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HAßFURT
Welchem Geheimrezept verdankt Gretel Brehm 102 Lebensjahre?
Margareta „Gretel“ Brehm aus Haßfurt feierte am vergangenen Samstag ihren 102. Geburtstag. Dazu gratulierten auch Landrat Wilhelm Schneider (rechts) und Bürgermeister Günther Werner.
Foto: Ulrike Langer | Margareta „Gretel“ Brehm aus Haßfurt feierte am vergangenen Samstag ihren 102. Geburtstag. Dazu gratulierten auch Landrat Wilhelm Schneider (rechts) und Bürgermeister Günther Werner.
Ulrike Langer
 |  aktualisiert: 29.03.2021 10:46 Uhr

„Ich wollte niemals von anderen abhängig, sondern immer selbstständig sein. Und so habe ich mein Leben gemeistert“, sagt Margareta „Gretel“ Brehm aus Haßfurt. Sie feierte am vergangenen Samstag ihren 102. Geburtstag zusammen mit Verwandten und Freunden in der Martinsklause in Ziegelanger.

Im Kaiserreich während des Ersten Weltkriegs als Margareta Diedrich in Trier geboren, hat die Jubilarin erlebt, wie sich die Welt in den letzten 102 Jahren verändert hat. „Ich kann mich an fast alles erinnern, denn ich habe ein gutes Gedächtnis“, erzählt sie. Aufgewachsen ist sie in einer richtigen Großfamilie mit zehn Geschwistern. „In unserer Familie war immer etwas los“, so Gretel Brehm, die früher als Kind auch ganz selbstverständlich mit den Brüdern Fußball spielte.

100 Reichsmark als Belohnung

Aus der Zeit der Hyperinflation nach dem Ersten Weltkrieg ist ihr in Erinnerung geblieben: „Meine Mutter sagte einmal 1923 zu uns Kindern: ,Wenn Ihr brav ins Bett geht, bekommt Ihr 100 Reichsmark.‘ Da waren wir alle stolz, so viel Geld zu erhalten – dabei war es gar nichts wert!“ Immerhin kostete damals im Juni des Jahres 1923 ein Ei schon 800 Reichsmark.

Dass ihr Vater schon recht fortschrittlich eingestellt war, beschreibt die Jubilarin folgendermaßen: „Die älteren Geschwister mussten im elterlichen Weingut arbeiten und hatten dort ihr Auskommen. Wir Jüngeren aber durften beziehungsweise sollten alle einen Beruf erlernen, um uns selbst ernähren zu können.“ In den Ferien aber arbeiteten alle Kinder im Weingut und Gretel Diedrich nahm ihrem Vater gerne die Schreibarbeiten ab. „Wir haben immer sehr gut zusammengearbeitet“, berichtet sie. „Als dann eines Tages ein Ingenieur meinem Vater Geld dafür bot, damit ich in seinem technischen Betrieb arbeitete, hat er nur gelacht. Er wollte mich nicht verkaufen und ich wollte dort nicht arbeiten. Aber dieser Ingenieur hatte wohl gedacht, dass man mit Geld alles kaufen kann.“ Ihr Vater hatte für die Kinder auch feste Regeln aufgestellt und erklärt: „Wer eine höhere Schule besucht, muss intensiv arbeiten, sonst geht es wieder zurück.“ So war es Gretel Diedrich vergönnt, nach der Volksschule das Lyzeum der Ursulinen zu besuchen und 1937 ihr Abitur abzulegen.

Zur Vorbereitung auf das angestrebte Studium zur Volksschullehrerin arbeitete sie ein halbes Jahr in einem Kindergarten in Konstanz. Nach zwei Semestern an der Hochschule in Konstanz brach sie allerdings ihr Studium ab und arbeitete im Büro einer Essig- und Senffabrik in Trier. 1944 heiratete sie den Studenten Lorenz Brehm aus Bamberg, der in Trier als Soldat stationiert war, und zog mit ihm zu seinen Eltern nach Bamberg. Den Eheleuten war jedoch nur eine kurze gemeinsame Zeit gegönnt. Denn Lorenz Brehm wurde wenige Wochen später in Russland vermisst gemeldet und kam nie wieder nach Hause. Gretel Brehm, die bis heute ein herzliches Verhältnis zur Familie ihres Mannes pflegt, fand Arbeit im Büro der neu gegründeten Oberfränkischen Wollspinnerei in Bamberg, die einige Jahre später nach Haßfurt umzog.

Die Liebe zu Büchern

So kam die Jubilarin in die Kreisstadt, wo sie 1966 ein Zweifamilienwohnhaus baute und bis zu ihrer Rente in der Buchhaltung des Betriebes beschäftigt war. Danach bewarb sie sich bei der Katholischen Bücherei, die weitere Mitarbeiter suchte. „Dort habe ich 17 Jahre freitags und sonntags gearbeitet und das war eine sehr interessante Aufgabe“, erzählt Gretel Brehm, die Bücher über alles liebt. Lange Jahre besuchte sie auch die monatlichen Treffen des Seniorenkreises St. Kilian und kümmerte sich gerne um ihren großen Garten.

Die Selbstständigkeit gewohnt, möchte sie anderen keine Arbeit machen. Sie versorgt ihren Haushalt soweit es geht. Dabei ist sie froh, dass sie Hilfe beim Putzen und Waschen hat und dass eine Nichte immer wieder mit ihr zum Einkaufen fährt. „Ansonsten gibt es Essen aus Dosen.“ Traurig ist sie, dass ihre Verwandten weit weg wohnen und alle ihre Freundinnen bereits verstorben sind. „Doch ich mache so weiter wie bisher und versuche alles so einfach wie möglich zu halten“, betont Gretel Brehm, der das Gehen mittlerweile sehr schwer fällt. Rückblickend sagt sie: „Ich konnte ein ordentliches Leben führen und hatte viel Spaß an der Arbeit in der Buchhaltung der Wollspinnerei.“

Als sehr großzügig und sehr sozial bezeichnet ihr Patenkind Gretel Brehm. Eva-Maria Hazay, die heute in Freiburg lebt, stammt aus Haßfurt und ihre Mutter war in den letzten Kriegsjahren mit der Jubilarin befreundet. „Tante Gretel war eine richtige Patin für mich. Sie hat nach dem Krieg sehr viel für mich getan, war immer für mich da, hat mir Bananen oder Schokolade geschenkt, was damals ein außerordentliches Geschenk war, und ich habe ihr insgesamt sehr viel zu verdanken“, sagt sie. „Aber Gretel hat Zeit ihres Lebens vielen Menschen Geschenke gemacht und stets jedem geholfen!“

Gretel Brehm (Bildmitte) unternahm auch gerne kleinere Reisen, wie hier im Jahr 1956 mit Bekannten auf die Insel Mainau.
Foto: Repro: Ulrike Langer | Gretel Brehm (Bildmitte) unternahm auch gerne kleinere Reisen, wie hier im Jahr 1956 mit Bekannten auf die Insel Mainau.
Gretel Brehm aus Haßfurt stieß mit ihren Verwandten und Freunden auf ihren 102. Geburtstag an.
Foto: Ulrike Langer | Gretel Brehm aus Haßfurt stieß mit ihren Verwandten und Freunden auf ihren 102. Geburtstag an.
 
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