Vor kurzem habe ich im Internet eine Antwort auf die folgende Frage gesucht: „Wie viel Lebenszeit verbringen wir mit Warten?“ Die Antwort kam unverzüglich: 374 Tage. Ich weiß nicht, ob das wirklich stimmt. Wenn ich allerdings beim Arzt im Wartezimmer sitze oder am Telefon in der Warteschleife hänge, dann habe ich das Gefühl, dass ein großer Teil meines Lebens aus nervenden Wartezeiten besteht. Dabei kann Warten auch schön und spannend sein. Das können wir in diesen Tagen von den Kindern lernen. Sie warten aufs Christkind, auf die Bescherung am Heiligen Abend. Die Spannung wächst mit jedem Tag und ebenso die Vorfreude. Kind müsste man sein, denke ich mir.
Auch die Bibel kennt Menschen, deren Leben vom Warten bestimmt war. Am Ende wurden sie dafür mit großer Freude belohnt. Ich meine die Hirten, die in der Nähe von Bethlehem die Herde hüteten. Sie hatten sich damit abgefunden, ein Leben lang unter freiem Himmel zu schlafen und auf die Tiere fremder Leute aufzupassen. Sie sehnten sich von Herzen nach dem Messias, der sie in ein besseres Leben führen würde. Die Hirten haben als erste erfahren, dass die Zeit ihres Wartens ein Ende hat. Ein Engel ist ihnen erschienen mit einer guten Nachricht. „Euch ist heute der Heiland geboren.“ Da machten sie sich auf zu dem Ort, den ihnen der Engel genannt hatte. Sie fanden ein Kind, das in einem Stall in einer Futterkrippe lag. Ich stelle mir vor, wie sie gestaunt haben. Ein kleines Kind sollte der Retter der Welt sein? Was hat sie froh werden lassen? Ich glaube, sie spürten, dass Gott selbst sie durch die Augen dieses Kindes ansieht. Sie haben erfahren, dass er für Menschen wie sie den Himmel verlassen hat. Er ist selbst Mensch geworden, um das Leben mit ihnen zu teilen, mit allen Höhen und Tiefen, die es darin gibt. Voll Freude sind sie zu ihren Herden zurückgekehrt und haben unterwegs allen erzählt, was sie erlebt haben. Ich bin mir sicher, einen grauen Alltag hat es für sie danach nicht mehr gegeben. Ihr Warten war nicht vergeblich. An die Hirten will ich denken und mich mit ihnen freuen, vor allem, wenn mir selbst das Warten wieder einmal zu lang wird.
Der Autor Stefan Köttig ist evangelischer Pfarrer in Altenstein und Hafenpreppach