
Wenn vor dem Amtsgericht eine Verhandlung wegen Körperverletzung angesetzt ist, handelt es sich oft um eine Schlägerei in einer Disko oder Kneipe. Die kürzlich behandelte Strafsache fiel jedoch aus dem Rahmen: Auf der Anklagebank saß ein 45-jähriger Fernfahrer, weil er seine 20-jährige Tochter so geschlagen hatte, dass sie eine Gehirnerschütterung erlitt. Er wurde zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 15 Euro, also zu insgesamt 750 Euro verurteilt.
Am 30. Januar 2021 gegen 17 Uhr, so die Staatsanwältin, habe der im Maintal mit seiner Familie lebende Vater seine damals 19-jährige Tochter – die bei seiner Ex-Frau lebte – mit der Faust so hart auf den Hinterkopf geschlagen, dass diese vier Tage lang stationär in den Haßberg-Kliniken in Behandlung war. Richter Christoph Gillot informierte eingangs, dass die ganze Angelegenheit eigentlich außergerichtlich im Rahmen eines Täter-Opfer-Ausgleichs geregelt werden sollte. Weil der Vater aber einen diesbezüglichen Termin nicht wahrgenommen hatte, fand nun der Gerichtstermin statt.
"Lagerbildung" unter den Zeugen
Da der Angeklagte alles abstritt, hatte das Gericht sieben Zeugen geladen, die damals bei dem unseligen Familienzwist in der Wohnung dabei waren. Die Wahrheitsfindung gestaltete sich schwierig bis unmöglich, weil jeder der Zeugen eine andere Version des Geschehens schilderte. Bei den Zeugen gab es eine klare "Lagerbildung". Etliche versuchten, den Angeklagten nach Kräften zu entlasten, die anderen ließen kein gutes Haar an ihm. Insbesondere seine Ex-Ehefrau und er gifteten sich derart heftig an, dass man befürchten musste, dass sie sich im nächsten Moment an die Gurgel gehen würden.
Immerhin konnte man nach der Beweisaufnahme feststellen, dass an dem fraglichen Tag die geschlagene Tochter erst mit ihrer eigenen Mutter, einer Stiefschwester und einer anderen jungen Frau handgreifliche Streitigkeiten angefangen hatte. Dabei hatte sie selber tüchtig ausgeteilt.
Auch das Opfer hat "gehörig am Rad gedreht"
Die Situation eskalierte schließlich, als die damals 19-Jährige mit ihrer um fünf Jahre jüngeren Stiefschwester auf einem Bett saß. Während die ältere der Schwestern den gemeinsamen Vater als "Schläger" bezeichnete, verteidigte ihn die jüngere. Darüber gerieten die beiden derart in Streit, dass sie einander an den Haaren zogen und aufeinander eindroschen. Die Jüngere war schwächer und rief um Hilfe – woraufhin der Vater ausrastete und wutentbrannt in das Zimmer der Mädchen raste, seine ältere Tochter aufs Bett warf und ihr die Schläge versetzte.
Aufgrund der unheilvollen Spannungen und des allseits aggressiven Gezankes in der Patchwork-Familie sah der Vorsitzende beim Angeklagten nicht die Alleinschuld. Auch das Opfer, also die heute 20-Jährige, hatte damals "gehörig am Rad gedreht", sagte er wörtlich. "Aber auch wenn man noch so provoziert wird, darf man nicht gewalttätig werden" schrieb er dem Fernfahrer ins Stammbuch. Ob der Verurteilte innerhalb einer Woche gegen den Richterspruch Berufung einlegt, blieb offen.
Uns dafür gibt es keine Strafe?
ich weiß nicht, ob sie dafür eine Strafe bekommt, aber wenn, dann muss das in einem eigenen Prozess verhandelt werden. Sie kann ja nicht einfach am Rande des Prozesses gegen ihren Vater mit verurteilt werden. Dass mehrere Personen gemeinsam auf der Anklagebank sitzen, dürfte nur vorkommen, wenn ihnen vorgeworfen wird, eine Tat gemeinschaftlich begangen zu haben.
Viele Grüße
Peter Schmieder, Redakteur