Der international anerkannte Künstler Herman de Vries, der seit 1970 in Eschenau lebt, wird sein Geburtsland, die Niederlande, bei der 56. Internationalen Kunstausstellung Biennale Venedig vertreten. Diese Auszeichnung empfindet der 83-Jährige als „befriedigend“, auch wenn die zehn Tage, die er ab der Ausstellungseröffnung am 3. Mai dieses Jahres in Venedig verbringen wird, für ihn die „meistbeschäftigten Tage“ seines Lebens werden.
„Die Biennale ist eine international bedeutende Ausstellung, noch bedeutender als die documenta in Kassel, und ich werde der älteste Künstler sein, der jemals dort ausgestellt hat“, erzählte Herman de Vries stolz. „Immerhin werden zur Ausstellungseröffnung rund 3500 Museumsleute und Kunsthistoriker kommen.“ Besonders freut ihn, dass er von seiner Heimat nicht vergessen und von den Kuratoren Cees de Boer und Colin Huizing vorgeschlagen wurde. „Ich wurde von einem Journalisten des Independent London gefragt, ob ich mein Heimatland überhaupt vertreten könne, weil ich seit 45 Jahren in Eschenau lebe. Doch ich habe ihm gesagt: Ich bin Europäer und bin mir meiner niederländischen Wurzeln immer noch bewusst“, sagte er.
In Venedig wird Herman de Vries seine Arbeiten im Pavillon in den Giardini, den öffentlichen Gärten im Stadtteil Castello, dem Hauptschauplatz der Biennale, ausstellen. Als Titel hat er die Worte „to be all ways to be“ gewählt, die in eine beliebige Reihenfolge gesetzt werden können. „Es ist eine Formel, die unser Leben und unsere Stelle im Leben andeutet; aber nicht nur das menschliche Leben, sondern alles, was ist“, erklärte er. Zum einen wird er unter anderem auf einer 5,5 mal acht Meter großen Wand 44 seiner „Erdenausreibungen“ zeigen. Dazu hat Herman de Vries Erden aus der ganzen Welt, die teils aus Eschenau, dem Altaigebirge in Sibirien, aus Nordamerika oder von den Pribilof-Inseln in der Beringsee stammen, auf weißem Papier ausgerieben und verglast. „Es wird viel bunter, als man sich das vorstellen mag“, so der Künstler. „Aber man schaut ja meistens nicht auf das, was vor den Füßen liegt.“
Er hat auch eine Installation mit 108 Pfund getrockneten Rosenblüten vorbereitet, die den ganzen Raum mit Duft füllen wird. Daneben wird ein Journal von der Lagune von Venedig präsentiert, das seine Frau Susanne de Vries in Rücksprache mit ihm erstellt hat. So war Herman de Vries, der sich in der „glücklichen Lage“ befindet, von seiner Frau und zwei Mitarbeiterinnen unterstützt zu werden, im Herbst 2014 nach Venedig gereist, um zu fotografieren und Material für das Journal zu sammeln: Erden und Pflanzen, Algen und Seetang aus der Lagune, Muscheln und Steine, Artefakte, also gefundene Dinge, die für das Leben in dieser Stadt stehen. All dies verarbeitete Susanne de Vries zu einem 120 Seiten umfassenden „Protokoll“ dieser Reise, das als große Bilderserie gezeigt wird. Auch einige Vegetationsschnitte mit dem Titel „Rasenstücke“, Natur eingerahmt zu Bildern, werden auf der Biennale zu sehen sein. Ebenso wie verbrannte Baumstämme vom Sonnwendfeuer 2014 aus Eschenau oder ein Foto seiner Performance „drinking from the stream“.
In seine Ausstellung hat er auch zwei Inseln in der Lagune einbezogen: die Insel Madonna del monte, die mit dem Vaporetto angefahren werden kann, und die sonst nicht zugängliche Insel Lazzarreto vecchio, auf der es einst ein Pestspital gab. „Auf der letzteren Insel wird es ein Fest und eine kleine Installation von mir geben“, erläuterte der Künstler. „Außerdem werden dorthin Exkursionen angeboten.“
Seit Herman de Vries mit seiner Frau in Eschenau lebt, hat sich seine künstlerische Arbeit weiter entwickelt. „Früher habe ich streng programmatische Arbeiten nach Zufallsangaben erstellt“, sagte er. „Doch dann habe ich festgestellt, dass in der Wirklichkeit alles zufällig passiert und ich habe begonnen, das zu dokumentieren.“ So hatte er in seinem eigenen Garten angefangen und im Herbst fallende Blätter von einem Apfelbaum auf einem Stück Papier gesammelt. Die drei Arbeiten „Eine, zwei, drei Stunden unter meinem Apfelbaum“ wurden zwar zunächst einzeln verkauft. Doch nun sind sie zur großen Freude des Künstlers als Gesamtwerk im Stedelijk Museum Schiedam zu sehen.
„Ich wollte, ich wäre noch 70 Jahre alt“, gab Herman de Vries im Interview an. Trotz seines hohen Alters ist er immer noch sehr aktiv und wird am 4. Juli in die Niederlande reisen. Zum einen stellt er im „Kröller Müller-Museum“ bei Otterloo aus und zum anderen ist er an einer Zero-Ausstellung im Stedelijk-Museum in Amsterdam beteiligt. Noch bis 8. Juni sind seine Werke außerdem im Martin-Gropius-Bau in Berlin der Ausstellung „Zero – Die internationale Kunstbewegung der 50er und 60er Jahre“ zu sehen. Zudem bereitet Herman de Vries mit einem Kunsthistoriker auf Java eine Ausstellung in Jakarta vor, die im Herbst eröffnet wird, und arbeitet an einem neuen Buch „venetian details“, das im Herbst in Amsterdam präsentiert wird. „Action macht mir Spaß“, verriet Herman de Vries, „und ich gehe noch jeden Tag für ein paar Stunden in den Steigerwald.“ Obwohl er so viel zu tun hat und ständig Interviews geben muss, hat er dazu die Muße. „Erst gestern war ich in den Erbslöchern“, sagte er. „Niemand weiß, wo das ist, aber es ist ein sehr schöner Ort.“