
Die Hersteller von Kunststoffrohren und anderen Kunststoffteilen bieten mehr als 4500 Arbeitsplätze im Landkreis Haßberge. Ein Drittel aller derartigen Arbeitsplätze bundesweit befindet sich im Landkreis. Die hohe Dichte der Hersteller ist weltweit einzigartig und macht den Landkreis zu dem, was das Silicon Valley für die Softwarebranche darstellt. Was aus Sicht von Firmen, Wissenschaft und Lokalpolitik noch fehlt, ist eine wissenschaftliche Einrichtung, die gezielt Forschung auf diesem Gebiet betreibt und viele Vorteile für die Region bringt.
Landtagspräsidentin Ilse Aigner kam am Dienstag auf Einladung von Landtagsabgeordnetem Steffen Vogel nach Königsberg, um sich im neu eröffneten Werk 2 der Fränkischen Rohrwerke über das Projekt zu informieren. Laut Landrat Wilhelm Schneider soll das TTZ (Technologie-Transfer-Zentrum) in der ehemaligen Berufsschule in Haßfurt entstehen. Die Stadt Haßfurt würde zusammen mit dem Landkreis Haßberge in Vorleistung gehen und das Gebäude generalsanieren. Die Einrichtung sei eine Stütze für die Unternehmen und eine universitäre Möglichkeit für junge Menschen.
Prof. Dr. Volker Herrmann von der Hochschule für angewandte Wissenschaften an der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt betonte, dass es falsch sei, Kunststoffe zu verteufeln. „Ohne Kunststoffe ist die Energiewende nicht zu schaffen“, sagte er in seinem Vortrag. Das geplante TTZ habe Vorteile für die Unternehmen, die Studierenden und für die Hochschule selbst. Die Unternehmen würden Zugang zu wissenschaftlichen Ressourcen wie Laboren, Maschinen, Studierenden und Wissenschaftlern erhalten. Sie könnten Fördergelder erhalten und würden vom Wissen profitieren, das aus geförderten Projekten entstand. Zudem hätten die Firmen früh Kontakt zu potenziellen zukünftigen Mitarbeitern. Die Studierenden hätten im Umkehrschluss früher Kontakt zu potenziellen Arbeitgebern. Die Aufgabenstellungen wären interessant und praxisnah mit hervorragender Betreuung. Die Hochschule selbst bekäme Zugang zu praxisrelevanten Themen. Durch angewandte Forschung würde sich die Attraktivität für die Studierenden steigern.
Ein wichtiger Forschungsschwerpunkt wären das Recycling und der Einsatz nachwachsender Rohstoffe. Weitere Forschungen beträfen die Erhöhung der Lebensdauer von Kunststoff-Rohrsystemen, eine effizientere Produktion oder die Herstellung von „Smart Pipes“, die sich beispielsweise bei Leckagen automatisch abdichten. Das TTZ sei ein „Kunststoffkompetenzzentrum“ und ein Hilfezentrum für die Kunststoff-Firmen. Rund acht Millionen Euro müssten in den ersten fünf Jahren investiert werden. Danach müsse sich das TTZ selbst tragen, so Herrmann.
Ilse Aigner zeigte sich überzeugt, dass ein Forschungstransfer nötig und auch „offensichtlich sinnvoll“ sei. Die Kosten sollten jedoch transparent aufgezeigt werden, um sie dem Wissenschaftsministerium vorlegen zu können.
Steffen Vogel verwies darauf, dass in den umliegenden Landkreisen bereits wissenschaftliche Einrichtungen wie das TTZ vorhanden seien. Der Landkreis Haßberge sei der einzige Landkreis in der Region ohne eine vergleichbare derartige Einrichtung. Er habe Sorge, dass der Landkreis Haßberge zwischen den benachbarten Landkreisen „zermahlen“ wird. „Wir brauchen das TTZ unbedingt für die Weiterentwicklung des Landkreises. Es hängen Arbeitsplätze dran“, sagte Vogel. Firmenchef Otto Kirchner hatte zuvor einen Einblick über das Unternehmen gegeben. So seien im Werk 2 der Fränkischen Rohrwerke rund 30 Millionen Euro investiert, eine Fläche von mehr als zwei Hektar bebaut worden. Es gibt knapp 10 000 Palettenstellplätze. Über 400 Büroarbeitsplätze wurden geschaffen. Insgesamt beschäftigt das Unternehmen rund 4500 Arbeitnehmer weltweit. Kirchner kündigte an, sich in drei Jahren aus der Geschäftsleitung verabschieden zu wollen. Sein Sohn Julius soll dann in seine Fußstapfen treten.
Ilse Aigner bei der Haßfurter Tafel
Vor dem Besuch der Fränkischen Rohrwerke in Königsberg informierte sich Ilse Aigner über die Tätigkeit der rund 40 Mitarbeiter der Tafel in Haßfurt. Die Landtagspräsidentin bedankte sich bei den freiwilligen Helfern für ihren Einsatz und verteilte einen Sack voller Geschenke. Die Tafel in Haßfurt versorgt nach Auskunft von Leiterin Ute Ulbrich derzeit 80 Bedarfsgemeinschaften, von denen rund 60 aus Haßfurt und Umgebung sowie 20 aus Ebern kommen. Ulbrich äußerte den Wunsch nach einer neuen Unterkunft für den Verein, da die Räume in der Haßfurter Innenstadt beengt seien.
Ihre Ware beziehe die Tafel von 18 Lebensmittelmärkten im Landkreis. Das Fahrteam, bestehend aus 24 Personen, sei von Montag bis Freitag täglich im Einsatz. Insgesamt arbeiteten in den Tafeln in Haßfurt und Eltmann rund 85 Helferinnen und Helfer. In den vergangenen Jahren wurden auch schon 140 Hilfsbedürftige versorgt. „Niemand musste abgewiesen werden“, betonte Ulbrich. Um über die Tafeln Lebensmittel erhalten zu können, sei der Besitz der „Haßberg-Card“ nötig, die vom Landratsamt nach Prüfung ausgestellt würde.
Anmerkung der Redaktion: In diesem Online-Beitrag haben wir ursprünglich fälschlicherweise den Eindruck erweckt, die Haßfurter Tafel habe Zuwendungen in Höhe von 100000 Euro erhalten. Bei dieser Summe handelt es sich in Wirklichkeit um Geld, das der Freistaat dem Landesverband der Bayerischen Tafeln zur Fortbildung seiner ehrenamtlichen Mitarbeiter zur Verfügung gestellt hat. Die Redaktion bedauert den Irrtum.

