Die Frankfurter Journalistin und Autorin Veronika Kracher ist im deutschsprachigen Raum die profunde Kennerin dieser Szene schlechthin. Und wer sich durch ihr Buch "Incels – Geschichte, Sprache und Ideologie eines Online-Kults" hindurchgearbeitet hat, bleibt erst einmal reichlich verstört zurück. Denn Kracher beschreibt darin einen Männertyp, der weder zu den schwarzen Schafen oder Ausnahmeerscheinungen gehört, sondern eher dem "normalen" Mann entspricht. Also dem Mann innerhalb der vorherrschenden patriarchalen Verhältnisse, in der die Abwertung des Weiblichen an der Tagesordnung ist.
Zu diesem Ergebnis kommt jedenfalls die 32-jährige Autorin, die sich nach eigenen Angaben seit früher Jugend mit feministischem Aktionismus, mit Antifeminismus als Türöffner für Rechtsradikalismus beschäftigt. "Seit dem einschlägigen Anschlag eines Incels in den USA 2018 habe ich mich richtig reingekniet", blickt Veronika Kracher im Gespräch mit unserer Zeitung zurück. Und legt mit ihrem sorgfältig recherchierten Buch mit Alleinstellungsmerkmal eine "relativ objektive Analyse der gesellschaftlichen Verhältnisse vor", in der toxische Männer Frauen unterdrücken und das Weibliche ablehnen – "der durchschnittliche Familienvater oder der Incel, und das ist von einer Gesellschaft akzeptiert, die sich an traditionalisierten Geschlechterrollen orientiert", so Kracher.
Lesung ausgewählter Kapitel aus dem Buch
Sie wird am Freitag, 10. Februar, um 20 Uhr im Studio des E.T.A. Hoffmann Theaters aus ihrem Buch ausgewählte Kapitel lesen. Danach dürfte auch dem wenig internetaffinen Zuhörer klar sein, was sich hinter dem Fachbegriff und der Kurzform "Incels" verbirgt. Nämlich "Involuntary Celibates" – unfreiwillig im Zölibat Lebende. "Der Fokus liegt auf unfreiwillig", erklärt Kracher. Also "unfreiwillig kriegen Incels keinen Sex, Schuld daran hat nach deren Meinung der Feminismus".
Incels treffen sich in Onlineforen und auf Imageboards. Sie lamentieren darüber, keinen Sex zu haben, obwohl dieser ein naturgegebenes männliches Grundrecht sei. Im schlimmsten Falle artikuliert sich ihr Denken in der Glorifizierung von Kindesmissbrauch, sexueller Gewalt gegen Frauen oder dem Femizid, wie Autorin Kracher akribisch darlegt. Das Internet biete den Incels einen Ort, um sich mit Gleichgesinnten auszutauschen: Sozusagen eine "toxische Echokammer, in die verunsicherte Jungen hinein rutschen und sich diese zerstörerische Ideologie aneignen, in der sich die User selbst immer wieder bestätigen". Bestätigen in ihrem Selbst- und Frauenhass, weil sich Incels für so unattraktiv halten, dass "Frauen, die oberflächlichen Schlampen" ihnen den ihnen zustehenden Sex vorenthalten.
Eine Erweiterung des Theatererlebnisses
Der Abend mit Veronika Kracher in der Gesprächsreihe "ETA fragt" verspricht eine "Erweiterung des Theatererlebnisses", wie Leitende Dramaturgin Petra Schiller erklärt. Sie verweist auf die seit November 2022 laufenden Aufführungen des Auftragswerks "Tiefer Grund", in dem die Geschichte eines Amok laufenden Incels aus der Elternperspektive erzählt wird. Jeweils am 19. und 23. Februar kommt das Stück noch einmal auf die Bühne des Bamberger Theaters.
Nach der Lesung von Veronika Kracher lädt Petra Schiller zum Gespräch über die Entwicklung der Subkultur und Verflechtungen zwischen Verschwörungstheorien und Antifeminismus ein. "Es werden auch Menschen mitgenommen, die sich nicht mit den Fachbegriffen des Internets auskennen", verspricht die Dramaturgin.
Karten gibt es an der Theaterkasse und auf www.theater.bamberg.de