Die ganze Vielfalt ihres Bildungsangebots präsentierten die Volkshochschulen im Landkreis Haßberge am Freitag in ihrer Langen Nacht der VHS. Anlass dafür war das hundertjährige Bestehen des Volkshochschulwesens.
Die zentrale Eröffnung durch Landrat Wilhelm Schneider und VHS-Kreisgeschäftsführer Holger Weininger erfolgte im UBiZ in Oberschleichach, wo später nach dem Film „Guardians of the earth“ eine sehr angeregte Diskussion mit den Organisatoren von „Fridays for future“ stattfand.
Der Landrat zeigte sich stolz auf die breite Palette der Erwachsenenbildung im Flächenlandkreis Haßberge. Praktisch in jedem Ort hätten die Menschen die Gelegenheit, entsprechend ihrer Neigungen Kursangebote zu finden. „Zwar noch nicht seit hundert, aber doch schon seit über 40 Jahren“. Er dankte allen, die als Referenten oder Arbeitsstellenleiter dieses flächendeckende Netz knüpfen, die immer wieder neue Aspekte in das Bildungsangebot einbringen.
Die Lange Nacht sei eine sehr gute Idee, diese Bandbreite einem breiten Publikum näher zu bringen. Auch er selbst hatte sich für diesen Abend noch einige weitere Stationen vorgenommen.
Die Gemeinde Oberaurach sei stolz auf das UBiZ, wie auch auf die eigene VHS-Arbeitsstelle, betonte Dritte Bürgermeisterin Sabine Weinbeer. Grund, etwas dazu zu lernen, gebe es immer – ob berufsbedingt oder um den geistigen Horizont zu erweitern, schlummernde Talente zu wecken oder einfach Freude und Entspannung zu finden.
Trauriger Blick hinter die Kulissen
Dass dies alles möglich ist, zeigten die folgenden Schnupperangebote von Blitzentspannung beim Trophotraining bis zu Dance-Fitness. Das UBiZ lud ein zu zwei Runden Philosophie und dann startete Energieberater Günther Lieberth den Dokumentarfilm „Guardians of the earth“, der während der Weltklima-Konferenz in Paris entstand. Die Blicke hinter die Kulissen, Interviews mit Chefunterhändlern verschiedenster Länder und wissenschaftlichen Beratern warfen ein sehr aufschlussreiches Licht auf dieses schwierige Unterfangen. Eine Generalsekretärin der Weltklimakonferenz Christiana Figueres, die im Interview mit den Tränen kämpft, vor den Großen der Welt aber energische Worte findet. Das Taktieren und Blockieren von ölproduzierenden Ländern wie den Emiraten, aber auch des Kohle-Giganten Australien und der verzweifelte Kampf der Chefunterhändler der wenig entwickelten Länder.
Diese wie die Philippinen oder Bangladesh sind am meisten betroffen. „Bei zwei Grad Klimaerwärmung verlieren zehn Millionen Menschen in Bangladesch ihre Heimat“, so ein Wissenschaftler.
Erschrockene Gäste
Als „interessant, aber erschreckend“ bezeichneten die Zuschauer zu Beginn der Diskussion die Einblicke, die der Film gewährte. Das Ringen um eckige Klammern, die Ignoranz vieler Vertreter von reichen Ländern und die Tatsache, dass trotz des damals geschlossenen Abkommens bisher praktisch nichts geschehen ist, um es auch umzusetzen, machte viele Zuschauer wütend.
Günther Lieberth freute sich, dass einige Jugendliche von „Fridays for future“ nach einem aufregenden Aktionstag noch den Weg ins UBiZ fanden, um an der Diskussionsrunde teilzunehmen. Dabei war schnell klar, dass viele Vorwürfe, die den demonstrierenden Jugendlichen gemacht werden, nicht zutreffen.
