
Im Jahre 1977 wechselte Franz Beckenbauer sensationell zu Cosmos New York in die im Aufbau befindliche amerikanische Fußball-Profiliga. Der für seine traumhafte Ballbehandlung berühmte "Kaiser" musste in Nordamerika mit einem ihm bisher unbekannten Phänomen fertigwerden. Auf den dort üblichen Kunstrasenplätzen kam er mit dem Fuß nicht mehr wie gewohnt unter den Ball, seine Pässe kamen nicht mehr an, wirkten alles andere als elegant. Schuld daran war die Bauart der damaligen Kunstrasenspielfelder. Oft gab es einen Untergrund aus Beton, auf den mehr oder weniger nur ein grüner Teppich aufgezogen wurde. Nicht nur für Beckenbauer, auch für die Torhüter ein Alptraum.
Ein Platz der jüngsten Generation
"Das ist heute ganz anders", sagt Bernhard Ruß. Der Sander Bürgermeister blickt mit dem Reporter dieser Zeitung zurück auf fünf Jahre Kunstrasenplatz in der Korbmachergemeinde. Ruß steht nicht nur seit zweieinhalb Jahrzehnten an der Spitze der Gemeinde, er war auch selbst ein hervorragender Fußballer, der mit dem FC Sand damals den Aufstieg in die Landesliga schaffte. Er kann also mitreden in Sachen Fußball. "Unser Platz, das ist eine ganz andere Generation, da ist die Entwicklung schon viel weiter, nicht mit damals zu vergleichen." Auch die früher immer ins Felde geführten Vorwürfe, die Gefahr von Verletzungen, speziell Verbrennungen auf dem Kunststoffrasen, sei größer als auf Rasenplätzen, könne er nicht bestätigen.

Wichtig, so Ruß, sei natürlich die richtige Pflege eines solchen Spielfeldes. Zwischen den Grashalmen befindet sich Granulat. Dieses bewegt sich im Rahmen des Spielbetriebes nach außen. Von dort müsse es folglich einmal pro Woche nach innen gerecht, eventuell nachgefüllt werden. Alle zwei Jahre wird das Granulat auch ausgewechselt, das heißt abgesaugt, gereinigt und wieder hineingeblasen. Es dürfe sich auch kein organischer Bewuchs bilden, so Ruß, "sonst läuft das Wasser nicht ab".
Ist der Platz gepflegt, bildet er gerade in der Zeit zu Saison-Wiederbeginn nach der Winterpause die idealen Voraussetzungen, um in erster Linie das Hauptspielfeld des Vereins vom Trainingsbetrieb zu entlasten. Winterliche Probleme, von denen von anderen Kunstrasenplatz-Betreibern wiederholt zu hören war, wie zum Beispiel brechende gefrorene Halme beim Schnee- und Eisräumen, kennt man in Sand bislang nicht. "Solche Winter hatten wir in den letzten Jahren ja auch gar nicht", erläutert Ruß.
Ein Spielfeld für den Landkreis
Der Nutzen des einzigen Kunstrasenspielfeldes im Landkreis Haßberge beschränkt sich nicht nur auf die Gemeinde Sand und ihre Vereine, sondern ist auch landkreisweit. So würden beispielsweise beim Turnverein 221 Jugendliche betreut, davon 68 auswärtige aus Haßfurt, Eltmann, Zeil, Knetzgau, Rauhenebrach, Oberaurach und Ebelsbach. Der 1. FC Sand kümmert sich um 124 Jugendliche, davon 43 aus den umliegenden Gemeinden Wonfurt, Oberaurach, Eltmann, Knetzgau, Zeil, Ebelsbach, Stettfeld und Haßfurt. Aufgrund dieses Platzes sei, so Ruß, auch der DFB-Jugend-Stützpunkt nach Sand verlegt worden, weil hier durch den Kunstrasen das während des Spielbetriebs allmontägliche Training garantiert werden kann. Zudem müsse keine Kommune fürchten, dass durch diesen Trainingsbetrieb ein Rasenspielfeld in Mitleidenschaft gezogen wird. Dies war auch ein Grund dafür, dass der Sander Platz Fördermittel erhielt.
