Der Besitzer eines Telefons in einer Wohnung in Zeil ist überrascht. Sein Festnetztelefon klingelt. Nun, das kommt gelegentlich vor bei einem Telefon, bei dem Mann mittleren Alters jedoch nicht zu oft. Seine Festnetznummer kennt nämlich fast niemand. Wenn, dann ist er vornehmlich über das Handy zu erreichen. Deshalb nähert er sich seinem Telefon mit einer gesunden Portion Skepsis. Und das ist gut so, denn sonst könnte es teuer werden. Und beinahe wäre es den sogenannten Ping-Betrügern auch gelungen, dem Zeiler seine sauer verdiente Kohle abzuknöpfen, denn einen Moment lang ist er versucht, einfach die Rückruftaste zu drücken.
Ortsgespräch vorgetäuscht
Immerhin erinnert die Nummer des Anrufers - 009752... - zunächst an heimische Gefilde. Null, neun, sieben - das sieht doch nach Schweinfurt und Umgebung aus. Aus alter Gewohnheit und einem angeborenen Misstrauen heraus startet er im Internet aber erst mal die Telefonnummern-Rückverfolgung. Mit dem Ergebnis, dass die Nummer, die auf seinem Display leuchtet, nicht vergeben ist. Uuups, da sieht der Zeiler die zweite Null vor der Vorwahl. Eine ausländische Nummer. Er überlegt. Könnte es das Hotel sein, das er für den Sommer gebucht hat? Hat er vielleicht die Anzahlung verschwitzt? Aber Italien hat definitiv nicht 0097...
Inzwischen stehen die Zeichen auf Alarm. Wer könnte angerufen haben? Eine Telefon-Vorwahlsuche im Internet bringt Aufschluss. Der Anruf kam aus - Bhutan. Jetzt kann der Zeiler endgültig ausschließen, dass ihn ein Bekannter angerufen hat. Ein Betrugsversuch ist naheliegend. Recherchen dieser Redaktion bringen Licht ins Dunkel. Bei dem Anruf handelt es sich um einen sogenannten Ping-Anruf, eine Form der Telefon-Rückruf-Abzocke. Seit einem Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2014 gelten diese als Betrugsmasche und sind verboten.
Derzeit überschwemmen solchen Betrugs-Anrufe das Land. Dabei gehen die Betrüger außerordentlich perfide vor. Sie passen ihre Abzocknummern nämlich den örtlichen Gegebenheiten an. Zum Beispiel verwenden die Gauner in Rostock mit der Vorwahl 0381 die ausländische Vorwahl von Serbien (00381), in Dortmund (0231) die von Liberia (00231) und in Koblenz (0261) die von Madagaskar (00261). Und in Zeil (09524) versuchen sie es eben mit Butan (00975). Damit wird immer auf den ersten Blick der Eindruck vermittelt, es handele sich um ein Ortsgespräch, vermutlich von einem Bekannten.
Computer generiert Nummern
Die Abzock-Anrufe werden automatisiert von einem Computersystem getätigt. Dieses generiert die Nummern per Zufallsprinzip und testet, ob sie existieren und aktiv genutzt werden. Alternativ wählt das System echte Nummern an, die die Abzocker bei Datenhändlern eingekauft haben.
Ziel der Betrüger ist es, dass die Anrufer möglichst lange in der Leitung bleiben. Die Verursacher profitieren von den generierten Verbindungsentgelten, teilt die Bundesnetzagentur mit. Wer zurückruft, zahlt oft mehrere (bis zu drei) Euro pro Minute, solange die Verbindung besteht. Damit die "Kuh" möglichst lange gemolken werden kann, schalten die Betrüger unverständliche Bandansagen, fiktive Gewinnspiele, sogar Informationen zu Paketzustellungen, die es gar nicht gibt, oder Erotikmeldungen. Hauptsache, das Opfer bleibt recht lange in der Leitung.
Preisansage wieder vorgeschrieben
Allein im Januar 2019 gingen etwa 14 000 Beschwerden nur zu Ping-Anrufen bei der Bundesnetzagentur ein, wie sie auf ihrer Homepage informiert, nachdem die zunächst auf ein Jahr befristete Preisansageverpflichtung für auffällige Länderkennzahlen zum 31. Dezember 2018 ausgelaufen war. Die Behörde hat im Mobilfunk nun wieder unter anderem für 56 Länder aus Afrika, Osteuropa und dem pazifischen Raum eine klare Preisansage vorgeschrieben. Die Preisansage muss für den Anrufer kostenlos sein. Sie soll getäuschte Anrufer darüber aufklären, dass er gerade eine ausländische Nummer anruft und der Anruf für ihn ab dem Signalton mit hohen Kosten verbunden sein kann. "Preistransparenz schützt Verbraucher am besten vor unbedachten Rückrufen", sagt Jochen Hofmann, Präsident der Bundesnetzagentur in einer Pressemitteilung.
Die Verbraucherzentrale Niedersachsen empfiehlt, sich die Nummer jedes Anrufers auf dem Display vor einem Rückruf genau anzusehen. Eine Doppel-Null am Anfang weise immer auf eine ausländische Nummer hin, so die Verbraucherschützer. Noch sicherer geht, wer fremde Nummern, die nicht unter den eigenen Kontakten gespeichert sind, grundsätzlich nicht zurückruft. Nach dem Motto, dass Anrufer mit wichtigen Anliegen sich bestimmt wieder melden.
Wenn das Kind aber schon in den Brunnen gefallen ist, rät die Verbraucherzentrale, Strafanzeige bei der Polizei zu erstatten und gleichzeitig die Bundesnetzagentur (www.bundesnetzagentur/pinganruf) zu informieren. Dirk Wende, Pressesprecher der Deutschen Telekom, teilt auf Anfrage dieser Redaktion dazu mit: "Es ist wichtig, der Bundesnetzagentur Missbrauch zu melden. Die BNetzA kann nur tätig werden, wenn sie Hinweise bekommt, und ist insofern auf die Meldungen der Betroffenen angewiesen. Wenn eine Rufnummer erwiesenermaßen für Betrugszwecke genutzt wird, kann die Bundesnetzagentur ein Verbot der Rechnungslegung verhängen. Die Geschädigten können dann bei ihrem Telefonanbieter den Rechnungsbetrag um die beim Anruf entstandenen Gebühren unter Angabe der Gründe kürzen."
Dumm gelaufen ist die Sache allerdings für Kunden, die mit einem Prepaid-Guthaben fürs Handy telefonieren: Sie bekommen keine Rechnungen – und bemerken so meist nicht einmal, einem teuren Ping-Betrüger aufgesessen zu sein.