Diese jungen Leute sind eben nicht die, die im SUV zur Demo gefahren werden, die alle zwei Jahre ein neues Handy fordern oder im Urlaub um die Welt fliegen. Hier diskutierten sehr engagierte, bestens informierte junge Menschen, die sich um die Zukunft der Welt sorgen. „Wir fahren Fahrrad und Zug, tragen Second-Hand-Kleidung und sind für viele andere die schrägen Ökos“, erklärte eine Schülerin im Gespräch.
Natürlich lebten auch sie nicht auf einer Insel, aber „wir versuchen eben so ökologisch wie möglich zu leben. Wir waren mit dem Zug in Schottland. Das dauert dann halt drei Tage, aber mit dem Zug sieht man mehr und man lernt viele Menschen kennen“, schilderte eine der Schülerinnen.
Dass am Freitag so viele an der Demo teilnahmen, freute sie sich. Aber es gab auch schon viele Enttäuschungen. „Fridays for future“ ist bisher weitgehend an der Waldorf-Schule in Haßfurt angesiedelt. Es gab Versuche, die Demos um 13 Uhr am Schulzentrum zu starten und so auch Gymnasiasten, Mittel- und Realschüler einzuladen – ohne zum Schule schwänzen zu animieren. „Aber die sind in Scharen an uns vorbei gelaufen“. Den Kontakt zu den anderen Schulen herzustellen, das wollen jetzt einige der „Parents for future“, die ebenfalls ins UBiZ gekommen waren.
Überall war was los
Die Aktionen zum Jubiläum beschränkten sich aber beileibe nicht nur auf den Steigerwald, im Gegenteil. Im gesamten Landkreis war am Freitag viel los. Zum Beispiel auch im Norden, genauer gesagt, in Aidhausen. Dort stellte Bürgermeister Dieter Möhring vor den zahlreichen Gästen in der Mehrgenerationenwerkstatt die Frage: „Was haben die Enkelin eines Papstes, ein deutscher Philosoph und die Hauptgemahlin eines ägyptischen Königs gemeinsam?“ Möhring erntete nur ratlose Gesichter: „Sie werben gemeinsam auf dem Plakat für die Lange Nacht der Volkshochschulen, die heute deutschlandweit stattfindet“, löste er das Rätsel auf.
Die VHS-Außenstellen mehrerer Kommunen hatten sich in Aidhausen zusammengeschlossen. Das Organisationsteam um die örtliche Außenstellenleiterin Heike Piechaczek bot den Gästen ein abwechslungsreiches Programm, das viele Facetten der Volkshochschule spiegelte. Mit einem Augenzwinkern sind die Adelige Eleonora d?Este (1515–1575), Karl Marx (1818 –1883) und Nofretete (14. Jhd. v. Chr.) auf dem Plakat der VHS in Szene gesetzt. Den Bart von Karl Marx schmücken Karotten, die Büste der Nofretete trägt einen Bauhelm und das Gemälde einer jungen Dame wirft sich vor dem Smartphone in Selfie-Pose. Mit einer Kombination aus witzigen Bildmotiven und einprägsamen Botschaften werben die Volkshochschulen im Jubiläumsjahr für ihren breit gefächerten Programm-Mix.
Kultur, Ernährung, Gesundheit, Sprachen, Gesellschaft, Kreativität – was sich im Programmheft der VHS findet, wurde auch während des kurzweiligen Abends in Aidhausen präsentiert.
