Eine lange Ära geht zu Ende: Das bekannte Haßfurter Fachgeschäft Uhren Optik Specht in der Brückenstraße schließt zum 15. Juli. Im vergangenen Jahr war es 100 Jahre her, dass sich das Unternehmen in der Kreisstadt niedergelassen hat. Dies nimmt Werner Fiedler zum Anlass und blickt - natürlich mit Wehmut - auf eine lange Tradition, die nach 101 Jahren endet.
In diesem Jahrhundert lagen nicht nur Aufbau und Erfolg, sondern auch Krisen- und Kriegszeiten. Wirtschaftswunder und Rezession - wie aktuell zur Corona Zeit - gehörten ebenfalls dazu. Den Grundstein legte der aus Norddeutschland stammende Johann Specht. Gemeinsam mit seiner Frau Berta erwarb er in deren Heimatstadt Haßfurt das Haus in der Brückenstraße 15. Hier machte sich Johann Specht am 1. Januar 1919 als Uhrenmacher und Augenoptiker selbstständig. Durch Fleiß und Können erwarb er schon bald das Vertrauen seiner Kundschaft.
Nach der Kriegsgefangenschaft: Rückkehr zu einem leeren Laden
Im Jahre 1925 folgte der erste Umbau. Als Nachfolger trat Sohn Heinz in die Fußstapfen seines Vaters. Als Heinz Specht 1948 aus russischer Gefangenschaft in seine Heimatstadt Haßfurt zurückkehrte, stand er vor einem leeren Laden. Eine fundierte Ausbildung als Uhrmachermeister, Augenoptiker und Kaufmann ließen den Heimkehrer nicht verzweifeln.
Voller Tatendrang führte Heinz Specht mit seiner Frau Gertrud das Geschäft zu einer beachtlichen Größe. Die Geschäftsräume mussten mehrfach erweitert werden. In den 1950-er Jahren gab es neben der Firma Specht nur noch einen weiteren Optiker in der Kreisstadt - mittlerweile sind es deren sechs. Nach dem Tod von Vater Johann waren Heinz und Gertrud Specht ab August 1960 alleinige Inhaber.
Fundierte Ausbildung vor der Geschäftsübernahme
Im Jahre 1984 übernahm der in Fladungen in der Rhön geborene Schwiegersohn Werner Fiedler in dritter Generation das traditionsreiche Geschäft. Der neue Inhaber begann eine Lehre zum Augenoptiker in Bad Neustadt, wo auch seine Frau Jutta, geborene Specht, eine Ausbildung zur Augenoptikerin absolvierte. Eine weitere Ausbildung an der Fachakademie für Augenoptik in München folgte, die Werner Fiedler im Jahre 1975 mit dem Abschluss als staatlich geprüfter Augenoptiker und Augenoptikermeister abschloss.
Wenig später ging Werner Fiedler mit seiner Frau Jutta nach Kuwait, wo beide als Optiker arbeiteten. Dort erblickten auch die drei Söhne das Licht der Welt. Während der achtjährigen Auslandszeit sammelte Werner Fiedler Berufserfahrung auf dem Sektor Kontaktlinsen und Augenglasbestimmung sowie in der Brillenglasschleiferei. Dies kam ihm nach der Rückkehr in die Kreisstadt zugute.
Werner Fiedler arbeitete 36 Jahre lang als Fachmann und Spezialist, was Sehhilfen aller Art anbelangt. Die Uhren- und Schmuckbranche kam in all der Zeit bei der Firma Specht jedoch nie zu kurz. So waren führende Markenartikel und ein exquisites Angebot in den Geschäftsräumen stets vorrätig. Vor allem die langjährige Mitarbeit von ausgezeichneten Fachkräften trug dazu bei, dass das Geschäft in all den Jahren auf einen im weiten Umkreis wohnenden Kundenstamm blicken konnte.
Raubüberfall im Jahre 2014: Er schlägt Täter in die Flucht
Fragt man Werner Fiedler nach einem besonderen Ereignis in seiner langjährigen Geschäftstätigkeit, kommt ihm sofort der Raubüberfall im Herbst 2014 in den Sinn. Damals bedrohte ihn ein Räuber mit vorgehaltener Pistole und verlangte das ganze Bargeld. Der Geschäftsinhaber wehrte sich erfolgreich und schlug den Räuber mit einem Stuhl in die Flucht. Kurze Zeit später macht die Polizei den Täter, der zu Fuß flüchtete, dingfest. Ein weiterer markanter Punkt war für ihn die Jahrtausendwende. Da entwarf Werner Fiedler eine Städteuhr mit dem Konterfei der Haßfurter Ritterkapelle und ließ diese von einer Firma anfertigen. "Die Idee fand sehr großen Anklang", erinnert sich der Geschäftsinhaber.
Einen besonderen Dank spricht Werner Fiedler an Gaby Ankenbrand aus. Sie arbeitet seit 42 Jahren im Geschäft und hat ihre Lehre bei seinem Schwiegervater absolviert. Sie erinnert sich an Weihnachtszeiten mit viel Betrieb, wo es kaum eine Mittagspause gab: "Da waren die Schaufenster oftmals leergekauft".
Doch mit dem Eintritt ins Zeitalter des Internets ging der Verkauf von Uhren und Schmuck zurück. Der Geschäftsinhaber hat sich nun entschlossen, den Betrieb einzustellen. Die Geschäftsräume werden verkauft, da sich kein Nachfolger gefunden hat. Deshalb beginnt auch ab sofort der Ausverkauf. Das eine oder andere Schnäppchen an Uhren und Schmuck für verschiedenste Anlässe dürfte dabei einen neuen Besitzer finden. Auch Reparaturarbeiten müssen bis zum 15. Juli im Geschäft abgeholt werden.
Der 15. Juli ist nicht nur der letzte Öffnungstag
Den Tag, an dem er und sein Team letztmals Besucher in den Räumlichkeiten in der Brückenstraße empfangen, möchte Werner Fiedler mit einem kleinen Umtrunk begehen, um sich bei seinen langjährigen Kunden, Firmen, Freunden und ehemaligen Mitarbeiter bedanken. Gleichzeitig darf er just an diesem 15. Juli noch ein besonderes Ereignis feiern: Er wird nämlich an diesem Tag 70 Jahre alt und tritt seinen Ruhestand an.