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Von der kaiserlichen Schenkung und Guantanamo-Mühlsteinen
Ehrenbürger und Heimatforscher Ludwig Leisentritt (rechts), hier im Gespräch mit Bürgermeister Thomas Stadelmann, warf in seinem Festvortrag hochinteressante Schlaglichter auf das Leben der Zeiler im Wandel der Jahrhunderte.
Foto: Sabine Weinbeer | Ehrenbürger und Heimatforscher Ludwig Leisentritt (rechts), hier im Gespräch mit Bürgermeister Thomas Stadelmann, warf in seinem Festvortrag hochinteressante Schlaglichter auf das Leben der Zeiler im Wandel der ...
Bearbeitet von Sabine Weinbeer
 |  aktualisiert: 29.03.2021 10:53 Uhr

Wer Geburtstag feiert, lädt sich Gäste ein und das tat die Stadt Zeil mit ihrem Festabend zum Auftakt des historischen Festwochenendes am Freitag. Viele Ehrengäste vom Landrat und MdL Steffen Vogel bis zu den Gemeindeoberhäuptern des Landkreises, aber vor allem diejenigen, die das Zeiler Jubiläumsjahr mitgestaltet und unterstützt haben und dies bis Silvester weiter tun, konnten Bürgermeister Thomas Stadelmann und Moderator Eberhard Schellenberger im Rudolf-Winkler-Haus begrüßen. Per Videobotschaft gratulierte sogar Ministerpräsident Markus Söder. Live vor Ort war Bürgermeister Petr Klouda aus Rymanov, dem früheren Römerstadt in der Tschechischen Republik.

Einen glanzvollen Rahmen setzte das Kammerorchester Zeil unter der Stabführung von Oliver Kunkel und mit dem erst 17-jährigen Jameel Wilmore am Flügel. Zur Musik zeigte der Fotoclub Bildcollagen, die die ganze Schönheit Zeils sichtbar machten.

Das Käppele: Fränkisches Lourdes

Fünf historische Figuren markierten den Anfang und das Ende des Festabends: Abt Alberich Degen, der die Silvaner-Rebe nach Franken brachte, Pfarrer Karl Link, der das Zeiler Käppele als „fränkisches Lourdes“ errichtete, Elisabetha Hofmann, die einst eine Armenstiftung gründete, Steinmetzmeister Melchior Kurtz, der als einer der ältesten Einwanderer bezeichnet wurde und für die Integrationskraft Zeils stehen sollte, und Bürgermeister Johann Langhans. Sein Tagebuch dokumentiert die Zeit des Hexenwahns, dem er schließlich selbst zum Opfer fiel.

Sie alle spielten eine wichtige Rolle in der Zeiler Geschichte, die im Festvortrag Ludwig Leisentritt behandelte. Ihm, den Bürgermeister Thomas Stadelmann als das „historische Gewissen Zeils“ bezeichnete, gelang es, in heiteren, spannenden manchmal seltsamen, aber auch nachdenklichen und hochpolitischen Episoden aufzuzeigen, welche Höhen und Tiefen die Stadt in ihrer dokumentierten Geschichte durchmachen musste. Wie Kriege und Hungersnöte immer wieder das bisschen Wohlstand raubten, das sich die Bürgerschaft erarbeitet hatte.

„Das Leben der Zeiler im Wandel der Zeiten“ war der Vortrag überschrieben und Ludwig Leisentritt zog auch überraschende Verbindungslinien. Beispielsweise zu König Wenzel, der Zeil das Marktrecht verlieh, der aber auch den später Heiligen Nepomuk ertränken ließ, weil der das Beichtgeheimnis der Königin wahrte. Viel Grund zum Stolz gebe es in Zeil, auf den Bamberger Reiter aus Zeiler Sandstein ebenso wie auf die Integration von rund 900 Vertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg oder auf den Strukturwandel, der zu bewältigen war.

Weidenstreit und Fischerkrieg

Leisentritt erinnerte an den Weidenstreit und den Fischerkrieg mit Nachbarkommunen, an die bis heute Flurnamen wie „Kriegecken“ und „Zankwörth“ erinnern, und an die vielen Funktionen, die ein Rathaus früher hatte. „Der Ratssaal war früher Tanzsaal und Theater, aber auch Gerichtssaal“, im Dach wurden Getreide und Hopfen gelagert, im Keller Wein. Im ersten Weltkrieg war das Rathaus Lazarett und hundert Jahre lang Volksschule.

Große Momente waren für Zeil der Bau der Eisenbahn 1852 und des Zeiler Käppele 1894. Leisentritt erzählte, dass Zeiler Schleifsteine bis Kuba geliefert wurden in die Zuckerrohr-Plantagen um Guantanamo, das zu so trauriger Berühmtheit gelangte. Und er zeigte auf, wie im 19. Jahrhundert rund 500 Zeiler in die USA auswanderten „die meisten von ihnen als Armutsflüchtlinge“. Leisentritt erinnerte, dass die Grenze zur DDR nach vorhandenen Plänen auch zwischen Zeil und Sand hätte verlaufen können.

Aus der Geschichte lernen

Als Heimatforscher wünschte er sich, dass die Menschen aus der Geschichte lernen, denn „die Zukunft können wir nicht voraussehen, sondern nur ermöglichen“. Die Basis in Zeil sei gut, nicht zuletzt, weil Pfarrer Michael Erhart jüngst sogar den päpstlichen Segen mitbrachte. Stehender Applaus war der Dank an den Zeiler Ehrenbürger für diesen unterhaltsamen Parforceritt durch 1000 Jahre Zeil. Auch die historischen Figuren hatten gute Wünsche für Zeil: Dass jeder seinen Platz haben möge, der Frieden erhalten bleibe, sich die Menschen um die Schwächeren kümmern und die Geselligkeit und das Miteinander pflegen.

Die Abschluss-Überraschung lieferte der Fotoclub mit einem Film vom „Chor der 1000 Stimmen“, den viele der Anwesenden erstmals als Zuschauer genießen konnten.

 
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