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KREIS HAßBERGE
Warum Hofheim eine Marienkapelle bekommen hat
Die Hofheimer Marienkapelle wurde von Heinrich Thein in Erfüllung eines Gelübtes und zum Gedenken seiner auf diesem Friedhof ruhenden Eltern gestiftet.
Foto: Stadtarchiv | Die Hofheimer Marienkapelle wurde von Heinrich Thein in Erfüllung eines Gelübtes und zum Gedenken seiner auf diesem Friedhof ruhenden Eltern gestiftet.
Werner Mock
 |  aktualisiert: 29.03.2021 10:43 Uhr

Vor 50 Jahren starb in Haßfurt der Kunstkeramiker Heinrich Thein. Sein in Hofheim lebender Neffe, der den Namen seines Taufpaten erhielt, erinnert sich gerne an seinen Onkel zurück und erzählt dessen Lebenslauf.

„Mein Onkel hatte ein unbeschreibliches Talent und einen unbändigen Gestaltungsdrang. Hatte er Ton in der Hand, fing er sofort an zu modellieren. Außerdem war er ein zutiefst religiös veranlagter Mensch, dem seine Kunst wirklich Gottesdienst war. Deshalb widmete er viele seiner Werke religiösen Themen“, berichtet Heinrich Thein.

Der Künstler Thein bekannte einmal selbst: „Seelensache soll in der Keramik tiefster und letzter Sinn sein.“ Seine Religiosität zeigt sich aber nicht nur in seinen zahlreichen Madonnen, sondern auch in seinen Figuren und Figurengruppen, in denen er sich mit ethischen und sozialen Problemen seiner Zeit auseinandersetzt. Für soziale Probleme war er durch seine entbehrungsreiche Kindheit und Jugend sensibilisiert worden.

Heinrich Thein wurde am 20. März 1888 in Nürnberg geboren. Er stammte aus einer alteingesessenen fränkischen Töpferfamilie. Schon als kleiner Bub musste er als Ältester mithelfen, die große Familie – er hatte noch sechs Geschwister – zu ernähren. Wegen seiner religiösen Veranlagung, die sich schon in der Volksschule zeigte, wäre der kleine Heinrich beinahe zum Geistlichen erzogen worden. Der Vater, der stolz auf sein Handwerk war, ließ seinen Sohn schließlich doch Töpfer werden.

Fleiß wurde belohnt

Schon frühzeitig hatte sich Theins Begabung für die Plastik gezeigt. Seine Lehre absolvierte er in einer Ofenfabrik in Lauf bei Nürnberg. Dort vermittelte ihm die Stadtverwaltung, die auf den fleißigen Lehrling aufmerksam geworden war, der abends nach elfstündiger Arbeitszeit freiwillig noch die Fortbildungsschule besuchte, ein Stipendium für den Besuch der Kunstgewerbeschule in München, wo er von den Professoren Jobst, Godron und Glatz ausgebildet wurde.

Seinen Unterhalt musste sich Thein selbst verdienen. Er arbeitete täglich bis in die Nacht. Der enorme Einsatz lohnte sich jedoch. Bereits mit 21 Jahren wurde er Leiter und Meister der Abteilung Modellfabrikation in Gunzenhausen.

Der Erste Weltkrieg unterbrach seine berufliche Laufbahn. Nach seiner Militärzeit musste sich Heinrich Thein seinen Lebensunterhalt als Kontorist und Reisender einer Großhandlung verdienen.

Erst 1920 kehrte er in den erlernten Beruf zurück und zwar als Leiter und Mitinhaber der väterlichen Ofenfabrik in Hofheim. Der Ruf seines hervorragenden Könnens und seine künstlerischen Ausdruckskraft verbreitete sich rasch und so wurde Heinrich Thein künstlerischer Leiter in Meißen, der Stadt der Keramik und des Porzellans, wo er von 1925 bis 1949 tätig war. Zuerst in der Sächsischen Ofen- und Wandplattenfabrik Somag – dieses Werk hatte zur damaligen Zeit über 1000 Beschäftigte – und ab 1945 in der Porzellanmanufaktur Meißen, der Produktionsstätte des ältesten europäischen Porzellans.

Obwohl man ihm eine Professur versprochen hatte, kehrte er am 1. Mai 1949 unter dem Druck der politischen Verhältnisse in den Westen zurück, zunächst nach Hannover, von dort nach Nienburg an der Weser. Hier wurde der weltbekannte Kunstkeramiker Thein mit Freude aufgenommen und er übernahm die künstlerische Leitung der Rohna-Werke und der städtischen Keramikschule.

