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KREIS HASSBERGE
Tierschützer haben Jäger im Visier
Ihr Vorwurf lautet: Die Methoden der Drückjagden verstoßen gegen Tierschutzgesetz. Der Leiter des Ebracher Forstbetriebs weist das zurück und sucht das Gespräch.
17. November, kurz vor 9 Uhr: Auf dem Zabelstein-Parkplatz an der Straße von Hundelshausen nach Fabrikschleichach instruiert Jagdleiter Ulrich Mergner (in der Bildmitte, leicht erhöht stehend) die vielköpfige Schar der Teilnehmer der Bewegungsjagd, zu der die Staatsforsten Ebrach an diesem Tag eingeladen hat. Manche treffen auch erst ein, als die die vorgeschriebene Ansprache des Jagdleiters vor Beginn der Jagd bereits beendet ist.
Foto: Michael Mößlein | 17. November, kurz vor 9 Uhr: Auf dem Zabelstein-Parkplatz an der Straße von Hundelshausen nach Fabrikschleichach instruiert Jagdleiter Ulrich Mergner (in der Bildmitte, leicht erhöht stehend) die vielköpfige Schar ...
Michael Mößlein
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:24 Uhr

Der Spätherbst und der Winter sind bevorzugte Jahreszeiten für Bewegungsjagden. Allein der staatliche Forstbetrieb Ebrach hat im Steigerwald bis Mitte Dezember 20 solche auch Drückjagden genannte Aktionen zur Reduzierung von Reh- und Schwarzwild angesetzt. Tierschützer, aber auch Biologen und Jäger, kritisieren diese Form der Jagd immer wieder als nicht tierschutzgerecht. Die Tierschutzinitiative (TI) Haßberge hat Hinweise, dass es zumindest bei einer Bewegungsjagd, vergangene Woche im Revier Oberschwappach, zu strafrechtlich relevanten Verstößen gekommen ist. Der Vorwurf richtet sich gegen den verantwortlichen Jagdleiter.

TI-Vorsitzende Britta Merkel aus Oberschwappach war mit mehreren Mitstreitern Zaungast dieser Bewegungsjagd. Unter anderem verfolgte sie die Ansprache von Ulrich Mergner, dem Leiter des Ebracher Forstbetriebs, der als Jagdleiter fungierte.

Die Waldwege im Bereich des Forstreviers Oberschwappach sind während der Jagd von 8.30 bis 15.30 Uhr für Passanten gesperrt. Laut Mergner ist dies die größte Jagd des Jagdjahres, zu der viele Teilnehmer von auswärts anreisen.
Foto: Michael Mößlein | Die Waldwege im Bereich des Forstreviers Oberschwappach sind während der Jagd von 8.30 bis 15.30 Uhr für Passanten gesperrt.

Ihrer Meinung nach hat die Ansprache, die Mergner vor Beginn der Jagd auf dem Zabelstein-Parkplatz vor den versammelten Jägern gehalten hat, bestimmte Vorschriften nicht erfüllt, womit Mergner gegen Gesetze verstoßen hätte. Merkel behält es sich deshalb vor, Mergner anzuzeigen.

Tierschützerin Merkel stützt sich auf eine inhaltliche Bewertung der Ansprache Mergners durch Wildtierbiologin Christine Miller. Diese Frau aus Oberbayern ist selbst Jägerin und in der Ausbildung von Berufsjägern aktiv. Zudem betreibt sie das „Büro für Wildbiologie Bayern“ und schreibt in Jagdzeitschriften und Fachbüchern. Im Gespräch mit dieser Redaktion meint sie, die Bewegungsjagd im Revier Oberschwappach sei mit Blick auf das Jagd- und Tierschutzgesetz in mehreren Punkten „grenzwertig“ gewesen. Sie spricht gar von einem „offenem Rechtsbruch“, den sie erkennt.

Beispielsweise sieht sie Vorgaben des Fleisch-Hygienegesetzes missachtet, wenn erlegte Wildtiere erst, wie Jagdleiter Mergner es in seiner Ansprache vorgegeben hat, nach Abschluss der kompletten Jagd aufgebrochen und ihrer Innereien entledigt werden. Zu diesem Zeitpunkt sind sie teilweise länger als zwei Stunden tot. „Fast eine Anstiftung zur Straftat“ sieht Miller in Mergners Ansage, die Jäger müssten nicht auf flüchtiges Wild schießen, wenn sie im Schießen nicht so geübt seien. Erlaubt, so Miller, sei es nur, auf stehendes oder sich langsam entfernendes Rehwild zu schießen. Ein Gesetzesbruch ist für sie die Freigabe von Rehböcken zum Abschuss – trotz geltender Schonzeit.