Das Essen von früher
Die Haßberger literarische Tafelrunde „Halitaru“ lädt im VHS-Programm Literaturinteressierte zum Austausch ein. Einen Blick darauf, wie sich Essen und Trinken in den vergangenen 100 Jahren entwickelten, gewährte die Leiterin des Literaturkreises, Inge Hahn. Magere Jahre herrschten um 1919, geprägt von Hungersnot, Mangelernährung und Krankheiten. Die folgenden „Goldenen 20-er Jahre“ wurden vom Krieg und von Essensrationierungen beendet. Wer sich auf dem Lande von Feld- und Gartenfrüchten ernähren konnte, hatte Glück. Mit der Ankunft der Gastarbeiter wandelte sich die Esskultur. Italienisches Eis, Pizza, Spaghetti und Co. eroberten die deutschen Gaumen. In den 70-er Jahren sagten frittierte Kartoffeln und gebrutzeltes Hack der gepflegten Esskultur und der Gesundheit den Kampf an. Mit amüsanten Texten von Joachim Ringelnatz, Heinz Erhard, Mira Lobe und anderen würzte Hahn ihren informativen Vortrag. Einen sprachlichen Exkurs ins Hohenlohe-Franken machte sie mit dem von ihr verfassten Mundartgedicht „Gnooschbeidl“ (Genussbeutel), das einen Menschen beschreibt, der nicht alles isst, was man ihm vorsetzt.
Ein seltener Gast
Sichtlich stolz stellte Bürgermeister Möhring den musikalischen Künstler des Abends vor. Stefan Heimers aus Bremen fährt seit vielen Jahren zum Urlaub in ein Ferienhaus am Ellertshäuser See. Bei einem Einkauf in Aidhausen war der pensionierte Lehrer so begeistert vom Dorfladen und der Mehrgenerationenwerkstatt, dass er dem Gemeindeoberhaupt ein kostenloses Konzert anbot.
Unterstützt von Frank Schölch aus Fuchsstadt, holte er ein bekanntes Lied nach dem anderen aus der Liedermacherkiste. Stimmungsvoller Gesang, begleitet von harmonischen Gitarrenklängen, entführte die Zuhörer mit Reinhard Mey in die grenzenlose Freiheit über den Wolken, mit Ralph McTell in die Straßen von London und mit Harry Belafonte auf die Insel im Sonnenlicht. Natürlich durfte ein Ausflug ins Norddeutsche nicht fehlen. Bei der amüsanten Geschichte vom Hering und der Makrele stimmte das Publikum gerne mit ein.
„Egal, welche Sprache oder welchen Dialekt wir sprechen – wir sind doch alle Nachbarn und Brüder“, sagte Wilhelm Wolpert. Ob Inkontinenz oder Demenz: Gerne bringt der Mundartdichter Licht in menschliche Tabuzonen, über die sonst der Mantel des Schweigens gehüllt wird. Verschmitzt und humorvoll reizt Wolpert gleichermaßen zu Lachtränen und zum Nachdenken.
Er trifft den Nerv der Menschen
Neben allerlei Fragen zur Gesundheit wurde auch Gesellschaftspolitisches beleuchtet – und sei es nur zwischen den Zeilen seiner stets heiteren Texte. Den Nerv der Zeit trifft er mit einem Gespräch zwischen Oma und Enkel Franz über erwünschte Pflanzen und Tiere und lästigem Unkraut und Geziefer. Ob das nicht alles von Gott gemachte Lebewesen seien, stellt der kleine Franz die Kategorien seiner Oma kindlich-naiv in Frage.
Außergewöhnliche Kreationen
Kreativität bewies Matthias Wolf beim Bierbrauen. Der Hobbybrauer aus Friesenhausen hatte drei Eigenerzeugnisse zum Verkosten mitgebracht und gewährte Einblicke in die Kunst des Bierbrauens. Als Aperitif eignet sich das sektähnliche Johannisbeerbier, dem rote und schwarze Johannisbeeren und Jostabeeren ihr Aroma verleihen. Wesentlich herber, für manche fast schon bitter, floß das Amerikanische Ale, gebraut mit amerikanischen Hopfensorten, durch die Kehlen. Für manchen war das Waldbier, verfeinert mit Waldhonig und jungen Fichtentrieben, der Favorit.
Zu musikalischer Unterhaltung ließen sich die Gäste die Kostproben munden. Leckeres Gebäck vom örtlichen Bäcker machten den Genuss perfekt. „Da habt ihr was Tolles auf die Beine gestellt“, gab es am Ende viel Lob für die rundum gelungene VHS-Nacht in Aidhausen.