Bambergs prominentester Altvordere, Kaiser Heinrich II., machte selbst Bekanntschaft mit Ärzten und Pflegern. Zwar gibt es keine detaillierten Quellenbelege. Doch die einschlägige Forschung geht davon aus, dass dem Kaiser im Jahr 1022 Blasensteine operativ entfernt wurden. Und zwar im Benediktinerkloster Monte Cassino, in dem vermutlich ein medizinisch versierter Wanderchirurg den Kaiser von seinem schmerzhaften Leiden erlöste. Inklusive Narkose per „Schlafschwamm“, getränkt mit berauschenden pflanzlichen Zutaten.
Das Grabmal von Tilman Riemenschneider im Bamberger Dom zeigt an einer Längsseite die soeben vollendete und überlebte Operation: Der Chirurg legt den Stein in die Hand Heinrichs, der noch von seiner Narkose betäubt schläft. Das Geschehen wird als Wunder dargestellt, wo der Heilige Benedikt selbst tätig war.
Allein schon die Schilderung dieser mittelalterlichen Begebenheit um den bis heute verehrten heiliggesprochenen Kaiser Heinrich II. ist eine Denkwürdigkeit erster Güte, mit dem das brandneue Buch „Bamberger Medizingeschichten“ aufwartet. Herausgegeben hat es der Ärztliche Kreisverband Bamberg, in dem es einen eigenen Arbeitskreis Medizin-Geschichte gibt.
Medizingeschichtlichen Rundweg durch Bamberg
Denn „spontan bringt man das Stichwort Bamberg nicht mit Medizin oder gar Medizingeschichte in Verbindung“, schreibt Dr. Georg Knoblach, Vorsitzender des Ärzteverbandes, in seinem Vorwort. Dabei sei die Domstadt besonders im späten 18. Jahrhundert und frühen 19. Jahrhundert „ein wichtiger Brennpunkt für die Entwicklung der modernen Medizin in Deutschland und des öffentlichen Gesundheitswesens in Bayern“ gewesen, so Knoblach.
Mehrere Autoren unterschiedlicher Fachrichtungen haben mit diesem reich illustrierten Buch einen medizingeschichtlichen Rundweg durch Bamberg eröffnet, der außer Erinnerungswürdigen Stätten auch so manche Merkwürdigkeit wie zum Beispiel ein erstes „umweltmedizinisches Gutachten“ von 1803 bereithält. Zumal der Weg in die medizinische Gegenwart mit dem Hochleistungsklinikum am Bruderwald und auf dem Michelsberg sowie den fachlich qualifizierten Ärzten in ihren Praxen lang und steinig war.
Die „Bamberger Medizingeschichten“ spüren diesem Weg vom UNESCO-Weltdokumentenerbe „Lorscher Arzneibuch“ (8./9. Jahrhundert) aus der Bamberger Staatsbibliothek bis zum im August 1945 verstorbenen Krankenhauschef Professor Dr. Wilhelm Lobenhoffer nach. Dabei werden generell weder ideologisch begründete Gräuel noch dem jeweiligen Zeitgeist geschuldete medizinische Verirrungen ausgeblendet.
Einige Kapitel sind bekannten Medizinerpersönlichkeiten gewidmet
Natürlich sind einige der insgesamt 29 Kapitel so bekannten Medizinerpersönlichkeiten wie Adalbert Friedrich Marcus, Johann Lucas Schönlein oder Andreas Röschlaub gewidmet. Es finden sich aber auch Aufsätze zu Barbieren, Apothekern, jüdischen Ärzten und den Physikatsberichten des 19. Jahrhunderts im Kontext der Berichte der bayerischen Gerichtsärzte. Kunsthistorische Objekte mit Bezug zur Heilkunde wie eben das Grab von Kaiser Heinrich II. im Dom oder der „Himmelsgarten“ in der Klosterkirche St. Michael werden ebenso vorgestellt wie die historischen Krankenanstalten einschließlich der Lazarette in den Weltkriegen.
Nicht ausgespart bleiben die Verflechtungen von Medizin und Politik an Beispielen der Sozialfürsorge des Fürstbischofs Franz Ludwig von Erthal, der Beteiligung von Ärzten an der 1848er Revolution und aktuellerem Geschehen. Deutlich sind die engen Bezüge von Leib und Seele für ein Wohlbefinden und für Krankheiten herausgearbeitet. Es gibt Kapitel über „Gebaute Caritas“, Beginen als Krankenpflegerinnen oder die „Heil(ung)ssehnsucht und Mirakelglaube am Grab des heiligen Bamberger Bischofs Otto“.
Erzbischof Ludwig Schick schreibt Vorwort
Dessen Nachfolger auf dem Bischofsstuhl, Erzbischof Ludwig Schick, erinnert in seinem Vorwort daran, dass sich die Kirche von Anfang an der Kranken angenommen hat: „Sie errichtete Spitäler und Krankenhäuser, vom Geist Jesu inspirierte Christen entwickelten Therapien und Operationsmethoden, erfanden Medikamente und gründeten Apotheken. Im Raum der Kirche entstanden Orden für Frauen und Männer sowie Bruderschaften, die sich die Betreuung der Kranken und Sterbenden zum obersten Ziel setzten“, schreibt Schick.
So war es auch in Bamberg, wo die ganzheitliche Medizin bis zum heutigen Tag Auftrag und Erbe einer beachtlichen Geschichte ist. Diese nachgezeichnet zu haben, ist ein Verdienst des Ärztlichen Kreisverbandes Bamberg. Dieser stellte am 2. Oktober das druckfrische und flüssig lesbare Buch offiziell im Klinikum am Bruderwald den – coronabedingt –geladenen Gästen vor.