Nach Erreichen des Ruhestands kehrte er in seine fränkische Heimat nach Haßfurt zurück und arbeitete freischaffend . Ab 1956 unterrichtete er an der damaligen Kreisberufsschule Haßfurt in einer Klasse für Ofensetzer und Keramiker und war zugleich Impulsgeber für die erste Berufsaufbauschule Bayerns in Haßfurt.

Stellt man die Thein?schen Figuren nebeneinander, dann vermutet man kaum einen gemeinsamen Urheber, so unterschiedlich sind sie vielfach in ihrer künstlerischen Handschrift, was Ausdruck der Vielseitigkeit Heinrich Theins ist. Immer wieder ist die Meisterschaft Heinrich Theins in der Verwendung der Glasuren zu bewundern, denen erst der Brand ihre Wirkung verleiht. Sie erhalten durch ihn ihren endgültigen Farbton, verschmelzen mit den Figuren, umfließen die Formen des Reliefs und vermischen sich miteinander.

Perfekte Vorahnung

Weil dem Brand viele Zufälligkeiten innewohnen, ist jede Figur stets ein Unikat. Die Kunst besteht darin, sicher vorauszusehen, in welchem Rahmen sich diese zufallsbedingten Veränderungen bewegen. Heinrich Thein beherrschte dies. Heinrich Thein war aber auch Bildner unverfälschten Volkstums, das er in grotesken und humorvollen Figuren vorführt.

Anlässlich seines 60. Geburtstags schrieb am 20. März 1948 die „Sächsische Zeitung“: „Auf dem Gebiet der keramischen Plastik dürfte man bei der Vielfältigkeit seines künstlerischen Ausdrucks, bei der meisterhaften Beherrschung von Material und Technik und seiner Experimentierfreudigkeit kaum einen Ebenbürtigen finden. Wie er die einzelnen von ihm verwendeten Materialien zum Leben erweckt, wie er die Sprache des Materials durch reiche oder sparsame Verwendung von Glasuren steigert und diese Sprache dann seiner Ideen verkünden lässt, ist in der keramischen Kunst unerreicht.“

Mehrmals hatte das Leben ihm große Prüfungen geschickt, die aber seine Arbeitskraft nur vorübergehend lähmen konnten. In seinem schöpferischen Werk drückte er Freude aus, überwand und verwandelte er aber auch körperliches und seelisches Leid.

Heinrich Thein war nicht nur ein großer Befürworter, Helfer und Antrieb der Berufsaufbauschule, sondern auch ein tatkräftiger Förderer des zweiten Bildungsweges. Durch eine von ihm eingerichtete Stiftung haben schon viele junge Menschen ein Stipendium für ihren weiteren Bildungsweg erhalten. Seine Person und sein Werk wurden 1983 besonders gewürdigt. Die Staatliche Berufsschule Haßfurt erhielt den Namen „Heinrich-Thein-Schule“.

Edle Gesten

Eine weitere großherzige Gabe an die Stadt Haßfurt war der Märchenbrunnen. Fast ein Jahr lang arbeitete er an der Ausstattung der neuen Kapelle im Salesianum. Am 8. September 1963 fand auf dem Friedhof in Hofheim die kirchliche Einweihung der neuen Marienkapelle statt. Diese wurde von Heinrich Thein der Stadt Hofheim in Erfüllung eines Gelübtes und zum Gedenken seiner auf diesem Friedhof ruhenden Eltern gestiftet. Die Kapelle wurde nach seinen Ideen und Entwürfen erbaut und mit Kunstwerken aus seiner Hand ausgeschmückt. 40 Jahre vor der Einweihung in Stunden tiefster seelischer und materieller Not habe Thein ein Gelübde abgelegt und daraufhin seelische Stärkung erfahren. „Die Kapelle soll allen dienen, die diese in Not zu stiller Einkehr und zum Gebet betreten.“ Mit diesen Worten übergab Heinrich Thein die Schlüssel dem Bürgermeister der Stadt Hofheim.

Bürgermeister Moritz bedankte sich bei diesem hochherzigen Mann und brachte den Dank der ganzen Bürgerschaft dadurch zum Ausdruck, dass Heinrich Thein die Bürgermedaille verliehen wurde. (wem)

 
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