Die Gemeinde Sand hatte, so der Bürgermeister rückblickend, bei der Beantragung von EU-Mitteln schnell gehandelt. Der Kunstrasenplatz ist Bestandteil des Leader-Projektes "Miteinander - Selbstverständlich! Sport und Kulturzentrum am See". Nach der Bewilligung des Förderantrages entschied sich der Gemeinderat am 26. Februar 2014 - also vor fast genau fünf Jahren - für die Errichtung des Platzes. Die Baukosten wurden - ohne Baunebenkosten - auf 520 000 Euro beschränkt, der Auftrag mit einer Summe von 443 000 Euro an die Firma Strabag vergeben. Nicht ohne Stolz erinnert der Bürgermeister daran, dass der FC Sand sich bei der Baumaßnahme mit Eigenleistungen in Höhe von 40 000 Euro einbrachte. Am 2. November 2014 wurde dann der Spielbetrieb offiziell aufgenommen.
Teil des Sport- und Kulturkomplexes
Das Kunstrasenspielfeld ist Teil des gesamten Sportstättenkomplexes, der teils von der Gemeinde und teils von den Vereinen errichtet wurde und unterhalten wird. Neben der Dreifachturnhalle zählen dazu zwei Natur- und eben ein Kunstrasenspielfeld, eine Vierbahnen-Kegelanlage, ein Turnerheim mit Gymnastikraum und Turnplatz sowie fünf Tennisplätze. In der Turnhalle ist im Untergeschoss der offene Jugendtreff der Gemeinde eingerichtet. Außerdem hat das Blasorchester dort seine Übungs- und Lagerräume. Eigentümer des Kunstrasenplatzes ist die Gemeinde Sand. Die Stunden für den Trainings- und Spielbetrieb auf dem Platz werde über die Gemeindeverwaltung gebucht.
"Dieser Platz ist innovativ", so Bernhard Ruß. Viele Bürger in Sand seien stolz, in ihrer Gemeinde so einen modernen Platz zu haben. Das war auch eines der Ziele, die hinter dem Kunstrasenspielfeld stehen. Der Platz ist mehr als einfach nur ein Fußballplatz für schlechtes Wetter, sagt der Bürgermeister. Ihm geht es vor allem auch darum, "durch innovative Maßnahmen das Leben in der Gemeinde und im Landkreis Haßberge attraktiver zu gestalten".
Teilnahme am sozialen Leben
"Gerade in Zeiten, in denen der ländliche Raum gegenüber den Städten an Attraktivität verliert", sagt Ruß, "ist es wichtig, neben der Grundversorgung soziokulturelle Anreize bieten zu können." Durch das Pilotprojekt "Miteinander - Selbstverständlich! Sport- und Kulturzentrum am See" werde die Teilnahme am sozialen Leben für alle Bevölkerungsgruppen im gesamten LAG-Gebiet ermöglicht. "Die Gemeinde Sand möchte mit dem Projekt auch ein Zeichen dafür setzen, dass im ländlichen Raum die Lichter nicht ausgehen, sondern vielmehr ein attraktives Lebensumfeld geschaffen werden kann."
Deshalb stecke die Gemeinde auch nicht nur Geld in den Fußball, sondern auch viele andere Sportvereine nutzten das Zentrum für die unterschiedlichsten Betätigungen. Als Beispiel nennt Ruß den Turnverein mit seiner Tanzsportabteilung. "Wir sorgen so für ein großes Angebot im Ort, das Jugendliche bequem mit dem Fahrrad erreichen können, wo man sich trifft und hilft." Und dazu trägt auch das Kunstrasen-Spielfeld seinen mittlerweile nicht unbedeutenden Teil bei, so Bürgermeister Ruß.