Judith Selig aus Wonfurt und ihr Freund Florian Schlagintweit aus Starnberg sind unglaublich glücklich und stolz. Denn die beiden Astrophysikstudenten haben zusammen mit fünf Studienkollegen und ihrem Professor, dem aus dem Fernsehen bekannten Harald Lesch, in drei Jahren ein Buch geschrieben, das an Aktualität wohl nicht zu überbieten ist. „Die Entdeckung des Higgs-Teilchens – Oder wie das Universum seine Masse bekam“ ist nur kurz nach der Verleihung des Nobelpreises für Peter Higgs und François Englert erschienen.
„In dem Buch geht es darum, Verständnis für das Higgs-Teilchen zu wecken, ohne das das Universum keine Masse haben würde“, erzählte Judith Selig, die seit 2009 Astrophysik studiert. „Außerdem haben wir das verzweifelt gesuchte, gottverdammte Teilchen, das in den Medien zum Gottesteilchen avancierte, aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet.“
„Total nett und immer bemüht“
Nie hätten Judith Selig und ihre Kommilitonen gedacht, dass sie einmal zu Co-Autoren des bekannten Professors für Theoretische Astrophysik am Institut für Astronomie und Astrophysik der Universität München, Harald Lesch, werden würden. Die heute 23-Jährige, die sich schon seit ihrer Kindheit für die Sterne, die Planeten und den Weltraum interessiert, hatte Harald Lesch aber bereits aus der Fernsehsendung „alpha-Centauri“ gekannt. „Er war mit ein Grund für mich, Astrophysik zu studieren“, gab sie an. Dass er in ihrem Bachelor-Physikstudium Vorlesungen in Astrophysik gab, hat sie sehr gefreut. „Er ist so, wie man ihn aus dem Fernsehen kennt: total nett und immer bemüht, Wissenschaftliches so verständlich wie möglich zu formulieren.“
Ihr Freund Florian Schlagintweit hatte erst Maschinenbau studiert und war dann zur Physik gewechselt. „Damals kannte ich Harald Lesch nicht“, teilte er mit. „Doch seit der ersten Vorlesung bei ihm bin ich Feuer und Flamme für die Astrophysik.“
Eines Tages wurde Harald Lesch gebeten, ein Buch über Verschwörungstheorien zu schreiben. Als er seine Studenten fragte, ob sie sich daran beteiligen wollten, meldeten sich spontan 20 Personen, darunter auch Judith Selig und ihr Freund. Doch bei näherer Recherche stellte sich heraus, dass das bisherige Repertoire des Verlages nicht im Bereich der Wissenschaft lag und das Thema bereits ziemlich ausgereizt war. „Wir haben dann überlegt, ein Buch zum OPERA-Experiment zu verfassen“, so Judith Selig. „In diesem Experiment wurde angeblich eine Überlichtgeschwindigkeit von Neutrinos nachgewiesen, die im Widerspruch zu bislang anerkannten Grundgesetzen der Physik stand.“ Da jedoch Fehler in der Experimentaldurchführung gefunden wurden und eine neue Messung eine Übereinstimmung mit der Lichtgeschwindigkeit ergeben hatte, war dieses Thema ebenfalls erledigt. Als sich die inzwischen auf sieben Studenten reduzierte Gruppe im Sommer 2012 erneut traf, war gerade der Nachweis erbracht worden, dass das 1964 theoretisch vorhergesagte Higgs-Teilchen existiert.
„Aufwändige Suche“
„Wir haben uns auf dieses Thema gestürzt und überlegt, dass wir von der aufwändigen Suche nach dem Higgs-Teilchen, von den theoretischen Voraussetzungen und von den Konsequenzen für die Teilchenphysik berichten wollen“, ließ Judith Selig wissen. So hat jeder der Studenten ein Kapitel des Buches verfasst.
Judith Selig befasste sich in dem Kapitel „Treffen sich zwei Protonen . . .“ mit dem gigantischen Teilchenbeschleuniger LHC (Large Hardron Collider, großer Hadronen-Speicherring) der Europäischen Organisation für Kernforschung namens CERN in der Nähe von Genf. „Das ist insoweit interessant, weil im LHC, der etwa drei Milliarden Euro gekostet hat, das Higgs-Teilchen tatsächlich nachgewiesen wurde“, sagte die Studentin.
Florian Schlagintweit hat zusammen mit Florian Zeller ein technisches Kapitel über „ATLAS und CMS – zwei Weltmaschinen auf der Suche nach Higgs“ geschrieben. „Diese beiden Detektoren haben die Aufgabe, noch nicht bekannte Teilchen wie etwa das Higgs-Teilchen zu suchen und zu finden“, so Schlagintweit.
„Es war eine grandiose Zeit und es war super, mit Professor Harald Lesch zusammenzuarbeiten“, fügte er an. „Was er vorlebt – komplizierte Dinge verständlich herunterzubrechen –, das sollte eigentlich jeder Physiker können.“ Und Judith Selig berichtete: „Harald Lesch hat unsere Texte abgenickt und gesagt: ,Ich bin superstolz auf Euch‘.“
Weil aber die Gruppe das Buch geschrieben hatte, ohne vorher einen Verlag zu kontaktieren, gab es auch einen Rückschlag. Der erste Verlag, dem das Buch vorgelegt wurde, lehnte eine Veröffentlichung rundweg ab. „Doch dann hat uns der Bertelsmann-Verlag das Werk förmlich aus der Hand gerissen“, so Judith Selig. Dem Verlag habe wohl geschwant, dass bei der kurz danach anstehenden Nobelpreis-Verleihung Peter Higgs und François Englert ausgezeichnet werden würden. „Daher wurde das Buch quasi in Lichtgeschwindigkeit produziert“, so die beiden Co-Autoren. Am 8. Oktober wurden die beiden Nobelpreisträger bekannt gegeben, und am 18. November erschien das Buch.
Das Buch „Die Entdeckung des Higgs-Teilchens – Oder wie das Universum seine Masse bekam“ ist im C. Bertelsmann-Verlag München erschienen. Das gebundene Buch hat 176 Seiten und enthält einige Schwarz-Weiß-Abbildungen. Es kostet 14,99 Euro und ist im Buchhandel erhältlich.