
Die Wiege der überparteilichen Kommunalpolitik im Landkreis Haßberge stand in Zeil. Die Überparteiliche Zeiler Liste (ÜZL) war die erste parteiunabhängige Liste, die zu Kommunalwahlen antrat und das zu einer Zeit, als in Deutschland die Demokratie durchaus noch in den Kinderschuhen steckte. 1948 gegründet, feierte die ÜZL jetzt ihr 75-jähriges Bestehen mit einem unterhaltsamen Rückblick und vielen Glückwünschen. Das berichtet die Liste in einer Pressemitteilung, der folgende Informationen entnommen sind.
„Wenn es die ÜZL nicht gäbe, müsste man sie erfinden“, dieses Kompliment machte der Jubilarin Zeils Bürgermeister Thomas Stadelmann, der bekanntermaßen nicht der Überparteilichen Liste angehört, sondern der SPD. Doch gerade die ÜZL sei es gewesen, die das gute Miteinander der Stadtratsfraktionen prägte; die dafür sorgte, dass (fast) immer jede der weiteren Fraktionen einen stellvertretenden Bürgermeister stellte und dafür, dass es im Stadtrat nie eine absolute Mehrheit gab.
Genau das sei das Grundprinzip der ÜZL gewesen, so Christoph Winkler in seinem historischen Rückblick: "Dass es im Gremium um die besten Lösungen für Zeil gehen musste, weil nicht einer bestimmen konnte, wo es lang geht." Bezeichnend sei, dass die ÜZL aus der Gruppierung "Freunde des Städtchens Zeil" hervorging, betonte Frank Helmerich, aus Bad Königshofen kommender Landtagskandidat der Freien Wähler, bei denen die Überparteiliche Liste Mitglied ist. „Das ist beeindruckend, welche Arbeit Ihr hier geleistet habt, ganz ohne Ideologie und immer am Wohl der Allgemeinheit orientiert.“ Die frühen Mitglieder der ÜZL seien quasi „Hipster der Politik“ gewesen, absolute Vorreiter in dem Bemühen, auch ohne Parteizugehörigkeit Verantwortung zu übernehmen.
Dass es über die ganzen Jahrzehnte bis auf eine kurze Spanne in den 1980er-Jahren nur drei Fraktionen im Zeiler Stadtrat gegeben habe, spreche für die Qualität der Kommunalpolitik und damit auch der ÜZL, so der stellvertretende Bezirksvorsitzende der Freien Wähler Unterfranken, Josef Hofmann. „Die Zeilerinnen und Zeiler fühlen sich offenbar mit allen Anliegen gut aufgehoben“, stellte er fest. Diese Lebensnähe könne man vor allem damit erreichen, indem man „mehr Praktiker statt Ideologen in die Gremien“ bringt. Das sei die große Herausforderung gerade für die Freie-Wähler-Gruppierungen überall im Land.
Dieter Möhring zeigte auf, vor welchen Herausforderungen die Kommunen stehen, unter anderem wegen überbordender Bürokratie, die praktische Lösungen oft torpediert. Unter anderem dieser Umstand sei es, der den Kreisvorsitzenden des Gemeindetages und Aidhäuser Bürgermeister dazu bewog, in diesem Jahr als Listenkandidat der Freien Wähler für den Landtag anzutreten. Christoph Winkler appellierte an die Anwesenden aller politischen Farben: "Es ist wichtig, dass weiter Menschen mitmachen in der Kommunalpolitik. Es geht um Herzblut für unsere Stadt."
Auf eine eindrucksvolle Zeitreise nahm er die zahlreichen Gäste des Festabends mit. Er zeigte, wie holprig nach dem Zweiten Weltkrieg der Weg hin zu echten Kommunalwahlen war. Offenbar schätzten die Wähler damals den Ansatz der „Freunde des Städtchens Zeil“, nicht einen Gegenpol zu den Parteien zu bilden, sondern einfach mitgestalten zu wollen. Auch viele Neubürger nutzten diese Gelegenheit und engagierten sich in ihrer neuen Heimat.
Mit nur 29 Jahren wurde Rudolf Winkler zum Bürgermeister gewählt, 1956 zogen die ersten beiden Frauen in den Zeiler Stadtrat ein. Rudolf Winkler war 32 Jahre lang Bürgermeister in Zeil, sein Sohn Christoph 18 Jahre lang. Bis heute ist die ÜZL eine wesentliche Kraft im Zeiler Stadtrat. Gleichzeitig gelang es der ÜZL, den fast familiären Zusammenhalt zu wahren. Gesellige Treffen, Betriebsbesichtigungen, Wanderungen finden immer regen Zulauf. "Das kann man als Außenstehender nur bewundern, wie das bei Euch klappt", betonte Bürgermeister Thomas Stadelmann.
Vorsitzender Peter Pfaff freute sich, zahlreiche Mitglieder für ihre langjährige Zugehörigkeit zur Überparteilichen Zeiler Liste ehren zu können. Eine besondere Auszeichnung hatte er für Altbürgermeister Christoph Winkler parat, der zum Ehrenmitglied ernannt wurde. Ehrungen für besondere Verdienste gab es auch für Eva Göller und Christl Pottler.
50 Jahre: Eduard Rautner, Helmut Leykauf, Karl-Heinz Hiemann und Rudolf Barth;
40 Jahre: Erich Hehn, Franz Hoffman, Erwin Kern, Franz Kolb, Wolfgang Ortloff, Günter Schneider und Erich Zink;
25 Jahre: Lydia Hoffmann, Katja Reitwießner, Annemarie Schöpf, Gerd Lösch, Karlheinz Markl und Wolfgang Pottler.
