Neben dem Limbacher Wasserkraftwerk geht es in die Tiefe. Über eine an der Wand befestigte Leiter geht es geradewegs nach unten – in einen alten Schacht. An der Wand des Schachts ist etwa auf Kopfhöhe ein Rohr angebracht. Dieses Rohr ist Bestandteil eines Aal-Bypass-Systems, das im Kraftwerk installiert ist. Ein Teil des Rohres wurde durch Plexiglas ersetzt. Hier befindet sich ein neuartiges Aalzählsystem.
Eingebaut wurde der Aalzähler am 30. August. Weltweit gibt es ihn bislang nur in den Kraftwerken Rothenfels und eben in Limbach bei Eltmann. Das System liefert seitdem beständig aktuelle Zahlen, wie Projektleiter Matthias Haselbauer von der Rhein-Main-Donau Consult berichtet. Vereinzelt wurden auch schon Aale gezählt. Das System funktioniert also technisch gesehen. Jetzt heißt es: „Warten auf die Aalwanderung.“
Als sogenannte Blankaale starten die Tiere ihre Wanderung in der kalten Jahreszeit – wenn es kühler wird und sie weniger Futter finden, wie Haselbauer erklärt. In dieser Zeit machen sich die Aale nachts auf in Richtung Atlantik. Bis zur Sargassosee wandern die Aale – um dort zu laichen. Die Reiseroute beträgt rund 5000 km, wie Jan Kiver, der Pressesprecher der Rhein-Main-Donau AG, ergänzt. Auf dem langen Weg zu den Laichgründen nehmen die Tiere keine Nahrung mehr auf. Die Aale, die sich auf den Weg machen, sind bei den Weibchen zwischen 12 und 15 Jahre alt, bei den Männchen zwischen sechs und sieben. Zurück kommen sie nicht, nach dem Laichen sterben die Aale.
Der Aal zählt zu den gefährdeten Fischarten. Die Bestände sind rückläufig. Hierfür gibt es laut Reinhard Hassinger von der Versuchsanstalt und Prüfstelle für Umwelttechnik und Wasserbau der Universität Kassel eine Vielzahl von Ursachen. Eine sei der Fischfang selbst, „denn genau die großen und fetten Blankaale werden am liebsten geräuchert und gegessen“.
Maßnahmen zum Schutz der Aale
Eine der Hauptursachen für die Gefährdung der Aale ist ihm zufolge außerdem, dass die Aale beim Passieren der Wasserkraftwerksturbinen zu Schaden kommen. Gezüchtet werden können Aale zum jetzigen Zeitpunkt nicht, „weil man nicht weiß, wie man die Aal-Larven ernähren kann“, erklärt Hassinger. Gerade deswegen sei es wichtig, dass die Aale ihre Laichgründe im Meer erreichen.
Um die Aale auf dieser Reise zu unterstützen, gibt es im Rahmen des Aalmanagements der Rhein-Main-Donau AG mehrere Lösungsansätze. Zum einen das sogenannte „Catch and Carry“, bei dem Berufsfischer die Aale abfischen und die Tiere dann in Containern zum Rhein transportiert werden, wie Jan Kiver erklärt.
In einigen Kraftwerken der RMD AG sind zudem sogenannte „Migromate“ installiert. Der „Migromat“ sei ähnlich einem Aquarium, erklärt Matthias Haselbauer. Dort werden die Fische beobachtet. Wenn die Aale dann unruhig und wanderwillig werden, reagiert das Frühwarnsystem und der Betrieb der Kraftwerke wird entsprechend heruntergefahren.
Ein weiterer Lösungsansatz ist der in Limbach installierte Bypass. Taucher haben dort vor den Turbineneinlässen Edelstahlrohre verlegt. Mit Luftdruckbohrmaschinen haben sie die Rohre am Boden des Mains befestigt, wie Matthias Haselbauer sich erinnert. Die Rohre verlaufen im Zick-Zack vor dem Rechen des Kraftwerks. Vor den Rohren liegt ein Borstenriegel. Die Kunststoffborsten des Riegels sorgen für Strömungsschatten.
Das Zick-Zack-Sammelrohr bietet den Aalen nun einen Weg um die Turbinen herum. An den Innenecken der Rohre befinden sich Schlupflöcher für die Aale. „Diese Schlupflöcher entsprechen der natürlichen Analogie der Tiere“, erklärt Haselbauer. So gelangen die Aale in das Sammelrohr.
Das Rohrsystem, das Reinhard Hassinger an der Universität Kassel entwickelt hat, leitet die Aale an den zwei Kraftwerksturbinen vorbei. Auf der anderen Seite werden sie dann wieder ins Unterwasser des Mains entlassen. Auf ihrem Weg durch das Rohr kommen die Aale auch am Aalzähler vorbei.
Infrarotstrahlen durchziehen diesen Teil des Rohrs. Die Aale unterbrechen diese Strahlen und ermöglichen so die Zählung. Damit die Aale einzeln und ausgestreckt durch den Zähler schwimmen, gibt es in der Rohrmitte eine Trennwand.
Mitinstalliert sind außerdem zwei Kameras, die parallel zur Zählung ein Bild machen. So kann kontrolliert werden, ob es auch wirklich ein Aal war, der da gezählt wurde. Außerdem misst der Aalzähler laut Matthias Haselbauer nur Aale ab 30 Zentimetern Länge. So wird verhindert, dass beispielsweise Gräser, die auch durch das Rohr kommen, mitgezählt werden.
Der Aalzähler wird von einer belgischen Firma vertrieben. Entwickelt hat ihn eine kanadische Firma. Ursprünglich wurden mit dem Zählsystem, die dort heimischen Lachse gezählt, wie Haselbauer erklärt. Dann sei eben die Frage aufgekommen, ob man so etwas auch für Aale entwickeln könne. Mitentscheidend war ihm zufolge, dass die Infrarotstrahlen auch bei trübem, lehmigen Wasser, was ideal für den Aal ist, funktionieren.
Nun erhofft man sich zum einen, dass mithilfe der Aalzählung die Tauglichkeit des Zick-Zack-Systems geprüft werden kann. Zum anderen könne man so beispielsweise erfahren, wann genau die Aale loswandern und dann die Turbinen entsprechend drosseln. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen außerdem mit Kollegen in Deutschland beziehungsweise Europa geteilt werden. Insgesamt sollen die Ergebnisse dabei helfen, den Aalschutz weiter zu verbessern.
Auch Reinhard Hassinger meint, dass mit den installierten Systemen wichtige Erkenntnisse gewonnen werden können. „Man lernt damit, wann und wie die Aale wandern und kann dann gezielt auf den Turbinenbetrieb so einwirken, dass möglichst wenig Aale beim Turbinendurchgang geschädigt werden.“ Die Maßnahmen zum Schutz der Aale sind für ihn aber bislang „nur ein erster Anfang und noch keine Lösung“. Für eine „wirklich spürbare Hilfe“ müsse noch mehr getan werden.
In Limbach wartet man nun erst einmal darauf, dass die Aale mit ihrer Wanderschaft beginnen. Das Projekt sei sehr spannend, sagt Matthias Haselbauer, der mit großer Begeisterung von dem Aalzähler berichtet. Er vergleicht das Ganze mit einem gerade fertig gewordenen Kinderspielplatz, auf den nun zum ersten Mal die Kinder zum Spielen kommen dürfen.