Tierschutzrechtliche Aspekte, wie die vorgeschriebene Nachsuche bei nicht sicheren Treffern, oder der Umgang mit Anschüssen, habe der Jagdleiter in seiner zehnminütigen Ansprache „komplett ausgeblendet“, wirft die Wildtierbiologin Mergner vor. „Das ist schon sehr ungewöhnlich“, sagt sie und stützt sich auf Rücksprachen, die sie eigener Aussage nach mit Fachkundigen geführt hat.

Forstbetriebsleiter Mergner weist die Vorwürfe klar zurück, allem voran die Behauptung, er habe tierschutzrechtliche Belange missachtet. Ausgegebenes Ziel bei den Bewegungsjagden sei immer der schnell tötende Schuss auf stehendes Wild, macht er auf Nachfrage dieser Redaktion klar. Um unnötiges Tierleid zu vermeiden, werde bereits während der laufenden Jagd nach angeschossenen Tieren gesucht. Dass geschossenem Wild bevorzugt nicht mitten im Wald, sondern am zentralen Aufbrechplatz die Innereien entnommen werden, begründet der Jagdleiter mit der Hygiene und den Entsorgungsmöglichkeiten, die am Aufbrechplatz besser seien.

„Ich bin mir sicher, dass ich Rehböcke nicht zum Abschuss freigegeben habe“, reagiert Mergner auf einen weiteren Vorwurf. Er sichert zu, Teilnehmer künftiger Jagden explizit auf ein Schreiben des bayerischen Landwirtschafts- und Forstministers Helmut Brunner hinzuweisen, wonach der versehentliche Abschuss eines Rehbocks während der in Bayern geltenden Schonzeit an die Kreisbehörden zu melden sei, jedoch nicht juristisch verfolgt würde.

Dicht gedrängt stehen die Autos am Treffpunkt. Die Kennzeichen verraten es: Viele sind von auswärts angereist. Manche treffen auch erst ein, als die die vorgeschriebene Ansprache des Jagdleiters vor Beginn der Jagd bereits beendet ist.
Foto: Michael Mößlein | Dicht gedrängt stehen die Autos am Treffpunkt. Die Kennzeichen verraten es: Viele sind von auswärts angereist. Manche treffen auch erst ein, als die die vorgeschriebene Ansprache des Jagdleiters vor Beginn der Jagd ...

Am Mittel der Bewegungsjagden führt laut Mergner kein Weg vorbei. Andernfalls seien Mischwälder nicht ausreichend vor Verbiss durch Rehwild und landwirtschaftliche Flächen vor zu großen Schäden durch Schwarzwild (Wildschweine) zu schützen. Allein durch Aufsitzjagden seien die vorgegebenen Abschusszahlen nicht zu erreichen. Mergner erwartet bei den 20 Bewegungsjagden, die alle Reviere des Forstbetriebs – von Burgebrach (Lkr. Bamberg) bis Oberschwarzach und Neuschleichach – bis 17. Dezember mit je zwei Terminen betreffen, eine gesamte Jagdstrecke von 500 bis 600 Stück Rehwild sowie 300 Wildschweinen. Zum Vergleich: Insgesamt muss der Forstbetrieb pro Jahr circa 1000 Rehe und 350 Wildschweine schießen.

Bei einer erfolgreichen Bewegungsjagd, erklärt Mergner, könnten in drei Stunden teilweise bis zu 100 Stück Wild erlegt werden – um auf eine solche Zahl zu kommen, müssten Jäger bei der Einzeljagd 500 bis 600-mal ansitzen, und brächten jedes Mal neu Unruhe in den Wald. Bei einer Bewegungsjagd kehre nach einigen Stunden wieder für lange Zeit Ruhe ein im Wald.

