Sport an der frischen Luft, das ist für jedermann ein sehr gesunder Zeitvertreib. Für Michael Bräunig ist es etwas mehr: täglicher Sport ist für ihn existenziell, denn er sitzt seit 19 Jahren im Rollstuhl. Die Beweglichkeit, die ihm die Querschnittslähmung gelassen hat, muss er trainieren – und das Training brauchen alle seine Organe. Deshalb ist Michael Bräunig fast täglich mit dem Handbike unterwegs, auch wenn das im Steigerwald die eine oder andere Herausforderung mit sich bringt.
Auch im Rollstuhl sitzend, ist Michael Bräunig ein Mann wie ein Baum – man sieht ihm an, dass er aktiv mit seiner Behinderung umgeht. 1990 passierte der Verkehrsunfall, bei dem sein Rückenmark durchtrennt wurde. Zwischen dem sechsten und siebten Halswirbel – „da hab ich Glück gehabt, dass ich meine Arme weiter bewegen kann. Die Finger nicht alle, aber die Arme funktionieren gut“, erzählt er. Das ganze Leben des damals 29-jährigen Metzgermeisters wurde auf den Kopf gestellt. Schon während der Reha wurde ihm klar gemacht, dass Rollstuhlfahrer intensiv an sich arbeiten müssen, um Folgeerkrankungen zu vermeiden. Die Atmung, die Funktion der Organe, alles wird beeinträchtigt, wenn Michael Bräunig nicht regelmäßig trainiert. „Ich hab zwar auch Trainingsgeräte für den Winter, aber Richtung Frühjahr sind beispielsweise meine Zuckerwerte deutlich schlechter als im Sommer“, erklärt er. Und mehr Freude mache die Bewegung in freier Landschaft ohnehin.
So ist er seit 2001 mit dem Handbike unterwegs. Mit wenigen Handgriffen steckt er an seinen Sport-Rollstuhl das Handbike-Modul an und los kann es gehen. Seit zehn Jahren hat er darin einen Elektromotor. „Beim ersten Fahren ohne Unterstützung war ich nach dem ersten Berg schon mal fix und fertig und hab eine Pause gebraucht“, lacht er im Rückblick. Andere haben in seinem Alter auch ein e-bike. Ohne Steigungen zu überwinden, kommt er entweder aus Dankenfeld nicht raus, oder nicht zurück, das ist nunmal so im Steigerwald.
20 Kilometer lang ist seine „Hausstrecke“ von Dankenfeld bis Fabrikschleichach und zurück – bis auf die Steigung in Dankenfeld selbst schön eben und windgeschützt. Ebenfalls 20 Kilometer sind es nach Oberschleichach zu seinem Hausarzt. „Das ist die einzige barrierefreie Praxis hier in der Nähe.“ So kann Michael Bräunig ganz unabhängig seine Arztbesuche planen, seine Frau muss ihn nicht nach Feierabend begleiten. Barrierefreiheit, das ist derzeit ein viel gebrauchtes Schlagwort.
Für Michael Bräunig und andere Menschen mit Beeinträchtigungen bedeuten Schwellen im Alltag eine Begrenzung ihrer Selbstständigkeit. Breunig ist keiner der jammert, aber er sagt selbstbewusst seine Meinung. Bürgermeister Thomas Sechser wohnt schräg gegenüber, da bringt er seine Anregungen gerne direkt an oder meldet sich bei Bürgerversammlungen zu Wort.
Umso verärgerter war er, als er in der jüngsten Bürgerversammlung erfuhr, dass der Radweg zwischen Tretzendorf und Unterschleichach trotz Zustimmung des Naturschutzbeirats und positiven Bescheids der Regierung von Unterfranken nun doch wieder in Frage steht. Der Bund Naturschutz hat gegen den Bescheid der Regierung geklagt, ihm ist der Eingriff in das Naturschutzgebiet „Tretzendorfer Weiher“ zu groß. „An die Sicherheit von Menschen wird da offensichtlich nicht gedacht“, ärgert sich Bräunig. „Da hätte man schon was machen können, als die Amphibientunnel in die Straße eingebaut wurden“, ist er überzeugt. Der bestehende Schotterweg durch den Wald abseits der Straße „ist höchstens für Mountainbiker geeignet“, ist er sich mit vielen anderen Radfahrern aus Oberaurach einig. Der Weg ist schwer zu befahren und die massive Steigung im unteren Drittel schafft sein Handbike nicht einmal mit dem zusätzlichen Zug-Motor, „weil ich da vorne zu wenig Haftung habe. Da muss ich schon auf dem asphaltierten Weg am Zeller Berg aufpassen, wenn ich an der falschen Stelle stehen bleiben würde, komm ich nicht mehr in Fahrt“ – sein Erfahrungsschatz ist groß. „Ich kenne viele ältere Leute und Familien mit Kindern, die gerne innerhalb Oberaurachs mehr Rad fahren würden, aber die Straße ist ihnen zu kurvig und gefährlich und der Waldweg funktioniert nicht. Deshalb bin ich auch viel in Rauhenebrach unterwegs – das ist ein Radwegenetz!“
Nach dem Gespräch mit dieser Redaktion muss er dennoch nach Oberschleichach zum Arzt. Hinten an seinem Handbike leuchtet eine Sicherheitsweste „und durch die Kurven gebe ich Vollgas, damit ich möglichst schnell aus dem Gefahrenbereich raus bin“, erklärt er. Sein Wunsch ist klar: „Dass der Radweg nächstes Jahr endlich gebaut wird. Nicht für die Rennfahrer, nicht für die Radtouristen, sondern für die Oberauracher.“