sagt Dieter Möhring, Bürgermeister von Aidhausen. Daher glaube er nicht daran, dass die Bestatterin Kremer sich vor allem für Hinterbliebene einsetzen will, die um einen Wunsch gebracht werden. Vielmehr stehe bei ihr wohl der „rein unternehmerische Gedanke“ im Vordergrund. Aus diesem Grund halte er eine Änderung von Friedhofs- und Bestattungssatzungen zu ihren Gunsten „nicht für notwendig oder für sinnvoll“. Anders wäre es seiner Meinung nach, wenn die Aufbahrung im Haus tatsächlich ein häufig geäußerter Wunsch von Angehörigen wäre. „Dann hätten wir das Thema schon im Gemeinderat behandelt.“
Andreas Dellert, Geschäftsleiter der Verwaltungsgemeinschaft Hofheim, ergänzt, im August 2018 sei eine Änderung der Bestattungssatzung für die gesamte VG in Kraft getreten. „Die Bestattungskultur hat sich geändert“, sagt er. Und so hätten sich auch die Stadt Hofheim sowie die Gemeinden Burgpreppach, Aidhausen, Bundorf, Ermershausen und Riedbach zu einer Anpassung der mittlerweile rund 20 Jahre alten Bestimmungen entschlossen.
Kein einziger Fall bekannt
In der neuen Satzung gebe es keine bindende Bestimmung, wie lange nach der Leichenschau ein Leichnam aus dem Haus zu verschwinden hat. Wie es vorher geregelt war, weiß der Geschäftsleiter nicht auswendig, doch nach einem Blick in die alte Satzung kann er bestätigen, dass dort stand, eine Leiche müsse nach der ersten Leichenschau in ein Leichenhaus gebracht werden. Allerdings sei ihm in der gesamten Zeit seit 2009 – dem Jahr, in dem er die Stelle als VG-Verwaltungschef antrat – kein einziger Fall bekannt, in dem Angehörige den Wunsch nach einer Aufbahrung hatten.
Einen noch etwas älteren Fall kennt jedoch der Haßfurter Bestatter Michael Zehe: Rund zehn Jahre sei es her, dass er eine Bestattung in Hofheim übernommen habe, bei der die Familie eine Aufbahrung im Haus wünschte. Damals habe er bei der Stadt angefragt, die das Vorhaben mit Verweis auf die damalige Satzung untersagte. „Ich weiß nicht, ob das Bestand hätte, wenn mal einer dagegen klagt“, meint Zehe. Allerdings sei die Nachfrage sehr gering. Ob eine Aufbahrung im Haus des Verstorbenen in Haßfurt oder anderen Kommunen in der Umgebung erlaubt wäre, wisse er nicht, da er noch keine solchen Fälle gehabt habe. Er könne sich aber kaum vorstellen, dass er in der Stadt Haßfurt Probleme bekommen würde, wenn die Hinterbliebenen doch einmal einen solchen Wunsch äußern.
Wie in der Mustersatzung
Auch der Knetzgauer Bürgermeister Stefan Paulus gibt an, ihm sei kein Fall bekannt, in dem Bürger sich beschwert haben, weil sie einen Verstorbenen länger im Haus behalten wollten, als die Gemeinde es erlaubt. In Knetzgau sei eine Zeit von acht Stunden festgelegt, die nach der Leichenschau vergehen darf, bis der Verstorbene abgeholt wird. Das sei eine „gängige Regelung“, die Knetzgau aus einer Mustersatzung übernommen habe, sagt Paulus.
Bemerkenswert wirkt da die Aussage des Haßfurter Diakons Manfred Griebel, der auch als Krankenhaus- und Notfallseelsorger aktiv ist. Dieser erinnert sich an einige Fälle, in denen Tote länger zu Hause aufgebahrt waren – Probleme habe es dabei nie gegeben. Die rechtliche Lage kenne der Seelsorger nicht, er bestärke aber Angehörige, die einen Verstorbenen lieber etwas länger im Haus behalten wollen. „Ich stehe für die ein, die Abschied nehmen wollen.“