Tierschützer sehen dies anders. Miller verweist darauf, dass selbst Kunstschützen durch Drückjagden aufgeschrecktes, schnell fliehendes Wild kaum sicher zu treffen vermögen, ganz zu schweigen manche Teilnehmer von Drückjagden, die nur wenige Male im Jahr überhaupt auf Wild schießen. Mergner entgegnet, dass nicht nur die Ansprüche an die Sicherheit während der Jagden groß seien. Auch auf zielsichere Schützen werde geachtet. Die Verantwortlichen kennen die Jäger meist seit vielen Jahren und wüssten, wer gut schieße und wer nicht. Bei den Nachsuchen könne man dies sehen.

Die Teilnehmer der Bewegungsjagden kämen größtenteils aus dem Raum Steigerwald. Dass doch Autos etlicher Teilnehmer, die zur Bewegungsjagd am 17. November angereist waren, ortsfremde Kennzeichen trugen – teils aus Garmisch und Straubing, teils sogar aus dem Ausland – erklärt der Jagdleiter damit, dass auch Jagdgäste des Forstbetriebs eingeladen waren, beispielsweise ehemalige Teilnehmer von Jäger-Lehrgängen. Die Teilnahme koste nichts. Das geschossene Wild bleibt im Besitz des Jagdherrn, in diesem Fall des Forstbetriebs. Dieser lässt das Wildfleisch von drei Metzgereien aufbereiten und verkauft es; zum Teil selbst, zum Teil geht das Fleisch laut Mergner auch an Weiterverarbeiter aus der Region oder an Gasthäuser.

Wie viele Bewegungsjagden es im Landkreis Haßberge gibt, kann Martin Schrauder von der Unteren Jagdbehörde im Landratsamt in Haßfurt nicht sagen. Solche Jagden müssten der Behörde nicht angezeigt werden. Das Landratsamt gibt den Jagdrevieren nur die Zahl der zu erlegenden Tiere vor – wie dies erfüllt wird, bleibe den Revieren selbst überlassen. Relevant sei im Haßbergkreis vor allem die Vorgabe beim Rehwild, meint Schrauder. Eine Abschusszahl gelte beim Rehwild immer für einen Zeitraum von drei Jahren.

Für 2013 bis 2015 lag diese bei 12 833 Stück Rehwild. In den Jahren seit 2001 schwankte die Zahl um die 12 000, berichtet Schrauder. Die Zahl lag früher auch schon deutlich niedriger: Von 1983 bis 1985 etwa mussten 6266 Rehe geschossen werden.

Die Frage, ob bei einer Jagd in puncto Fleischhygiene alles vorschriftsmäßig zugeht, ist laut Werner Hornung, dem Leiter des Veterinäramtes im Landratsamt Haßberge schwierig zu beurteilen. Laut Vorgaben müsste das Fleisch „alsbald möglich“ auf sieben Grad heruntergekühlt aufbewahrt werden. Dies sei ein dehnbarer Begriff. Vor allem bei niedrigen Außentemperaturen – was für die meisten Bewegungsjagden zutrifft – sei dieser Punkt weniger dringend, als der Umstand, dass geschossenes Wild möglichst rasch aufgebrochen wird, um zu verhindern, dass Krankheitserreger vom Darm in den restlichen Körper der Tiere gelangen (Blut-Darm-Schranke). Das Veterinäramt könne Wildstrecken nur dann prüfen, wenn ein Verdachtsfall vorliegt, nicht routinemäßig.

So wird sich auch nicht so schnell klären lassen, ob an einer weiteren Vermutung von TI-Vorsitzender Merkel etwas dran ist: Sie glaubt, dass sich unter den bei den Bewegungsjagden geschossenen Tieren, die in geschlossenen Transportern abtransportiert werden, auch arg zerschossene Tierleiber befinden, deren Anblick – anders, als bei den Jagdstrecken fein säuberlich aufgereihten und mit Stolz öffentlich präsentierten Tieren – man niemandem zumuten möchte, am wenigsten künftigen Konsumenten.

Merkel wendet sich nicht generell gegen Bewegungsjagden. Doch spricht sie sich gegen „Massenveranstaltungen“ aus, wie sie die Bewegungsjagden im Forstbetrieb Ebrach nennt, an denen teils über 100, oder gar über 150 Jäger teilnehmen. Forstbetriebsleiter Mergner würde gerne mit Tierschutzvertretern über das Thema reden („bis jetzt hat noch keiner der TI mit uns gesprochen“), auch um mögliche Missverständnisse aufzuklären. „Ich plädiere immer für ein Miteinander von Tierschützern und Jägern.“

 
 
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