In der katholischen Kuratiekirche Sankt Bartholomäus sprach am Sonntag Georg Schirmer über „Martin Luther und die Juden“. Den Vortragsabend veranstalteten die evangelische Kirchengemeinde Rügheim-Kleinmünster und die katholische Kuratiegemeinde Sankt Bartholomäus mit dem Arbeitskreis des Museums Jüdische Lebenswege Kleinsteinach im Rahmen des Jubiläumsjahres „500 Jahre Reformation“.
Schirmer ist Diplom-Psychologe und Vorsitzender des Förderkreises ehemalige Synagoge Laudenbach. Von ihm war zu erfahren, dass Martin Luther 1505 als Mönch in den Orden der Augustiner-Eremiten eingetreten war. Seit 1512 arbeitete Luther als Professor an der Universität Wittenberg und hielt Vorlesungen über die Bücher der Bibel.
In seinem fast 90-minütigen Vortrag zeichnete Schirmer zu Beginn die Absichten des Reformators nach und brachte dabei auch die theologischen und gesellschaftlichen Hintergründe jener Zeit in Erinnerung. Am bekanntesten ist seine Kritik gegen den Verkauf von kirchlichen Ämtern und das Unwesen der Ablassbriefe mit seinen 95 Thesen, die Luther 1517 an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg angeschlagen hatte.
Dem Volk aufs Maul schauen – das war ein Erfolgsrezept von Martin Luther. Dabei zeichnete sich ab, dass Luther nicht nur der strahlende, standhafte Reformator war, wie er heute vielfach gesehen wird, so Schirmer.
Luther war kein Rassist
Mit seiner Grundhaltung gegenüber der jüdischen Minderheit hinterließ Luther überaus schwierige „Thesen“, die man im Nachhinein bei einer Würdigung der Reformation nicht übersehen könne.
Selten habe sich ein einflussreicher Mensch in der Reformationszeit widersprüchlicher zu den Juden geäußert, erläuterte Schirmer: Luthers Haltung reichte von verständnisvoller Akzeptanz bis hin zu hasserfüllten Aufrufen zur Verfolgung und Vertreibung der Juden im Land.
So sei Luther der einzige unter den damaligen Reformatoren (wie Philipp Melanchthon oder Johannes Calvin) gewesen, der die Vertreibung der Juden gefordert habe. Luther war aber auch kein Rassist: Für ihn sei die jüdische Religionsausübung eine Gotteslästerung gewesen.
Es gab schon im frühen und späten Mittelalter Judenpogrome, bei denen Synagogen in Flammen aufgingen und jüdische Friedhöfe geschändet wurden. So auch im Dritten Reich in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938. Sie ging als „Reichskristallnacht“ als ein trauriges Kapitel in die deutsche Geschichte ein. Für die Nazis war dies ein Probelauf, um die Stimmung im Land zu testen, berichtete der Referent. Angesichts der aktuellen Situation im Land stelle sich die Frage, wie mehr Toleranz zwischen den Religionen in der Gesellschaft überhaupt möglich sei, um derartiges Verhalten zu verhindern.
Die Reformation
Die Reformation entwickelte sich zu einer kirchlichen Erneuerungsbewegung in der Zeit zwischen 1517 bis zum Ende des 30-jährigen Krieges mit dem westfälischen Frieden im Jahr 1648. Die Folge war die Spaltung des westlichen Christentums in die verschiedenen Konfessionen: katholisch, lutherisch und reformiert.
Die letzten Worte Luthers vor seinem Tode waren: „Wir sind Bettler, hoc est verum“ (das ist wahr), schloss Schirmer seinen Vortrag, an den sich ein Umtrunk im Gemeindesaal der Alten Schule anschloss, der Gelegenheit zur Diskussion gab.